
Blick über den Genfer See bei Montreux
Die Verheißung der Berge
Fototapete oder real?
Manchmal führen uns Reisen an Orte, von denen man gar nicht glauben kann, dass sie wirklich so aussehen. Plötzlich ist da dieses surreale Gefühl, vor einer Fototapete zu stehen – als wäre alles gar nicht real.
Am häufigsten hatte ich dieses Gefühl in den Bergen. Gustave Doré, der hauptsächlich als Illustrator arbeitete, zeigt in diesem zarten Aquarell den Blick auf den Genfer See mit dem hoch aufragenden Alpenpanorama im Hintergrund.
Magische Momente allein in den Bergen
Bei dem Motiv denke ich jedoch nicht an den Genfer See, sondern an meine Solo-Reise durch den Westen von Kanada: Die felsigen Bergkämme, an deren Flanken kleine Gletscher kleben, dazwischen ein Meer aus schlanken, kerzengeraden Nadelbäumen und Seen wie Spiegel von tiefstem Blau bis milchigem Türkis. In dieser Berglandschaft der Kanadischen Rocky Mountains habe ich mich gefühlt wie in eine Postkarte gebeamt, mein Herz ständig kurz vor dem Überlaufen.
Nirgends ist das Gefühl von „Ursprünglichkeit“ der Natur so stark wie in den Bergen. Nirgendwo anders kann man sich auf einen Schlag so klein und zugleich so geflasht fühlen. Berge sind eine Verheißung.
Meine Sehnsucht nach den Bergen kommt vermutlich von dem Wunsch nach Wildnis und Abenteuer. Beides finde ich meist dort, wo die Zivilisation möglichst fern und abwesend ist – wie in Gustave Dorés Bild – und die Natur übergroß und erhaben erscheint. Einerseits fühlen wir uns magisch von ihr angezogen, andererseits haben wir diese diffuse Angst vor der Natur, weil wir verlernt haben, in ihr zu sein.
Die Wildnis in unseren Köpfen
Als ich allein auf dem Pacific Crest Trail durch die Berge im Westen der USA wanderte, suchte ich Wildnis – und fand sie nicht nur da draußen, sondern auch in mir selbst. Indem ich 24 Stunden draußen war und mich maximal eine dünne Zeltplane von meiner Umgebung trennte, lernte ich, Ängste loszulassen und mich wieder ein bisschen mehr als Teil der Natur zu fühlen. Als Teil eines größeren Ganzen.
Auch deshalb sind Naturerlebnisse auf Reisen für uns so faszinierend – und heilsam. Ähnlich wie Abenteuer sind Natur und Wildnis etwas, das wir im Draußen suchen, das aber in Wirklichkeit in unseren Köpfen passiert. Wenn wir uns darauf einlassen, werden wir es vielleicht (wieder)finden: ein kleines Stückchen Wildnis in uns selbst.
Touren zu diesem Werk

Kunsthalle x black dots white spots
Daten und Fakten
Titel | Blick über den Genfer See bei Montreux |
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Künstler*in | Gustave Doré |
Entstehungszeit | 1876 |
Inventarnummer | 1977-41 |
Maße Blatt | H 27,4 cm |
Maße | B 18,4 cm |
Material | Zeichenkarton aufgezogen |
Technik | Aquarell Feder in Braun |
Gattung | Zeichnung |
Abteilung | Kupferstichkabinett |
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1983: Die französischen Zeichnungen 1570 - 1930
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Kritischer und erläuternder Katalog -
1978: Erwerbungsbericht 1977 der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Kupferstichkabinett