Pimp my Rhino: Rhinocerus von Albrecht Dürer | #50

Pimp my Rhino

Herzlich Willkommen zur 50. Folge von Kunstsnack! (Eingespieltes Partygeräusch) Mein Partyhütchen auf dem Kopf müsst Ihr Euch bitte vorstellen. Ich freue mich wirklich, wirklich doll auf diese Folge, denn zu diesem Jubiläum haben wir uns ein absolutes Meisterwerk ausgesucht: Das Rhinozeros von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1515. Dieses Werk hat so eine völlig absurde Geschichte. Das ist der Wahnsinn. Dieses Kunstwerk ist die wohl bekannteste Darstellung eines Nashorns. Dabei sieht das gar nicht aus wie ein klassisches Nashorn. Wie kann das sein? Wir gehen diesem Werk aus der Sammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mal heute so richtig auf den Grund. Viel Spaß!

Intro

Es ist jetzt das 50. Mal, dass ich euch darauf hinweise und ich kann es weiterhin nur empfehlen: Schaut in die Shownotes von diesem Podcast. Da findet Ihr einen Link zur Abbildung vom Rhinozeros. Ansonsten kommt hier jetzt die Beschreibung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Dürers Rhinozeros ist… sagen wir mal… ungewöhnlich. Ehrlich gesagt, sieht dieses Tier für mich aus, wie die getunte oder gepimpte Version eines Nashorns. Die Beine sehen aus wie Kettenhemden. Das sind richtig stabile Schuppen. Der Rest des Körpers ist von massiven Platten bedeckt. Hier stellt sich wirklich die Frage: Rhino oder Dino? Die Panzerplatten haben verschiedene Muster, die an Schildkröten-Panzer erinnern. Auch der Hals und Kopf sind von kleinen Platten bedeckt. Das Nashorn sieht aus, als hätte man es in eine Rüstung gesteckt – so schnell wird aus Rhino Ritter Rost. Im Nacken sieht man bei dem Rhino außerdem ein kleines Horn und auf der Nase natürlich auch.
Das Kunstwerk von Dürer zeigt hauptsächlich das Nashorn. Also dieses Tier bedeckt fast das gesamte Blatt und steht auf einem Untergrund mit Steinen und ein paar Grashalmen. Über dem Rhino ist noch ein Text, der das Tier beschreibt und ein paar Infos gibt.
Nur damit ihr euch alles korrekt vorstellen könnt: Das Nashorn ist schwarz-weiß. Denn wir haben es hier mit einem Holzschnitt zu tun. Okay, diese künstlerische Technik erkläre ich Euch schnell: Man schnitzt eine Zeichnung in eine Holzplatte. Alle Teile, die nicht gedruckt werden sollen, werden entfernt. Quasi eine 3D-Zeichnung. Dann stehen nur noch die Holzteile, die man drucken will, dann kommt Farbe auf genau die hervorstehenden Holzteile und dann kann man das Motiv auf Papier drucken. Klingt simpel, ist es auch. Aaaaaber so eine feine Zeichnung, wie Dürer die hier mit Holz gemacht hat. Das ist wirklich große Kunst!

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Hier eine interessante Info: Ganz so abgedreht, wie man denkt, ist das Dürer-Nashorn gar nicht. Meine Beschreibung eben klang ja wie aus einem Cartoon, als wäre Dürers Rhinozeros Teil der Teenage Mutant Ninja Turtles. Aber, es ist wichtig zu wissen: Dürer selbst hatte nie selbst ein Nashorn gesehen. Seine Quellen waren eine Beschreibung des Rhinos und eine Skizze eines anderen Künstlers. Und trotzdem ist Dürers Darstellung gar nicht so weit von der Realität weg. Ja, es erinnert an einen Ritter oder einen Dino. Aber auf dem Holzschnitt von Dürer handelt es sich um ein indisches Panzernashorn. Ich habe mal eins im Berliner Zoo gesehen und man muss sagen, das sieht Dürers Nashorn nicht unähnlich. Das hat nämlich große Hautfalten am Körper, die wie Schutzplatten aussehen. Da kann man sich schon vorstellen, wie durch die Beschreibung bei Dürer der Eindruck von so Panzerplatten entstanden ist. Trotzdem klar, Dürer übertreibt definitiv ein bisschen.
Ein weiteres Detail an diesem Kunstwerk ist kurios: Ich hatte eben ein kleines Horn im Nacken des Rhinos erwähnt. Das ist das sogenannte Dürerhörnlein. Diesen Begriff gibt es in der Zoologie wirklich. Ein Horn im Nacken? Völliger Quatsch! Ja, aber auch hierfür gibt es eine mögliche Erklärung. Manchmal haben Nashörner, vor allem aber Breitmaulnashörner, Verwachsungen im Nacken, die tatsächlich an ein Horn erinnern können. Also, ich fasse zusammen: Dürers Nashorn ist näher an der Wirklichkeit, als man zunächst denken würde. Trotzdem ist es keine naturgetreue Wiedergabe. Aber bis weit ins 18. Jahrhundert dachte man, dass Dürer das Rhino exakt und wirklichkeitsgetreu dargestellt hätte. In manchen Schulbüchern wurde Dürers Holzschnitt sogar noch Anfang des 20. Jahrhunderts als normale Nashorn-Darstellung vermittelt. Nashörner waren nun mal in Europa lange sehr ungewöhnlich und zu Dürers Zeit ganz besonders. Mehr dazu erzähle ich Euch jetzt.

