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Von Mitteln und Mittlern (4/5) Jagdstillleben mit Rebhuhn vor Steinnische Details der Station
François Desportes (1661) - Jagdstillleben mit Rebhuhn vor Steinnische

Jagdstillleben mit Rebhuhn vor Steinnische

François Desportes (1661)

Maße:
H 69.4cm B 57.5cm 
Jahr:
um bzw. nach 1703
Ort:
ZKM

Von Mitteln und Mittlern

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Wirklichkeit und Wahrnehmung

Zugegeben: Für unsere heutigen Sehgewohnheiten sind getötete Tiere als opulent inszenierte Darstellung von Jagderfolg eine Herausforderung. Doch um 1703, als der französische Maler François Desportes dieses Tierstilleben malte, war das Jagen von Rebhühnern, Schnepfen und Drosseln ein Privileg wohlhabender Schichten, die insofern auch als Auftraggeber solch repräsentativer Gemälde auftraten.

Ausschnitt aus einem Jagdstillleben von François Desportes: zwischen toten Vögeln liegen in einer Steinnische Pflaumen. Die Früchte sind prall, die Blätter verwelkt.

Schönheit und Vergänglichkeit

Das Rebhuhn ist mittig vor einer mit Meeressymbolen geschmückten Wandnische dargestellt, die den Vogel nicht nur rahmt, sondern ihm geradezu als Epitaph, als Gedächtnismal, dient. Das abhängende Tier wird in all seiner Schönheit und zugleich Verwundbarkeit inszeniert. In diesem Sinne ist die Kunst des Stilllebens eine fundamentale Kunst: oft geht es um die großen Themen Leben und Tod, Werden und Vergehen. So erklärt sich auch, weshalb die Blätter an dem Zweig links merklich welken, während die Pflaumen noch prall und frisch sind. Auch sie spiegeln den jüdisch-christlichen Gedanken der Vanitas: der Vergänglichkeit alles Irdischen, ohne dass der Mensch in Gottes Plan eingreifen könnte.

Ausschnitt aus einem Jagdstillleben von François Desportes: ein mit einem Seil am oberen Rand einer Nische befestigtes, herabhängendes Rebhuhn. Detaillierte Wiedergabe des Gefieders.

Fehlerhafte Wiedergabe?

Die matt schimmernde Oberfläche der Pflaumen fängt einige Glanzlichter einer Lichtquelle von links vorne, die auch das Rebhuhn erfasst. In der Nische ist daher korrekterweise sein Schatten zu sehen. Interessant ist jedoch, dass Desportes den Schatten des Fußes und des dünnen Seils nicht wiedergibt, nicht einmal ansatzweise. Warum lässt ein Künstler dieses Detail weg – ein so sorgfältiger Maler wie Desportes, der Wert legt auf die genaue Wiedergabe der Natur, von der Gewichtsverteilung eines hängenden Vogels über anatomische Details der Vögel bis hin zu den Farbtönen des selten sichtbaren Untergefieders?

Ausschnitt des Augenbetrüger-Stilllebens von Samuel van Hoogstraten mit vielerlei persönlicher Gegenstände.

Täuschend echt!

Hier lohnt sich ein Blick auf das Nachbargemälde rechts. Handelt es sich bei dem gerahmten Brett mit den eingesteckten Dingen um ein wirkliches Objekt? Oder hängt es nur als gemaltes Abbild an der Wand? Es ist ein sogenanntes „Augenbetrüger“-Stillleben von Samuel van Hoogstraten, das frappierend echt wirkende Gegenstände vereint. Solche Darstellungen waren ab 1650 in den Niederlanden sehr beliebt. Das Spiel mit der Wahrnehmung fasziniert seit damals die Betrachtenden. Und so lässt sich auch der fehlende Schatten in Desportes Tierstillleben als kleine bewusst gesetzte Störung der Illusion, des Perfekten, als Hinweis auf das Gemaltsein verstehen – was letztlich wieder die große Kunstfertigkeit des Malers unter Beweis stellt.

Spiel mit der Wirklichkeit

Die Errungenschaft fotografischer Verfahren im 19. Jahrhundert, von der frühe Beispiele gegenüber dieser Wand eindrücklich zeugen, veränderte das alte Spiel von Kunst und Wirklichkeit, von Wahrnehmung und Wiedergabe des Sichtbaren. Sie schärfte den Blick und das Bewusstsein für eine künstlerische Erfassung der Welt über die möglichst realitätsnahe Abbildung hinaus.

Collage von Juan Gris: Collage aus aufgeklebtem Papier und bemalten Flächen in Brauntönen und schwarz sowie gezeichneten Partien. Umrisse u. a. von Trauben und einer Pfeife.

Vertrautes wiederfinden, Fehlendes ergänzen

Und dennoch beeinflusste die Hochphase der Stillleben-Malerei auch noch im 20. Jahrhundert viele Künstler, zum Beispiel den Kubisten Juan Gris. Sein Stillleben mit Trauben von 1914 hängt links von Desportes Rebhuhn. Auf einem Tisch sind einfachste Gegenstände – eine Pfeife, eine Flasche, ein Glas, eine Karaffe und ein Päckchen Tabak – zu sehen. Gris spielt in seiner Collage mit dem Blick der Betrachtenden, der an vertrauten Details haften bleibt und fehlende Qualitäten ergänzt. Ein Netz von weißen Flecken lässt sich als Glanzpunkte auf den nur in Umrissen gezeichneten Weinbeeren lesen. Hier verweist Gris augenzwinkernd auf die große niederländische Augentäuscher-Malerei des 17. Jahrhunderts.

Touren zu diesem Werk

Foto in der Ausstellung KunsthalleKarlsruhe@ZKM. Schaffners Gemälde, auf dem Schaffners Gemälde Petrus und Paulus mit dem Heiligen Schweißtuch zu sehen sind, hängt auf einem Vorhang.

Von Mitteln und Mittlern


Die Tour "Von Mitteln und MIttlern" der Ausstellung KunsthalleKarlsruhe@ZKM geht der Mediengeschichte ausgewählter Werke auf den Grund.
kurzweilig
ca. 25 min
zur Tour

Daten und Fakten

Titel Jagdstillleben mit Rebhuhn vor Steinnische
Künstler*in François Desportes (1661)
Entstehungszeit um bzw. nach 1703
Inventarnummer Lg 117
Maße Bildträger H 69.4cm B 57.5cm
Maße Rahmen H 84.7cm B 73.5cm T 8.3cm
Material Leinwand
Technik Ölfarbe
Genre Stillleben
Gattung Gemälde
Abteilung Alte Malerei (vor 1800)
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