Flirten, feiern, Wasser lassen: Dorffest von David Teniers

Auf diesem Gemälde geht es hoch her: hier wird geflirtet, gefeiert, gebechert, gelästert und wild gelebt. Das Dorffest von dem flämischen Künstler David Teniers dem Jüngeren. Auf dem Bild können wir anschaulich sehen, wie vor knapp 400 Jahren Party gemacht wurde, denn das Werk stammt aus dem Jahr 1648. Ok, dann schauen wir mal, ob damals so anders gefeiert wurde als heute und was für überraschende Details es auf diesem Bild aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe zu entdecken gibt. Viel Spaß!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Wie schon erwähnt ist auf dem Werk dieser Folge einiges los. Es ist ein regelrechtes Wimmelbild. Daher der Hinweis: Schaut gerne mal in die Shownotes von diesem Podcast. Dort ist ein Link zur Abbildung. Da könnt ihr euch das Gewusel in Ruhe anschauen, aber natürlich kommt hier jetzt auch die obligatorische Bildbeschreibung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Ich freue mich richtig euch alle Einzelheiten auf diesem Gemälde zu erzählen, weil es so viele schöne Szenen gibt! Ok, der Titel macht ja schon ziemlich klar, worum es auf diesem Bild geht: Dorffest. Wir sehen einige alte Fachwerkhäuser, zwischen denen ein holperiger Weg entlangführt, natürlich keine asphaltierte Straße – schließlich sind wir hier im 17. Jahrhundert. An dem Haus ganz vorne, einem Wirtshaus, weht eine Flagge. Darauf ist ein Mann in Rüstung, grünem Umhang und Palmwedel. Das ist der Heilige Georg, der wird hier als Ritter dargestellt, denn der Legende nach hat er einen Drachen getötet. Das klingt für mich sehr nach einem Vorläufer von Game of Thrones.

Auf dem Bild von David Teniers dem Jüngeren sehen wir also die Feierlichkeiten zum Georgstag unter freiem Himmel. Das Ganze wurde in einem stattlichen Format gemalt: 115 x 178 cm. Ich muss vorab sagen: Ich bin Stadtkind und ich habe das Image im Kopf, dass auf dem Dorf immer noch mal eine Nummer heftiger gefeiert wird. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber auf dem Bild aus Karlsruhe sieht es mächtig nach Spaß aus. Im Vordergrund sind viele Menschen, die den verschiedensten Tätigkeiten vor dem Wirtshaus nachgehen. Ganz links ist offenbar die Raucherecke, zwei Männer stopfen sich hier ihre Pfeifen, ein anderer reckt ein volles Bierglas empor und prostet uns als Betrachter*innen zu – quasi eine Einladung ins Bild. Dahinter im Dunkeln steht jemand und erleichtert sich am Bretterzaun. Dem Maler ist offenbar nicht Menschliches fremd.

In der Bildmitte sehen wir eine Frau mit zwei Kindern. Hinter ihr wird eifrig getanzt, Männer und Frauen halten sich an den Händen und lachen. Bis auf eine Frau, die guckt komplett ernst und hat scheinbar gar keinen Bock zu auf Spaß. Diese Frau würde wahrscheinlich auch auf dem obligatorischen Foto in der Achterbahn keine Miene verziehen. Um die Tanzenden herum stehen viele Leute. Manche lästern scheinbar und gucken sehr gehässig. Andere unterhalten sich oder flirten. Ein Mann fasst einer Frau ans Kinn, die schaut dabei ungefähr so begeistert wie die schlecht gelaunte Tänzerin. Die Musik für die Party kommt von zwei Männern: Einer spielt Violine, einer Drehleier.

Weiter hinten im Bild ist eine zweite feiernde Gruppe, hier kommt die Musik von einem Mann mit Sackpfeife. Man kann aber auch Dudelsack dazu sagen.

