Die Heilige Katharina bei Tinder: Die mystische Heirat der Heiligen Katharina von Lavinia Fontana

In dieser Folge geht‘s um eine Künstlerin und was für eine! Sie war mega erfolgreich, ihr Mann war ein durchaus erfolgreicher Maler und hat für sie gearbeitet und dazu hat sie noch 11 Kinder zur Welt gebracht. Die Rede ist von Lavinia Fontana. Und wo befindet sich ein Gemälde von dieser Super-Künstlerin? Natürlich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Wo denn sonst? Heute geht es um „Die mystische Heirat der Heiligen Katharina“. Das Bild entstand um 1575 – ist also etwa 450 Jahre alt. Und damit ihr mal ein Gefühl von dieser Zeit bekommmt: Damals war nicht nur Lavinia Fontana sehr beliebt, sondern auch Klappsonnenuhren. Jap, das waren tragbare Sonnenuhren. Ich finde, die sollte man wieder einführen. Aber was selbst jede Klappsonnenuhr überstrahlt ist der Fame und Glanz von Lavinia Fontana, weil ihre Kunst so großartig ist. Und genau die schauen wir uns jetzt mal näher an. Viel Spaß!

Intro

Auf dem Bild der heutigen Folge gibt es viel zu entdecken. Deshalb mein Tipp: Schaut euch das Werk mal an. In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung.

 

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Normalerweise starten wir ja immer mit der Bildbeschreibung, aber vorher gibt’s jetzt kurz Religionsunterricht. Das Bild der heutigen Folge heißt ja „Die mystische Heirat der Heiligen Katharina“. Wer war die Heilige Katharina und warum ist ihre Hochzeit „mystisch“? Das klingt ja, als hätte Katharina in einer Geisterbahn geheiratet. Also, die Heilige Katharina von Alexandrien war eine Königstochter und hatte viele Verehrer. Allerdings fand sie keinen ebenbürtigen Ehemann lehnte alle Hochzeitskandidaten rigoros ab. Wäre sie auf Tinder gewesen, sie hätte alle konsequent nach links geswipet. Dann allerdings hatte Katharina ein Gespräch mit einem einsamen Eremiten. Sie erkannte: „Uh, ich war ziemlich hochmütig.“ Und der Emerit sagt ihr, dass Jesus Christus der beste Bräutigam für sie sei. Wer will das nicht? Eine Hochzeit mit dem Heiland! Katharina wollte weg von ihrem Hochmut und heiratet dann ganz bescheiden den Sohn Gottes? Naja, kam mir grad so als Gedanke.

Auf jeden Fall ließ sich die Heilige Katharina dann taufen und heiratete in einer Vision Christus. Daher kann man diese Hochzeit durchaus als „mystisch“ bezeichnen. In der Folge legte sie sich mit dem römischen Kaiser an, weil sie das Christentum verbreiten wollte und alle möglichen Leute bekehrte. Schlussendlich wurde sie dafür vom Kaiser bestraft. Auf gezahnten Rädern sollte zu Tode gefoltert werden. Der Legende nach kamen aber Engel oder ein Unwetter und zerstörten das Rad. Also wurde die Heilige Katharina enthauptet und starb den Märtyrerinnentod. Aus ihren Wunden floss angeblich kein Blut, sondern Milch. Ein starke Story!

 

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Wir haben es hier mit einem kleinen Bild zu tun: 25,7 x 19,5 cm. Das Ganze wurde nicht auf Leinwand oder Holz gemalt, sondern auf Kupferblech. Wir sehen eine Art Waldlandschaft, ein kleines Dach, vielleicht von einem Stall, und im Hintergrund ragen ein paar Häuser auf. Insgesamt sind auf dem Bild sechs Personen dargestellt Die heilige Katharina kniet auf dem Boden. Woran erkennt man sie? Neben ihr ist ein Rad, das ist ihr Hauptattribut. Wer möchte nicht ein Folterinstrument als Erkennungsmerkmal haben? Die Heilige Katharina auf dem Bild hebt ihre Hand und ihr wird ein Ring angesteckt und zwar von Christus. Allerdings handelt es sich um den kleinen Kinder-Christus, der auf dem Schoß von Maria sitzt. Ehrlich gesagt: Es ist schon etwas eigenartig zu sehen, wie ein Kind einer Frau einen Ehering ansteckt. Man hat das Gefühl, er hätte den Ring direkt aus einem Kaugummiautomaten. Vor dieser Szene hockt noch der Johannesknabe, ebenfalls als Kind dargestellt. Josef und der Heilige Franz von Assisi halten sich im Hintergrund. Also ein echtes Promitreffen!