Von wann ist das Werk? Historischer Hintergrund

Das Rhinozeros auf Dürers Holzschnitt hat eine wirklich abenteuerliche Geschichte: Dürers Nashorn ist datiert auf das Jahr 1515. In diesem Jahr kam ein Nashorn in Lissabon an. Vorher war höchstwahrscheinlich über tausend Jahre kein Nashorn in Europa. Im antiken Rom im 3. Jahrhundert hatten damalige Herrscher Nashörner, davon gibt es Darstellungen, aber danach niemand mehr. Deshalb war das Nashorn im Jahr 1515 in Lissabon eine absolute Sensation. Portugal hatte nämlich kurz vorher die Seeroute nach Indien erschlossen. Das Nashorn war ein Geschenk eines indischen Sultans für den portugiesischen König. Manche verschenken Pralinen, andere halt ein Rhino. 120 Tage war dieses Tier in einem Schiff unterwegs, von Indien nach Portugal.
Okay, es kommt dann in Lissabon an und was macht der portugiesische König mit dem Nashorn? Ja, er schickt es ernsthaft in einen Kampf mit einem Elefanten. Der Typ hat einfach Autoquartett mit Tieren gespielt, das ist so bescheuert. In der Antike gab es nämlich einen Bericht, dass Elefant und Nashorn heftige Feinde wären. Aber Überraschung: Die beiden haben nicht gekämpft, der Elefant ist einfach geflohen.
So, und dann wurde das Nashorn wieder verschifft. Der portugiesische König verschenkte das Rhino an den Papst. Man muss sich klarmachen: Dieses Nashorn war eines der bedeutendsten Statussymbole der damaligen Zeit. Das war eine krasse Kuriosität. Die portugiesische Krone wollte sich nämlich das Wohlwollen des Vatikans sichern – dabei ging es auch um Handel und Ländergrenzen in den Kolonien. Aber das Nashorn kam nie in Rom beim Papst an. Das Schiff sank bei einem Sturm an der italienischen Küste. Das Nashorn war am Schiff fest gekettet und dadurch ertrank es. Das war dann leider das tragische Ende vom legendären Rhinozeros.

Was macht das Werk so besonders?

Dürers Darstellung des Nashorns war enorm einflussreich und ist sehr, sehr berühmt geworden. Das hat auch mit Dürer selbst zu tun, denn der wusste sehr genau, wie er seine Kunst zu vermarkten hat. Dürer war ein Businessman. Er machte seine Kunst zu einer richtigen Marke und kreierte zum Beispiel ein eigenes Logo. AD – das stand für Albrecht Dürer. Und dieses AD hat Dürer auf all seine Werke drauf geklatscht. Man erkennt es sofort, es ist genau wie das Adidas Logo. Passt ja, Adidas beginnt ja auch mit AD.

Auf so einer Geschäftsebene war es auch sehr schlau von Dürer, für das Rhino einen Holzschnitt zu machen. Denn durch diese künstlerische Technik konnte man das Motiv so viel drucken, wie man wollte und das Ganze auch noch günstig verkaufen. Als Flugblatt wurde das Rhino sehr schnell verbreitet. Dürer hatte ein richtiges Vertriebsnetz für seine Grafiken. Außerdem war ein Nashorn ein ungewöhnliches Motiv, das die Leute natürlich haben wollten. Das ist ein bisschen wie mit Glitzerstickern, die sind ja auch in der Kindheit viel beliebter gewesen als normale. Man darf nicht vergessen: Damals konnten viele Menschen nicht lesen, da war ein anschauliches Nashorn natürlich super. Außerdem war das Nashorn in ganz Europa populär. Das war ja ein richtiges Ereignis. Dürer sprang hier also auch auf ein Hype-Thema auf.

Das Rhino von Dürer hat sehr viele Kunstschaffende inspiriert – es war lange der Blueprint für Nashorn-Darstellungen. Sogar Salvador Dalí hat sich von Dürer anregen lassen. Das Nashorn hat es bis in den heutigen Kunstunterricht geschafft. Es ist ein Klassiker, dass man die Muster auf den Hautplatten des Rhinos selbst weiterführen muss – eine fantasievolle Verzierung. Also ich hatte das in der Schule auf jeden Fall.
Der Holzschnitt von Dürer ist bis heute so gefragt, dass 2013 bei einer Auktion richtig Geld dafür gezahlt wurde: Nämlich 866.500 $. Auch die Kunsthalle Karlsruhe hat zwei von diesen Rhino-Blättern und das schon seit längerem. Was für ein Highlight in einer Museumssammlung! Und damit komplett angemessen als Thema für diese 50. Jubiläumsfolge. In der Kunsthalle Karlsruhe gibt es übrigens auch ein sehr spannendes Gemälde von Dürer – darum geht’s in Folge 10. Ach, hört doch einfach alle restlichen 49 Kunstsnackfolgen. Ein Jubiläum, das ist ja quasi ein Podcast-Geburtstag. Wenn Ihr uns also was schenken wollt, dann abonniert doch kostenlos diesen Podcast. Ein Abo ist das beste Geschenk. Ich freue mich auf jeden Fall tierisch auf alle weiteren Episoden von Kunstsnack, in zwei Wochen geht’s weiter, bis dann, Ciao.

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