Bayerische Dorfhäuser unter Bäumen
Beschreibung
In einer Phase der Loslösung von der realistisch-romantischen Landschaftsmalerei hin zur expressiven Farbigkeit schuf der Karlsruher Akademiestudent Alexander Kanoldt Bayerische Dorfhäuser unter Bäumen . Er war fasziniert von den Werken der französischen Maler-Avantgarde, genannt »Les Fauves«, deren Arbeiten sich vor allem durch die Lösung von der Gegenstandsfarbe auszeichnen. Kanoldt zog nach München und lernte dort Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky, Gabriele Münter und Marianne von Werefkin kennen. Aus diesem Kreis ging die Neue Künstler-Vereinigung München (NKVM) hervor.
Die prägnante Bergkuppe im Hintergrund und der getreppte Giebel inmitten der dörflichen Häuser lassen die Vermutung zu, dass es sich bei der Idylle um Murnau am Staffelsee handelt. Gabriele Münter besaß dort eine Villa und lud die Mitglieder der NKVM immer wieder dorthin ein. Von dieser satten Natur ließ sich Kanoldt inspirieren und setzte leuchtende Farben auf die Leinwand: Grün, Braun, Grau, Beige, Ocker, vereinzelt Rot und Blau bilden die Palette. Die Farbflächen grenzen aneinander und sind klar strukturiert durch den kräftigen, gut sichtbaren Pinselstrich. Viele dieser Flächen begrenzt der Künstler mit starken Konturen, sowohl die Dächer der Häuser als auch die Felsen dahinter. Er lotet so das Verhältnis der menschengemachten Architektur zu den organischen, die Landschaft strukturierenden Elementen aus und verzichtet gänzlich auf die Darstellung von Menschen in dieser Szenerie. Trotz klarer Tendenz zur Abstraktion verfremdet Kanoldt die Architektur nicht zur Unkenntlichkeit.
Ein Ausflug nach Murnau am Staffelsee
0:00
0:00
Es ist Sommer. Umrahmt von ausladenden, saftig-grünen Bäumen liegt an einem idyllischen Platz eine Ansiedlung stattlicher Dorfhäuser stumm in der Mittagshitze. Im Hintergrund ist ein Berg-Panorama zu sehen. Die hellen Fassaden reflektieren das gleißende Sonnenlicht. Vielleicht kündigt sich ein Gewitter an, der Himmel hat sich schon violett-blau verfärbt.
Die Bewohner haben sich ins Innere der Häuser zurückgezogen. Es ist die Gelegenheit für den Maler, ungestört das Verhältnis zwischen menschengemachter Architektur und ihrer natürlichen Umgebung zu erkunden.
Sehen Sie, wie er sein Motiv in die Tiefe ordnet? Sowohl die Dächer staffeln sich als auch die Gebirgskuppen, die sich hinter ihnen erheben, kontinuierlich ansteigend.
Die Komposition behandelt Menschengemachtes und Natürliches in gleicher Weise. In satten, leuchtenden Farbflächen ergänzen Landschaft und Architektur einander wie selbstverständlich – stimmungsvoll und harmonisch.
Das gelingt dem Maler über einen gewissen Grad an Abstraktion und einen scheinbaren Verzicht auf Details. Die strukturellen Elemente des Bildes, wie Büsche, Hauswände, Dächer, Felsen, sind in reinbunte Farbflächen aufgelöst, die von kräftigen, dunklen Konturen begrenzt werden.
Deutlich lassen sich die energischen, nebeneinander gesetzten Pinselstriche erkennen, die den einzelnen Partien Struktur verleihen und sie fast plastisch hervortreten lassen. Der Künstler hält die Dynamik seines Arbeitsprozesses im Bild fest.
Alexander Kanoldt, in Karlsruhe zunächst geschult in klassischer Landschaftsmalerei, war um 1909 von den expressiv farbigen Werken der französischen Maler-Avantgarde fasziniert. In München bildete er wenig später mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin die ‚Neue Künstler-Vereinigung‘.
Kanoldts Arbeit ist offenbar in Murnau am Staffelsee entstanden, dem bevorzugten Maldomizil der Gruppe, und zeigt stilistische und motivische Ähnlichkeiten zu anderen an diesem Ort entstandenen Gemälden der Vereinigung.
Mit dem Ausbalancieren des Verhältnisses von Architektur und organischem Naturraum setzt Kanoldt jedoch eigene Schwerpunkte, die in seinem Werk virulent bleiben werden.
Daten und Fakten
| Titel | Bayerische Dorfhäuser unter Bäumen |
|---|---|
| Künstler*in | Alexander Kanoldt |
| Entstehungszeit | um 1911 |
| Inventarnummer | 2383 |
| Maße Bildträger | H 45,5 cm B 36,5 cm |
| Maße Rahmen | H 48,0 cm B 39,6 cm T 2,5 cm |
| Material | Pappe |
| Technik | Ölfarbe |
| Gattung | Gemälde |
| Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
-
Der Blaue Reiter und sein Kreis
Städtische Galerie Villingen-Schwenningen 1975, Nr. 53
-
Alexander Kanoldt (1881-1939). Gemälde, Zeichnungen, Lithographien
Museum für Neue Kunst, Freiburg;
Von der Heydt Museum, Wuppertal
1987, Nr. 13 -
Der Blaue Reiter und das Neue Bild. Von der 'Neuen Künstlervereinigung München' zum 'Blauen Reiter'
Städtische Galerie im Lenbachhaus 1999
-
Alexander Kanoldt. Graphik und Malerei aus dem Besitz der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
2001-2002, Nr. 4
-
Alexander Kanoldt. Der Weg zur Neuen Sachlichkeit
Studioausstellung ZKM 22.03.2025 - 22.06.2025
-
1964: Erwerbungsbericht 1952-1963
Lauts, Jan
-
1971: Katalog Neuere Meister
Hrsg.: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Bearb.: Lauts, Jan
19. und 20. Jahrhundert -
1971: Katalog Neuere Meister
Hrsg.: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Bearb.: Lauts, Jan
19. und 20. Jahrhundert -
1971: Alexander Kanoldt und die Kunstrichtungen seiner Zeit
Fischer-Hollweg, Brigitte
-
2022: Alexander Kanoldt
Jacob-Friesen, Holger (Hg.); Müller-Tamm, Pia (Hg.); Rosebrock, Tessa Friederike (Hg.)
Die Schenkung von Welck