Die Passionswoche

Über die Bedeutung der Kar- und Ostertage

Ein Beitrag von Prof. Dr. Harald Schwillus, Halle (Saale)

Für Christinnen und Christen aller Kirchen ist Ostern das höchste Glaubensfest: Tod und Auferstehung Jesu Christi ist sein Thema. Die Vorbereitungszeit auf dieses Ereignis ist daher auch sehr lang: Sie beginnt am Aschermittwoch mit der Fastenzeit und hat ihren Höhepunkt in der letzten Woche vor Ostern, der Karwoche. In dieser Woche sind dann die Tage von Gründonnerstag bis Ostersonntag von besonderer Bedeutung. Sie stehen in Verbindung mit dem jüdischen Pessah-Fest, zu dessen Feier Jesus nach Jerusalem gekommen war.

Gründonnerstag

Der Gründonnerstag erinnert an das Letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern in Jerusalem gefeiert hat. Dabei wusch er seinen Jüngern die Füße und begründete durch den Segen über Brot und Wein die Feier des Heiligen Abendmahls – in der katholischen Kirche als Eucharistie (Danksagung) bezeichnet. In etlichen Kirchen waschen daher noch heute Bischöfe, Äbte oder Priester einigen Gläubigen im Gründonnerstagsgottesdienst die Füße.

Der Name Gründonnerstag kommt vom mittelhochdeutschen „gronan“ (weinen, greinen) und erinnert an die Büßer, die Weinenden, die an diesem Tag wieder in die Kirche aufgenommen wurden.

Karfreitag

Jesus starb an einem Freitag um 15 Uhr am Kreuz in Jerusalem. Diese Hinrichtungsart war eine der grausamsten der Alten Welt, die der Sohn Gottes nach christlicher Glaubensüberzeugung für die Erlösung der Menschen auf sich nahm. Für evangelische Christinnen und Christen ist der Karfreitag der höchste Feiertag, an dem ein festlicher Gottesdienst zur Erinnerung an diese Heilstat gefeiert wird. In der katholischen Kirche findet ein sehr schlichter Gottesdienst ohne Orgel und Glockengeläut statt – in der Regel um 15 Uhr, der Sterbezeit Jesu Christi.

Das Wort Karfreitag stammt von althochdeutsch „kara“ (Wehklage, Trauer).

Ostersonntag

Die Kirchen feiern am Morgen des Ostersonntags, nach der Erinnerung an den Tod Jesu am Karfreitag und seine Ruhe im Grab am Karsamstag, seine Auferstehung: die christliche Hoffnung auf die Überwindung von Leid und Tod stehen dabei im Mittelpunkt des festlichen Gottesdienstes. Vor allem in der katholischen Kirche wird in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag ein besonders feierlicher Gottesdienst begangen. Er ist der Hauptgottesdienst des Jahres und der traditionelle Termin für die Taufe.

Die meisten Sprachen verweisen mit der Bezeichnung für Ostern auf das jüdische Pessah-Fest (so etwa das französische „Pâques“ oder das italienische „Pasqua“ oder das niederländische „Pasen“). Die Herkunft des deutschen „Ostern“ ist umstritten, könnte sich aber auf das altgermanische Wort „Austrō“ (Morgenröte) beziehen.

Bernhard Strigels Fußwaschung Christi

Painting by Bernhard Strigel showing Christ washing his feet. Jesus kneels before another man and washes his feet.

Ein Beitrag von Eckhart Marggraf, Karlsruhe

Zwei Vorgänge hat der Maler Bernhard Strigel (1460-1528) in einem Altarbild zusammengefasst und damit die singuläre Erzählung des Johannesevangeliums (Kapitel 13) vom letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern und der Fußwaschung auf den Punkt gebracht: Das am Passafest gefeierte Abendmahl ist der Abschied von seinen Jüngern.

Jesus verlässt zwar unsere Lebenswelt aber er geht zum Vater in eine andere Wirklichkeit hinüber, die gleichzeitig zu unserer Lebenswelt ist. Die Kreuzigung wird als Vergöttlichung gedeutet. In diesem Augenblick gibt Jesus ein sichtbares Zeichen für seine Gegenwart, auch wenn er nicht leibhaftig in dieser Welt ist. Wenn er ihnen jetzt die Füße wäscht, macht er spürbar und erfahrbar, was Gott mit den Menschen vorhat. Dieses Zeichen des hingebungsvollen Liebesdienstes verweist auf die liebevolle Zuwendung Gottes zum Menschen. In dieser Szene ist der wesentliche Inhalt des christlichen Glaubens dargestellt.

Der Maler hat die Auseinandersetzung zwischen Jesus und Petrus, der sich zunächst die Füße nicht waschen lassen will, in den Vordergrund gestellt. Im Hintergrund des Bildes erzählt der Maler von der heftigen Diskussion unter den übrigen elf Jüngern darüber, wer unter ihnen denn der Verräter wäre, von dem Jesus gesprochen hatte. Der bibelkundige Bildbetrachter hat ihn längst entdeckt: Links sitzt im gelben Gewand in der Farbe des Verrats und mit dem Geldbeutel umgetan Judas Iskariot.