Insgesamt ist das Bild sehr fein und gemalt. Typisch für Lavinia Fontana ist das Malerisch-weiche. Alles wirkt, als würde man durch einen leichten Dunst schauen. So als hätte eben jemand neben einem gevaped und die Luft riecht noch nach Tropical Beach Vibes mit Passionfrucht und Wassermelone. Kennt ihr diesen Vaperauch – der ist ja immer besonders dicht! Die Hochzeit der Heiligen Katharina wurde in der Kunstgeschichte oft aufgegriffen. Ende des Mittelalters wurde es zu einem beliebten Motiv und das setzte sich dann fort. Auch im Manierismus waren solche Darstellungen weiterhin beliebt und was der Manierismus ist, erfahrt ihr jetzt.

 

Der Epochen-Check

Lavinia Fontana, von der das Bild aus Karlsruhe stammt, ist die wohl bekannteste Künstlerin des Manierismus. Diese Kunstform kam um 1520 auf und dauerte grob bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Kurz zur Erinnerung: Um 15. Jahrhunderts angefangen und dauerte bis Ende des 16. Jahrhunderts. Das Werk dieser Folge ist um 1575 entstanden – also mitten im Manierismus.

Der Begriff Maniersmus kommt vom italienischen „Maniera“. Das bedeutet übersetzt „Art und Weise“ beziehungsweise „Manier“. Und genau darum ging’s – die individuelle Handschrift der Kunstschaffenden stand im Vordergrund, das Eigene! Zuvor in der Renaissance bezog man sich auf die Antike. Es ging um ausgewogene Kompositionen und harmonische Formen. Der Mensch wurde ganz genau studiert und exakt dargestellt. Die Renaissance war eine recht wissenschaftliche, fast schon mathematische Kunst. Im Manierismus wurde es dann wilder. Man wollte mehr Dynamik, mehr Leben, mehr Spannung. Dafür wurde unter anderem eine grelle Farbgebung verwendet und teilweise wurden Perspektiven verzerrt und Körper überlängt. Auf Lavinia Fontanas Bild aus Karlsruhe sind die Finger zum Beispiel erstaunlich lang. Richtige Langfinger. Damit würde man jedes Daumen-Wrestling easy gewinnen.

Im Manierismus ging man also teilweise bewusst gegen die Vollkommenheit und den Perfektionismus der Renaissance. Stattdessen wurde die künstlerische Freiheit wurde mehr betont und manche trieben es echt weit. Im Manierismus war die sogenannte figura serpentinata sehr in. Figura serpentinata klingt wie eine Serpentinen-Skulptur. Und das ist gar nicht so falsch, denn sehr kurvig waren die definitiv. Man sagt dazu auch Korkenzieherfigur. Das sind Körper, die sehr verdreht sind, teilweise echt unnatürlich. Es ging ausdrucksstarke Körper, die ans Limit gehen. Der Künstler Arcimboldo war besonders kurios, denn der malte Porträts nur aus Obst oder Gemüse. Im Vergleich zu diesem Zeitgenossen war Lavinia Fontana eher gemäßigt unterwegs, ihre Bild sind nicht ganz so absurd. Aber auch sie wurde vom Manierismus beeinflusst und sie prägte diese Kunstform auch maßgeblich mit.

