
Olbio II
Beschreibung
Der Mitbegründer und Hauptvertreter der Op-Art Victor Vasarely verbindet die Kunst der Moderne mit der Nachkriegsmoderne. Seine Arbeiten bewegten sich zunächst im Bereich des Figürlichen, etwa während seiner Tätigkeit als Werbegrafiker in Paris, wo ihn zwischen 1930 und 1940 augentäuschende Darstellungstechniken in der Tradition des Trompe-l’Œil faszinierten. Daneben aber setzte er sich mit dem Bauhaus, dem Suprematismus und der geometrischen Abstraktion auseinander. So wurden die Erkundung der Wahrnehmung, die Geometrie und die Reduktion der Formen schließlich zu den Leitprinzipien seiner Kunst: »Durch die Loslösung vom Figurativen haben wir das Anekdotische ausgeschaltet: Die reine Plastizität bricht mit dem Literarischen. Eine Annäherung an die mathematischen Wissenschaften zeichnet sich ab. […] Eine parallele Erscheinung zur Musik.«
Olbio II zählt zu einer 1949 beginnenden Werkphase, die Vasarely nach dem provenzalischen Bergdorf Gordes »Gordes-Cristal« benannt hat. Der Ort mit seinen verschachtelten Gebäuden und Straßenzügen bot an sich bereits enorme Licht- und Schattenspiele. Zudem machte Vasarely hier eine eindringliche optische Erfahrung bei der Betrachtung einer rechteckigen Fensteröffnung in einer für die südfranzösische Architektur typischen dicken Steinmauer. Beim Blick nach draußen schien die vom Sonnenlicht erhellte Öffnung dem Künstler als ein Kubus aus der dunklen Wandfläche entgegenzutreten. Diese Wahrnehmungstäuschung beeinflusst auch Olbio II , das die Umkehrbarkeit von Flächenformen und des damit verbundenen räumlichen Sehens thematisiert. Das Gemälde aktiviert den Blick der Betrachtenden, die sich nicht auf einem statischen Motiv ausruhen können, sondern permanent aus der Vielzahl visueller Eindrücke einen auswählen, der fokussiert werden soll. Die Bildelemente sind jedoch ebenbürtig, das Auge findet daher keinen Halt.
Kunsthalle x Markus Brock
0:00
0:00
Meister der Illusion
Wenn Sie wie ich Baby-Boomer sind, dann erinnern Sie sich vielleicht auch an eines seiner Bilder in den Kunstmappen, die wir damals in der Schule hatten. Ich habe mir meines sogar ins Zimmer gehängt. So cool und modern fand ich Victor Vasarely mit seiner Kunst. Der Ungar hatte erst mal in Budapest Medizin studiert, dann aber abgebrochen. 1929 ging er ans ungarische Bauhaus, wo er seine ersten geometrischen Arbeiten schuf.
Mit 24, 1930, ist er mit seiner Frau nach Paris gezogen und arbeitete dort zehn Jahre bei Werbeagenturen. Als Maler hat er sich schon früh auf konstruktiv geometrische, abstrakte Motive konzentriert. Was nicht nur in der Kunst funktionierte: in den 1970er Jahren hat er u. a. das Logo für Renault entwickelt, das bis heute kaum verändert wurde – und auch als Werk der Optischen Kunst gelten könnte. Vasarely war ein Mitbegründer dieser Op Art.
Ein Kunstwerk, das der Natur gleicht, ist unnütz. Kunst ist artifiziell und keineswegs nützlich.
Victor Vasarely
Farbexperimente
Seine optischen Illusionen haben weltweit fasziniert, ausgehend von den Farbexperimenten des Bauhauses – wie auf Vaar, dem Bild, das bei mir hing. Bis in die 60er Jahre hatte es Vasarely allerdings gar nicht mit Farben. So wie bei Olbio II aus den Jahren 1949-53, das wir hier sehen. Keine visuellen Illusionen, dafür geometrische Formen aus schwarzen, dunkelbraunen, grauen und beigefarbenen Elementen, die sich zu einem abstrakten Bild zusammenfügen. 90-Grad-Winkel und spitz zulaufende Formen in einer reduzierten Bildsprache. Wie ein dekonstruiertes Viereck wirkt das. Ein Zwischenstadium seiner Kunst, emanzipiert vom Bauhaus, aber noch nicht der Meister der bunten Illusion.
"Demokratisierung" der Kunst
Dass wir damals seine Werke als Poster aufgehängt haben, war ganz in Vasarelys Sinn: er setzte sich schon früh für die „Demokratisierung“ der Kunst ein: standardisierte Bildkompositionen und Reproduktionen statt einem einzigen Original sollten Kunst für alle bezahlbar machen, was damals eine Debatte um Original und Kopie auslöste. Auch eine Reaktion auf die industrielle Massenproduktion, die Handgemachtes immer mehr verdrängt hat.
Victor Vasarely war dennoch einzigartig mit seiner Kunst und wurde weltweit geehrt, auch für seine Farbfassaden und Skulpturen im öffentlichen Raum, die die triste Architektur seiner Zeit wenigstens etwas erträglicher machten. Er starb 1996 mit 90 Jahren in Paris.
Touren zu diesem Werk

Kunsthalle x Markus Brock
Daten und Fakten
Titel | Olbio II |
---|---|
Künstler*in | Victor Vasarely |
Entstehungszeit | 1949-53 |
Inventarnummer | 2831 |
Maße Bildträger | H 170,0 cm B 160,5 cm |
Maße Rahmen | H 175,2 cm B 165,0 cm T 5,5 cm |
Material | Leinwand |
Technik | Ölfarbe |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
Doppelte Jahresangaben sind im Œuvre Vasarelys keine Seltenheit. Das frühere Datum bezeichnet den Zeitpunkt einer Idee oder eines Bildkonzepts, das spätere den Zeitpunkt der Ausführung. Für Vasarely waren beide Aspekte eines Werks gleichermaßen wichtig.
-
Victor Vasarely
Kestner-Gesellschaft 1963-1964
-
Victor Vasarely. Werke von 1935 bis 1963
Kunsthalle Bern 1964, Nr. 18
-
Victor Vasarely. Die 50er Jahre
Galerie Lahumière, Paris 1988, S. 61
-
Victor Vasarely - Im Labyrinth der Moderne
Städel, Frankfurt 26.09.2018 - 13.1.2019
-
Kunsthalle@ZKM. Ein neuer Blick auf die Sammlung
Highlight-Präsentation ZKM ab 29.04.2023
-
1991: Neuerwerbung
o. A.
-
1991: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Staatliche Kunstsammlungen in Baden-Württemberg (Hg.)
Neuerwerbungen 1990 -
1991: Gazette des Beaux-Arts 133
o. A.
-
1993: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Holsten, Siegmar
Die Sammlung der Moderne -
1995: Neuerwerbungen für die Gemäldegalerie 1984-1994
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.)
-
2018: Vasarely - im Labyrinth der Moderne
Vasarely, Victor; Baumann, Jana; Engler, Martin