Die Okeanide
Kunsthalle x Markus Brock
0:00
0:00
Vergessener Kubist
Welche Künstler fallen Ihnen zum Kubismus ein? Pablo Picasso sicher als Erster. Dann Georges Braque und vielleicht noch Juan Gris. Henri Laurens? Eher nicht. Doch er war nicht nur mit den großen Kubisten befreundet, er war auch einer der kubistischen Bildhauer und hat die wohl revolutionärste Neuerung in der Kunst des 20. Jahrhunderts auf seine ganz eigene Art weiterentwickelt. Als Kind hatte der 1885 geborene Sohn eines Pariser Küfers zugeschaut, wie Künstler Skulpturen gestaltet haben. Ab da wollte er selbst Bildhauer werden.
Und tatsächlich lernte er Steinbildhauerei und Zeichnen. Rodin war sein erstes großes Vorbild, dann studierte er klassische und romanische Skulpturen. Als er 1902, mit 17, ins damals noch ärmliche Montmartre-Viertel gezogen ist, bekam er Kontakt zur dort versammelten Avantgarde. George Braque wurde ein Freund fürs Leben, auch mit Juan Gris und Amedeo Modigliani war er gut befreundet.
Ich möchte erreichen, sie so voll und prall zu machen, dass ihnen nichts mehr hinzugefügt werden kann.
Henri Laurens
Organische Formen
Mit 24 musste ihm wegen einer Knochentuberkulose das linke Bein abgenommen werden. Ein großes Handicap, gerade auch für einen Bildhauer. Aber dass er sich darüber beklagt hätte, ist nicht überliefert. Und resigniert hat er schon gar nicht, das beweist sein großes Werk. Als der Kubismus mit dem Ersten Weltkrieg zu Ende ging, wurde Laurens Formensprache organischer. Ab den 1930er Jahren hat er sich dann verstärkt mit dem menschlichen Körper beschäftigt, Körperhaltungen und -formen erforscht und konstruiert, immer mit dem Ziel, an der Lebenswahrheit zu bleiben.
Ich strebe die Reife der Formen an.
Henri Laurens
400 Kilo reine Kunst
Was die Die Okeanide auch zeigt, vor der wir jetzt stehen. Sie gilt als eines seiner bedeutendsten Werke. Entstanden ist die 400 Kilo schwere Bronzeplastik 1932/33. Damals ist er jeden Morgen in den Wald gegangen und hat Bäume studiert – und seine Empfindungen dann auf seine Arbeiten übertragen: die Glieder der Skulpturen wie Zweige verknotet und die Oberflächen wie Rinde gestaltet.
Der Körper der Frau ist ja auch nicht anatomisch korrekt, ihre Gliedmaßen gehen vom Dünnen ins Kräftige über. Ihre Brüste ragen spitz nach oben. Hände und Füße sind nur grob angedeutet, ein Gesicht können wir nicht erkennen. Wenn Sie ganz um die Plastik herumgehen, sehen Sie: Die organischen Formen entfalten sich in vollkommener Abstraktion, und doch erkennen wir das Motiv. Okeaniden waren in den griechischen Sagen die Töchter des Meeresgottes Okeanos. Das mythologische Motiv war ihm aber nicht so wichtig. Zum ersten Mal das Meer gesehen hat Laurens übrigens erst vier Jahre nach der Okeanide.
Wenn ich eine Skulptur beginne, habe ich nur eine vage Vorstellung, was ich machen will. [...] Ich habe zum Beispiel die Vorstellung von einer Frau oder von irgendetwas in Beziehung zum Meer. Den Titel gebe ich zum Schluss.
Henri Laurens
Weitere digitale Angebote zur „Okeanide“ von Henri Laurens
Das Werk im Podcast Kunstsnack
In diesem Kunstsnack geht es um Henri Laurens – ein Hidden Champion unter den Künstler*innen. Wie seine Plastik Die Okeanide beeinflusst wurde, welche Rolle das Meer und der Wald dabei spielen und was es mit Pablo Picasso, Mathe-Unterricht und einem Meeresgott zu tun hat, erfahrt Ihr in dieser Folge.
Touren zu diesem Werk
Kunsthalle x Markus Brock
Daten und Fakten
Titel | Die Okeanide |
---|---|
Künstler*in | Henri Laurens |
Entstehungszeit | 1932/33 |
Inventarnummer | P 149 |
Maße | G 400,0 kg |
Maße Plastik | H 214,0 cm B 107,3 cm T 111,8 cm |
Material | Bronze |
Gattung | Plastik |
Abteilung | Plastik |
-
Kunsthalle@ZKM. Ein neuer Blick auf die Sammlung
Highlight-Präsentation ZKM ab 29.04.2023
-
Documenta 3
1964, Bd. 1 S. 250 Nr. 2 mit Abb.
-
Unsere Moderne
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 29.04.-03.10.11
-
Von Rodin bis Giacometti. Plastik der Moderne
SKK 28.11.2009-28.2.2010, Nr. 62
-
1994: Katalog der Skulpturen
Hrsg.: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Bearb.: Eichler, Anja; Holsten, Siegmar
-
: Die Kunst des 20. Jahrhunderts 1880-1940
Argan, Giulio Carlo
Propyläen Kunstgeschichte Band 12 -
2012: Léger Laurens - Tête-à-tête
Stiftung Frieder Burda [Hrsg.]; Prat, Jean-Louis [Hrsg.];
[... erscheint anläßlich der Ausstellung Léger Laurens. Tête-à-Tête, Museum Frieder Burda, Baden-Baden, 23. Juni - 4. November 2012] -
2009: Von Rodin bis Giacometti
Holsten, Siegmar
Plastik der Moderne