 

Wer hat‘s gemacht? Künstlerin im Spotlight

Wenn es ein Guinessbuch der Rekorde für die Kunst gäbe, dann wäre Lavinia Fontana dort definitiv mehrfach vertreten, denn sie war eine echte Ausnahmeerscheinung. Sie gilt als die erste kommerziell erfolgreiche Malerin in Europa, denn sie war die erste Frau, die eine eigene Werkstatt leitete. Sie war nämlich die einzige Frau, die damals eine eigene Werkstatt leitete. Sie war auch die erste Frau, die eine nackte Frau malte. Das war damals nicht selbstverständlich, weil für Frauen das Aktstudium verpönt war. Deshalb übte Fontana an antiken Skulpturen. Außerdem war sie die erste Frau, die großformatige Bilder malte, denn vorher waren für Frauen eher kleine Formate üblich. Und Lavinia Fontana war dazu noch die erste Frau, die an der Kunstakademie von in Rom aufgenommen wurde – das war die Accademia di San Luca. Allerdings wurde sie dort nicht ausgebildet. Das war eher eine Bewegung von Kunstschaffenden. Normalerweise war es Frauen nämlich zu ihrer Lebzeit im 16. Jahrhundert und Anfang des 17. Jahrhunderts eine Aufnahme in solche Akademien untersagt. All diese Hindernisse überwand Lavinia Fontana und vergesst nicht: Sie hat ja auch noch 11 Kinder zur Welt gebracht. Das war übrigens eine durchaus dramatische Geschichte, denn von den 11 Kindern erreichten nur drei das Erwachsenenalter.

Aber hier noch mal geordnet ein paar Details zu ihrer bewegten Biografie: Lavinia Fontana wird 1552 in Bologna in Italien geboren. Ihr Vater, war ein anerkannter Bologneser Maler, Prospero Fontana und der bildet Lavinia Fontana auch aus. Das erste eigenständige Bild, das wir von Lavinia Fontana haben, hat sie mit 23 gemalt. Das war der Beginn ihrer professionellen Karriere. Kurz danach heiratete sie den Maler Gian Paolo Zappi – ein durchaus anerkannter Maler, also kein Nobody. Und jetzt wird’s besonders: Lavinia Fontana stellte ihre Karriere nicht hinter seine an, ganz im Gegenteil! Und das war zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich, denn ihr Mann assistierte IHR beim Malen und kümmerte sich um die gemeinsamen Kinder. Er führte auch die Buchhaltung, denn Frauen galten damals als nicht geschäftsfähig. Und man muss sagen: Es lief businessmäßig echt gut bei Lavinia Fontana. Sie erhielt zum Beispiel genauso viel Honorar wie der berühmte Künstler Anthonis van Dyck, das war damals echt ungewöhnlich, dass eine Künstlerin so viel verdiente wie ein Künstler. Ihre Auftraggeber waren beeindruckend: Papst Gregor XIII. ließ sich von ihr malen. Sie erhielt einen Auftrag von spanischen König. Fontana war auch beliebt bei den bedeutenden Familien Bolognas. Adlige Frauen waren begeistert von ihrer Kunst, weil sie Frauen durchaus mächtig und stark darstellte mit Statussymbolen etc. – auch das war eine Neuheit!

Aber wie war das damals überhaupt möglich, dass eine Frau wie Lavinia Fontana so erfolgreich wird und als Frau so eine bedeutende Rolle einnimmt? Bologna war damals ein Kirchenstaat. Das heißt: Alle, die erfolgreich sein wollten, mussten regelmäßig nach Rom reise. Daher waren die mächtigen Männer aus Bologna oft längere Zeit in Rom. In der Abwesenheit mussten die Frauen also die Geschäfte leiten. Das führte zu lockereren Regeln und mehr Selbständigkeit. Zumindest ist das ein Grund für Lavinia Fontanas großen Erfolg.
Schließlich wurde sie dann selbst nach Rom berufen von Papst Clemens VII. Hier verbrachte sie die letzten 10 Jahre ihres Lebens und starb 1614 im Alter von 64 Jahren. Sie hinterließ ein beeindruckendes Werk. Und eines dieser Bilder befindet sich in der Kunsthalle Karlsruhe. Also noch mal zum Abschluss: Wow, was für eine Künstlerin. Merkt euch den Namen Lavinia Fontana. Mir hat sie bis vor kurzem auch gar nichts gesagt und freue mich tierisch diese Künstlerin für mich entdeckt zu haben. Ich hoffe, euch geht es ähnlich. Damit sind wir am Ende dieser Folge. Die nächste Episode Kunstsnack kommt wie immer in zwei Wochen. Bis dann, macht’s gut, Ciao.

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