Die Kreuzigungsszene des Meisters des Staufener Altars

Painting by the Master of the Staufen Altarpiece showing the crucifixion scene. The crucified Jesus is flanked on the right and left by two women.

PD Dr. Wolfgang Vögele, Karlsruhe

Diese Tafel eines unbekannten Meisters aus dem frühen 15. Jahrhundert konzentriert das Geschehen der Kreuzigung auf drei Personen. Am T-förmigen Kreuz hängt mit langen Armen und angewinkelten Beinen der bereits verstorbene Christus, dessen Haupt zur Seite fällt. Links steht seine Mutter Maria, die Hände zum Gebet gefaltet, den Blick auf den leblosen Körper gerichtet. Zur Rechten steht barfuß der Lieblingsjünger Johannes. Die rechte Hand hält er sich vor das Gesicht, als ob er den Tod Jesu nicht begreifen könne. Hinter den Köpfen von Maria und Johannes schwebt je ein vergoldeter Heiligenschein. Jesu Heiligenschein ist kreuzförmig und besteht aus einem Bündel dünner Strahlen. Der Hintergrund des Bildes ist in tiefem, dunklem Blau gehalten; auf ihm glänzen einfach stilisierte goldene Sterne.

Ich lese daraus, dass klare, dunkle Nacht herrschte. Was geschehen ist an Karfreitag, ist mehr als die Hinrichtung eines jüdischen Predigers, der den herrschenden Römern aufgefallen war und störte. Das Geschehen wird in seiner kosmischen Dimension verdeutlicht. Die Kirchen haben die theologische Bedeutung der Kreuzigung herausgestellt, indem sie die Gottesdienste am Karfreitag besonders gestalteten: Glocken läuteten nicht. Altar- und Heiligenbilder wurden, wenn möglich, geschlossen oder verhängt. Die Altäre wurden abgeräumt. Nicht alle liturgischen Konventionen haben sich bis heute gehalten. Entscheidend blieb trotzdem: An diesem Tag sollte nichts von der Kreuzigung ablenken. 

Tobias Licht (Karlsruhe) über den Flügelaltar Pieter Coecke van Aelsts

Flügelaltar von Pieter Coecke van Aelst, der die Auferstehung Christi zeigt.

Christus ist erstanden!
Von des Todes Banden
schwebt er frei,
und auf sein Grab
schaut er mit Triumph herab.

Es ist ziemlich genau diese Vorstellung des Auferstandenen – hier in einem Kirchenlied von 1812 (Gotteslob [Freiburg], Nr. 798, Str. 1) –, die auch Pieter Coecke van Aelst in seinem Osterbild gemalt hat: Der auferstandene Jesus in strahlend heller Gloriole, von Engeln umgeben, schwebt siegreich über dem leeren Grab. In dem viel dunkleren Bereich darunter sind die Wächter des Grabes, das an das Grab Jesu in der Grabeskirche in Jerusalem erinnert, in Aufruhr und Schrecken (vgl. Mt 28, 4). Dazwischen im Rückblick die Kreuzigung und die Frauen auf dem Weg zum Grab. Die beiden äußeren Tafeln des Triptychons, das vermutlich als Hausaltar gedient hat, rahmen das zentrale Geschehen mit alttestamentlichen Szenen ein, die in der Tradition als Vorausdeutungen von Osten gedeutet wurden: den drei jungen Männern im Feuerofen (Dan 3). Und dem Propheten Jona, der nach drei Tagen und drei Nächten dem Maul des großen Fisches entsteigt (Jona 2).

Kunstvoll verbindet der Maler die drei Tafeln mit einer durchlaufenden, nach rechts schräg abfallenden Anordnung. Aber auch durch die beiden strahlenden Lichtpunkte der äußeren Tafeln, die die Gloriole des Auferstandenen aufnehmen – links oben bei der Rettung der drei jungen Männer, rechts oben in der Darstellung Gottes selbst, der mit gewaltiger Geste das Geschehen regiert: Das strahlende Licht des Auferstandenen ist das Zeichen der Sphäre Gottes.

Trotz der zahlreichen biblischen Bezüge – gerade Coeckes Darstellung der Auferstehung ist nicht biblisch. Denn in diskreter Zurückhaltung verweigern die neutestamentlichen Schriften jede Beschreibung der Auferstehung selbst. Schwierig auch der scharfe Kontrast zwischen Hell und Dunkel, der den Auferstandenen schon fast ganz aus dem Halbschatten irdischer Realität ins Unwirkliche entrückt. Aber auch Coeckes Auferstandener trägt die verklärten Wunden. Und vielleicht gehören solche Schwierigkeiten zu dem Umgang mit diesem größten aller Wunder: Daß, gegen alle Erfahrung, der Not jedes Tages, dem Vergehen, dem Sterben, allem Versäumten und aller Schuld zum Trotz, am Ende, von Gott verbürgt, ein anderes, neues, gutes, ewiges Leben steht, auf das alle hoffen dürfen.

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