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Charles Nègre - Le Joueur dorgue barbarie
Weitere Abbildungen

Le Joueur d'orgue barbarie

Charles Nègre

Maße:
H 23,5 cm  B 18,0 cm  
Jahr:
1852/1853
Ort:
ZKM

Beschreibung

1839 kam der noch junge Charles Nègre nach Paris und ging bei dem Historienmaler Paul Delaroche in die Lehre. Es war das Jahr, in dem die Daguerreotypie in der Pariser Akademie der Wissenschaften als erstes fotografisches Verfahren der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der französische Staat kaufte das Patent und gab es direkt wieder frei, sodass auf die sogenannte Geburtsstunde der Fotografie eine experimentierfreudige wilde Kindheit folgte. Delaroche hielt alle seine Schüler dazu an, sich produktiv mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen. Der Drehorgelspieler , eine mit Ölfarbe übermalte Fotografie, gewährt einen seltenen Einblick in diesen Prozess. Es handelt sich um ein frühes Beispiel des Dialogs zwischen Fotografie und Malerei.

Im Hof seines Pariser Ateliers, 21 Quai de Bourbon auf der Île Saint-Louis, inszenierte Nègre die Kinder seines Freundes Henri Le Secq neben einem Drehorgelspieler und nahm die kleine Gruppe selbst mit der Kamera auf. Das reizvolle Motiv übermittelt schon als Fotografie ein sorgfältig komponiertes Bild, wie die erhaltenen Abzüge im Musée d’Orsay zeigen. Einen solchen schwarz-weißen Papierabzug übermalte Nègre mit Ölfarbe, so als handle es sich um eine Vorzeichnung, die er zur Unterstützung des Gedächtnisses kolorierte. In der zweiten Fassung, ebenfalls in der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe (Inv. FK 59), übertrug er das Motiv mit Rötel auf ein neues Blatt und übermalte es erneut mit Ölfarbe. Hierbei war ihm wichtig, Form und Farbe weiter zu klären. Mindestens eine weitere, dritte Fassung muss existiert haben, denn ein motivgleiches Gemälde reichte Nègre nachweislich 1853 im Salon ein. Sie gilt heute jedoch als verschollen.

Nègre widmete sich mit Vorliebe dem Genrethema, also Alltagsszenen, die er vorwiegend auf der Straße beobachtete. Sich vom Klang der Musik berühren zu lassen und innezuhalten, diese zunächst unscheinbar wirkende Zäsur städtischen Treibens wählte Nègre hier als Bildthema. Mit diesem Sujet stellte er sich jedoch in eine künstlerische Tradition: Von Adriaen van Ostade Mitte des 17. Jahrhunderts bis zu Nègres Zeitgenossen Honoré Daumier ist der ärmliche Straßenmusiker ein wiederkehrendes Motiv, genauso wie auch in der Bohème-Literatur, etwa bei Charles Baudelaire oder Henri Murger.

Kunsthalle x Markus Brock

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Abbildung des Werks Le Joueur d'orgue barbarie von Charles Nègre, entstanden 1852/53. Zu sehen ist eine Straßenszene mit einem Mann der eine Truhe trägt. Neben ihm stehen zwei Kinder.

Pionier der Fotografie

Er war ein Pionier der Fotografie und gilt bis heute als einer der ganz Großen seiner Zunft: der Franzose Charles Nègre. Er war einer der Ersten, die Anfang der 1860er Jahre Straßenszenen fotografierten – 60 Jahre bevor Henri Cartier-Bresson damit berühmt wurde. Er war auch mit der Erste, der Momentaufnahmen und Reportagefotos machte und Fotos retuschierte.

Dabei hatte er Malerei studiert: bei Paul Delaroche und Jean-Auguste-Dominique Ingres. Delaroche ermutigte ihn damals, die Fotografien für Recherchearbeiten und Vorbereitungen seiner Werke zu nutzen. Und genau das hat er bei diesem Bild von 1852/53 gemacht: Der Drehorgelspieler heißt es und wir sehen einen Drehorgelspieler, der neben zwei Fässern steht. Zwei kleine Kinder hören ihm zu. Vor einem Rundbogen – was dahinter ist, verschwindet im Dunkeln.

Das ist kein großartiges Bild, aber die Art, wie Nègre es gemalt hat, war damals völlig neu: er hat nämlich ein Foto als direkten Untergrund genommen, auf dem er dann das Ölbild gemalt hat. Wenn Sie jetzt sagen, das ist ja noch einfacher als Malen nach Zahlen – versuchen Sie erst mal so ein Bild hinzubekommen – ob nach Zahlen oder auf ein Foto.

Abbildung des Werks Le Joueur d'orgue barbarie von Charles Nègre, entstanden 1852/53. Zu sehen ist eine Straßenszene mit einem Mann der eine Truhe trägt. Neben ihm stehen zwei Kinder.

Erhoffter Ruhm

Aber warum sind die Kindergesichter so unscharf? Das liegt an der damaligen Fototechnik. Offenbar wollte er für klarere, staunende und freudig zuhörende Kindergesichter nicht seine Fantasie bemühen. Viermal hat er dieses Motiv verwendet. Hat das Foto durchgepaust und darauf gemalt, auch diese Version ist hier in der Kunsthalle. Und am Ende hat er ein großes Gemälde auf dem Pariser Salon eingereicht – der Pariser Kunstausstellung. Leider ist es heute verschollen. Den Durchbruch als Maler hat es ihm aber eh nicht gebracht.

So wurde Charles Nègre zum Fotopionier. Er glaubte, dass die Fotografie die Zeichnung ersetzen wird und sah sie als die Exaktheit in der Kunst, während die Malerei die poetische Übertragung sei. Der Impressionismus war ja dann auch wenig später eine poetische Reaktion auf diese neue Technik – das bloße Abbild der Natur war nicht mehr so spannend.

Trotzdem war Nègre zehn Jahre nach dem Drehorgelspieler pleite und zog von Paris nach Nizza – er stammte aus dem nahe gelegenen Grasse. Dort war perfektes Fotolicht und er hoffte, dass die Fotografie ihm hier Ruhm und vor allem Geld einbringen würde. Reich wurde er aber nicht, immerhin konnte er sich mit Fotos für Nizza-Urlauber über Wasser halten. Und der Ruhm kam erst Jahrzehnte nach seinem Tod.

Touren zu diesem Werk

Der Künstler vor einer Litfaßsäule
Community-Tour

Kunsthalle x Markus Brock


Mit einem neuen Blick auf die Sammlung präsentiert Markus Brock einzelne Hidden Highlights.
kurzweilig
ca. 55 min
zur Tour

Daten und Fakten

Titel Le Joueur d'orgue barbarie
Künstler*in Charles Nègre
Entstehungszeit 1852/1853
Inventarnummer FK 58
Maße Bildträger H 23,5 cm  B 18,0 cm  
Maße Rahmen H 34,3 cm  B 27,8 cm  T 2,7 cm  
Material Salzpapierabzug
Technik Ölfarbe Fotografie
Gattung Gemälde
Abteilung Neue Malerei (nach 1800)
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