Archistories (17/28) Palazzo della civiltà italiana Details der Station
Günther Förg - Palazzo della civiltà italiana

Palazzo della civiltà italiana

Günther Förg

Jahr:
1995
Ort:
Orangerie

Beschreibung

Günther Förgs Aufnahmen von Bauten des italienischen Faschismus entstanden in den 1980er-Jahren im Kontext einer fotografischen Recherche zur Architektur des beginnenden 20. Jahrhunderts und wurden 1995 unter anderem in der Griffelkunst ediert. Förg befasste sich in jenen Jahren mit der Architektur der Moderne – buchstäblich mit ihren Licht- und Schattenseiten. Der Palazzo della Civiltà Italiana (Palast der italienischen Zivilisation) in Rom gilt als Inbegriff faschistischen Bauens in Italien. Er sollte das Herzstück für die 1942 geplante Weltausstellung darstellen. Bis heute prangen Zitate aus einer Rede Benito Mussolinis vom 2. Oktober 1935 an der Fassade des Gebäudes, das mittlerweile Firmensitz einer großen italienischen Modemarke ist.

Die teils körnigen, teils dunkel verschatteten, ja düsteren Aufnahmen umgeben die Gebäude mitunter mit einer Aura des Unheimlichen – die entfernt an Atmosphären in Werken Giorgio de Chiricos erinnert. Förgs Perspektive auf die Bauten ist bewusst subjektiv und ausschnitthaft gewählt. Die Fotografien betonen häufig die monumentale Rigidität der Entwürfe oder auch Strategien der Überwältigung. Viele dieser Gebäude zeugen von den Ideen des Rationalismus, des Internationalen Stils, aber eben auch von der politischen Instrumentalisierung von Architektur und Stadtplanung für propagandistische Zwecke.

Italienischer Rationalismus in Schwarz-Weiß

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Die Schwawrz-Weiß-Fotografie zeigt ein spiralförmig nach oben strebende Fahrbahn für Autos. Allerdings ist aufgrund der Lichtverhältnisse wenig zu erkennen.

In den 1980er Jahren begann Günther Förg mit seiner fotografischen Recherche zur Architektur der Moderne. Auf seinen Reisen fotografierte er in verschiedenen Ländern Gebäude von Architekten, die sich Ideen einer funktionalistischen, geradlinigen Bauweise geöffnet hatten.

Aus der Auseinandersetzung mit dieser Architektur ging auch eine Reihe von Bildern von Bauwerken des italienischen Rationalismus und Faschismus hervor: Ansichten des Palazzo dei Congressi, der Villa Malaparte auf Capri, der Colonia Marina di Chiavari, des Lingotto, einer Innenansicht des Fiat-Werks in Turin, des Palazzo della civiltà italiana und der Casa del Fascio in Como, die in der Ausstellung in wechselnder Hängung zu sehen sind.

Von einem modernen Gebäude ist die Frontseite angeschnitten zu sehen. Das Gebäude ist aus Beton und hat eine Treppe und vorgelagerte Säulen.

Eine ganz besondere Atmosphäre

Menschenleer, düster, kontrastreich, teils körnig – oft dunkel verschattet und immer aus einer bewusst subjektiven Perspektive aufgenommen. Die Gebäude erscheinen nicht glorifiziert, sondern als Zeugen einer dunklen Vergangenheit. Sie regen dazu an, über die Ästhetik und die ursprünglichen Funktionen dieser Bauten nachzudenken.

Die Schwarzweißfotografie zeigt den langen Vorplatz des Palazzo della Civiltà Italiana. Auf der linken Seite ist seine Fassade zu sehen. Am Ende des Vorplatzes steht eine Statue.

»una casa come me: triste, dura, severa«

Der römische Palazzo della civiltà italiana, der »Palast der italienischen Zivilisation« gilt zum Beispiel als Inbegriff faschistischen Bauens in Italien. Er wurde zur Weltausstellung 1942 entworfen, die den Faschisten Gelegenheit bieten sollte, das 20-jährige Jubiläum der faschistischen Machtergreifung zu feiern. Die Weltausstellung fand nicht statt, denn mittlerweile wurde in Europa der Zweite Weltkrieg ausgetragen.

Die zahlreichen Rundbögen geben dem Gebäude den Namen »Quadratisches Kolosseum« und verweisen auf die einstige Größe des römischen Reichs und seine kulturprägenden architektonischen Leistungen. Bis heute ist ein Zitat von Benito Mussolini an der Fassade des Gebäudes zu lesen, das mittlerweile den Hauptsitz einer großen italienischen Mode-Marke gemietet wurde.

Die breite Treppe, die fast das ganze Bild einnimmt, führt auf der Dachterrasse der Villa Malaparte. Auf der linken Seite stehen Bäume.

Die Villa Malaparte – ein anderes Werk dieser Serie – wurde für den Schriftsteller Curzio Malaparte gebaut, der von einem Haus träumte, das so »traurig, hart und streng« sein sollte wie er selbst .

Ein Hochaus ist in von unten nach oben fotografiert. Es sieht gigantisch aus und ragt in den fast wolkenlosen Himmel. Wir sehen eine Seite des Gebäudes mit wenigen Fenstern.

Politische Dimension der Architektur

Förg hob mit dieser Bildserie in den 1990er Jahren vergleichsweise früh und hellsichtig die Schattenseiten einer von Faschismus und Totalitarismus vereinnahmten Moderne ins Bewusstsein und verwies auf die Notwendigkeit einer Reflexion über die Bauten dieser Zeit. Deren Geschichte wird in Italien bis heute kaum problematisiert oder bewusst verdrängt. Angesichts des Erstarkens rechtspopulistisch-konservativer Bewegungen sind diese Fotografien auch gut 30 Jahre später höchst aktuell.

Touren zu diesem Werk

Visualisation d'un complexe immobilier futuriste entouré de rochers recouverts de végétation et d'étendues d'eau, au milieu d'un écrin de verdure.

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kurzweilig
ca. 80 min
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Visualisation of a futuristic building complex surrounded by overgrown rocks and water in the middle of greenery.

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kurzweilig
ca. 80 min
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Visualisierung eines futuristischen Gebäudekomplexes umgeben von bewachsenen Felsen und Gewässer

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kurzweilig
ca. 80 min
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Daten und Fakten

Titel Palazzo della civiltà italiana
Künstler*in Günther Förg
Entstehungszeit 1995
Inventarnummer 1997-71
Maße Darstellung H 55,5 cm  B 38,6 cm  
Material Papier
Technik Fotografie
Gattung Fotografie
Abteilung Kupferstichkabinett
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