
Das Haupt Johannes' des Täufers
Beschreibung
Der französische Bildhauer Auguste Rodin revolutionierte die Gattung der Bildhauerei. Er besaß das besondere Talent, komplexe Oberflächen in Ton zu modellieren und mit Ausdruck zu versehen, was der glatteren, formelhafteren Bildhauerei seiner Tage widersprach.
„Das Haupt Johannes‘ des Täufers“ gestattet einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise Rodins. Hatte er sich zuvor noch des Vorwurfs erwehren müssen, seine Körper seien lediglich Abformungen vom Modell, so betont er hier umso entschiedener die schrittweise Genese seiner Johannes-Figur.
Wie bereits Michelangelo oder Lorenzo Bernini fand auch Rodin seine Formen weniger mit dem Zeichenstift als vielmehr von Beginn an plastisch: Nachdem der Umriss über einem Kern aufgebaut war, modellierte Rodin die Einzelformen aus einer Vielzahl von Tonklümpchen, die er, zu Röllchen geformt, mit der Hand andrückte und verstrich. Als sei er ungebrannt und noch nicht getrocknet, bewahrt der Ton die Unmittelbarkeit des Arbeitsprozesses und lässt sogar die Fingerspuren der modellierenden Hand erkennen. Spontan und skizzenhaft entstand so ein ausgeprägtes Wechselspiel von Licht und Schatten.
Diese Detailstudie diente der Vorbereitung einer ganzfigurigen Bronze mit dem Titel „Johannes der Täufer, predigend“ (Kunsthalle Bremen) von 1879/80. Das Thema soll sich spontan aus dem Eindruck ergeben haben, den das ungewöhnliche Modell auf Rodin gemacht hatte – ein italienischer Bauer namens Pignatelli, dessen Haltung, Bewegung und Ungepflegtheit den Bildhauer faszinierten. Bei dieser Kopfstudie entfernte sich Rodin jedoch vom lebenden Modell, wie Fotografien zeigen. Vielmehr versuchte Rodin einen seherischen Eindruck des Künders Christi zu erzielen, in dem er die Augenlider und unteren Lidränder wie flüchtig behandelte, anstatt die Pupillen effektvoll zu definieren.
Highlight-Tour
Dreidimensionale Skizze
Aus dem rohen Ton formen sich Gesichtszüge, lebendig und ausdrucksstark. Rodins Kopf des Johannes präsentiert sich als ein Werk, das noch mitten im schöpferischen Prozess zu stecken scheint.
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Fast möchte man meinen, der weiche Ton sei noch nicht getrocknet.
Tasten Sie mit den Augen einmal behutsam die bewegte Oberfläche ab: An manchen Stellen können Sie sogar den Fingerabdruck des Bildhauers entdecken …
Schnappschuss eines Propheten
Der Mund ist leicht geöffnet, als sei der Dargestellte im Begriff zu sprechen. Und tatsächlich ist das Sprechen – das Predigen, Prophezeien und Verkünden – für die Figur Johannes des Täufers entscheidend. Wie in einer plastischen Momentaufnahme stellt Rodins Kopfstudie damit den Kern der biblischen Erzählung und das Wesen des Täufers dar: Dieser Mann hat eine Botschaft.
Suche nach Unmittelbarkeit
Rodin schuf diese plastische Skizze – einen sogenannten Bozzetto – als Studie für eine überlebensgroße Skulptur des Johannes. Modell stand ein Mann aus den italienischen Abruzzen, der noch nie zuvor für einen Künstler posiert hatte. Denn nichts hasste Rodin mehr als die abgegriffenen, steifen Modellposen der akademischen Kunst. Er suchte nach der Unmittelbarkeit des Ausdrucks. So wird seine Bildhauerkunst oft mit der raschen, skizzenhaften Malweise des Impressionismus verglichen. Aber Rodins Kunst weist darüber hinaus, denn sie vereint beides: Impression und Expression – spontanen Eindruck und intensiven Ausdruck.
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Highlights
Daten und Fakten
Titel | Das Haupt Johannes' des Täufers |
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Künstler*in | Auguste Rodin |
Entstehungszeit | 1877/78 |
Inventarnummer | P 161 |
Epoche | Historische Moderne |
Maße Plastik | H 30.5cm B 23.7cm T 21.1cm |
Material | Terrakotta Eichenholz |
Genre | Porträt |
Gattung | Plastik |
Abteilung | Plastik |
Rodin modellierte ausschließlich in Ton und ließ seine Marmorskulpturen und Bronzegüsse von Anderen anfertigen.
Auguste Rodin war ein Fan griechischer Kunst und besaß über 6.000 antike Artefakte.
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