Mysteriös und ungewöhnlich ist die Kombination aus dem Porträt einer jungen Frau mit dem Fuß einer marmornen Büste. Sie spielt mit dem Gedanken, Schönheit und Jugend in der Kunst zu verewigen. Zwei Glasnegative, eins des Porträts und eins der Büste, wurden zu diesem Zweck im jeweils unerwünschten Bildbereich freigerieben und dann gemeinsam belichtet. Zusätzliche kleine Retuschen im Papierabzug sind mit dem Auge zu erkennen. Die Autorschaft des Bildes ist nicht zweifelsfrei geklärt, doch entstand es im Umfeld des erfolgreichen Wiener Porträtfotografen Nikolaus Stockmann.
Albuminpapier, retuschiert
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Tamamura Kōzaburō unterhielt ein erfolgreiches Fotoatelier im Unterhaltungsbezirk Asakusa in Tokyo, bevor er 1881 nach Yokohama zog. Kōzaburō profitierte von der Öffnung Japans, indem er interessierten Reisenden Bilder des Landes und seiner Bewohner bieten konnte, die im europäischen Ausland als besonders authentisch galten. Sein Porträt einer jungen Frau in traditioneller Kleidung und Holzsandalen bietet in der zarten, kühlen Kolorierung eine Metapher des Winters.
Albuminpapier, handkoloriert
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Der aus Frankfurt a. M. stammende Fotograf arbeitete bereits seit 1857 mit Erfolg in Neapel. Mit seinen Aufnahmen der Antiken in Pompeji wie auch der Opfer des Vesuv-Ausbruchs im Jahr 79 hatte er sich einen Namen gemacht. Als im April 1872 erneut Lavamassen aus dem Krater des Vesuvs schossen, gelang ihm eine geradezu ikonische Serie von Aufnahmen des Naturschauspiels. Sommer fotografierte im Halbstundentakt von einem Boot im Golf von Neapel aus. Die hier gezeigte Fotografie changiert zwischen dem Schrecken ob der Naturgewalt und dem Staunen ob ihrer Erhabenheit.
Albuminpapier
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Aufgrund ihrer Seltenheit sind japanische Ambrotypien gesuchte Zeugnisse der Meiji-Zeit. Im Gegensatz zu der fotografischen Souvenirindustrie für das Ausland entstanden Aufnahmen wie dieses Doppelporträt von japanischen Fotografen für japanische Familien. Während die Mutter scharf wiedergegeben ist, zeugt die Unschärfe des Kindes von der relativ langen Belichtungsdauer. Jede Ambrotypie ist einzigartig und direkt auf – damals relativ teures – Glas gebannt. Das schöne helle Gehäuse aus stabilem Kiri-Holz rahmt nicht nur das Bild, sondern schützt die Fotografie vor Bruch, Insekten und nicht zuletzt dem feuchten Klima.
Ambrotypie in Gehäuse aus Kiri-Holz
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Als Spiel aus Schwarz und Weiß setzt der Fotograf die Alpinisten geradezu kunstvoll ins Bild. Das Hochformat unterstützt die Idee einer gefährlich steilen Gletscherspalte, während das gleißende Sonnenlicht die Männer blendet. Auch der Fotopionier Adolphe Braun leistete in diesem Aufnahmemoment eine Menge: nicht nur kletterte auch über den Gletscher, sondern er manövrierte zudem eine große Kamera und die zur Aufnahme nötigen Platten und Chemikalien. Der ehemalige Gestalter von Stoffmustern hatte ein sicheres Gespür für den abstrakt-flächigen Reiz dieses Anblicks.
Albuminpapier
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Der Dom zu Köln war seit 1530 ein unvollständiges Bauwerk. Erst 1814, mit dem Abzug der französischen Truppen aus dem Rheinland, wurde der Dom zu einem Nationaldenkmal erkoren, das es fertigzustellen galt. Zwischen 1842 und 1880 wurden die umfangreichen Arbeiten am letztlich höchsten Gebäude der Welt von Fotografen aus Köln, aber auch von Touristen in allen Stadien festgehalten. Diese Aufnahme wurde von einem britischen Reisenden 1875 entweder selbst getätigt oder erworben und zeigt den Zustand der prominenten Westfassade, damals noch eingebettet in ein dichtes Wohnviertel.
Albuminpapier
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Hier wurde eine prämierte Rinderlende blattfüllend in Szene gesetzt: Mit Hilfe von kleinen Holzkeilen steht sie aufrecht, ein Metermaß dokumentiert die Größe, wir sehen sie in leichter Aufsicht und perfekt ausgeleuchtet. Dem Berliner Hoffotografen Schwartz war die Aufgabe zuteilgeworden, auf der Mastvieh-Ausstellung 1895 Vorbilder idealer Schnitte zur Orientierung der Metzger festzuhalten. Diese Art des Bildes ist in der Ausbildung eingesetzt worden und wurde ihrerseits Bestandteil der beginnenden industriellen Fleischproduktion – und verarbeitung in der Moderne.
Albuminpapier
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
General Berthaut zu Ehren, dem amtierenden Kriegsminister Frankreichs, wurden 1877 die typischen militärischen Materialwagen der französischen Armee in einer dokumentarischen Serie festgehalten und in offenbar niedriger Auflage abgezogen. Daraus stammt dieses Beispiel eines monumental inszenierten hölzernen Telegraphiewagens, dem hochmodernen Kommunikationsmittel, das an der seitlichen Kabellage zu erkennen ist und das von Pferden gezogen wurde. Traditionelle Mobilität und innovative Technologie treffen hier direkt aufeinander.
Albuminpapier
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Die Akropolis von Athen thront in dieser frühen Ansicht als antike Stadtfestung auf dem Tempelberg, deutlich sind die Säulen des Parthenon-Tempels zu erkennen. Im Vordergrund rechts finden sie eine Entsprechung im antiken Zeustempel. Die Aufnahme stammt vermutlich von Félix Bonfils, einem vor allem im Nahen Osten tätigen Fotografen, der sich auf Topographien und historische Stätten verstand. Solche Aufnahmen waren populäre Souvenirs für Griechenland-Touristen. Die rotbraune Tonigkeit der Fotografie unterstützt die atmosphärische Wirkung des Motivs.
Albuminpapier, rotbraun getont
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg
Schon in den 1840er-Jahren, also unmittelbar nach öffentlichem Bekanntwerden der fotografischer Verfahren, wurden polizeilichen Verbrecherakten Fotografien hinzugefügt. Erkennungsdienstliche Aufnahmen wurden jedoch erst allmählich standardisiert. Um 1900, als diese Aufnahmen des Herrn Blache entstanden, hatten sich ein Seiten- und eine Frontalansicht des Gesichts etabliert – sauber ausgeleuchtet und ohne Minenspiel des Porträtierten. Dieser Minimalaufwand folgte der Empfehlung Alphonse Berthillons und diente der zweifelsfreien Identifikation einer Person. Warum die bereits üblichen Fingerabdrücke hier fehlen, ist ungeklärt.
Albuminpapier
Sammlung Stiegler, erworben 2022 aus Mitteln der Museumsstiftung Baden-Württemberg