Kurz noch ein paar Worte zum Malstil: Der Künstler arbeitet hier mit einem sehr feinen, lockeren Pinselstrich. Jede Figur wirkt dadurch ausdrucksstark und ist gut erkennbar. Auf dem Gemälde sind dutzende Gesichter, alle individuell und unterschiedlich. Das muss man erst mal schaffen! Auch sind die Figurengruppen sehr ausgewogen angeordnet. Dadurch entsteht ein sehr lebhaftes Bild. Und durch eine geschickte Setzung von Licht und Schatten kriegt das Werk eine enorme Dynamik und bestimmte Szenen werden besonders betont. Was ich eigentlich nur sagen will: Das Bild ist richtig gut gemalt.

Wie wurde das Werk beeinflusst? Interessante Inspirationen

Ein wichtiger Einfluss für das Dorffest in Karlsruhe war die Malerei von Pieter Bruegel dem Älteren. Das war ein niederländischer Künstler aus dem 16. Jahrhundert. Bruegel ist bekannt für seine Bilder über das bäuerliche Leben. Er malte große Menschenmengen, teilweise über 100 Personen in einem Bild. Es gibt sehr schöne Winterszenen von ihm, auf denen die Leute Eishockey spielen oder eine Schneeballschlacht starten. Überall kann man lustige Details entdecken und die Darstellungen sind auch durchaus humorvoll. Bruegels Werke anzugucken, ist für mich deshalb ein ähnliches Gefühl wie früher bei den Bilderbüchern von Pettersson und Findus. Da konnte man ja auch überall die Mucklas suchen – knuffige kleine Wesen, die witzige Sachen machen.

Bruegel ist ein zentraler Vertreter der sogenannten Genremalerei. Das sind Darstellungen von Alltagsszenen. Oft werden die unteren gesellschaftlichen Milieus dargestellt, meistens mit einer moralischen Botschaft nach dem Motto: Pass auf, sonst endest du wie die Leute auf dem Bild. Es ging also viel um Negativbeispiele und Verhaltensweisen, die abschrecken sollten. Positive Darstellungen wiederum sollten dazu anreizen ähnliches zu tun. Aber wenn es um mahnende Werke geht, wird sich in der Genremalerei gerne mal über die Dargestellten lustig gemacht.

Teniers steht in der Tradition dieser Genremalerei, aber an seinem Dorffest ist auffällig: Der Blick auf die Feiernden ist nicht gemein und abfällig. Niemand wird bloßgestellt. Niemand ist lächerlich besoffen oder vulgär. Vielmehr ist der Blick des Malers wohlwollend und der Humor kommt mit einem Augenzwinkern daher. Teniers er zeigt einfach vergnügte Menschen – zumindest größtenteils, die eine Frau hasst ja scheinbar das Tanzen. Dieser freundliche, respektvolle Blick auf die Menschen ist typisch für David Teniers den Jüngeren. Egal, ob er Bauernfeste malt oder Kneipenszenen, Spaziergänger*innen oder Menschen beim Boules spielen. Dieser heitere Alltag entsprach allerdings nicht immer der Realität. Das Leben der einfachen Leute auf dem Land war oft hart, viele Szenen von David Teniers dem Jüngeren sind idealisiert– quasi das flämische Land-Idyll.

Übrigens: Ein weiterer immenser Einfluss auf David Teniers den Jüngeren war sein Vater, denn der war sein wichtigster Lehrer. Logischerweise hieß der Vater David Teniers der Ältere. Praktische Vorgehensweise, der Ältere, der Jüngere. So musste man sich keine neuen Namen ausdenken. Clever! Auch von dem flämischen Maler Peter Paul Rubens hat David Teniers der Jüngere entscheidende Impulse erhalten und Rubens war sogar der Trauzeuge von Teniers. Wenn ihr mehr über Rubens erfahren wollt: Ihm haben wir Folge 29 dieses Podcasts gewidmet. Sehr hörenswert! (Wie übrigens alle Folgen)

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Die Werke von David Teniers dem Jüngeren waren bei den oberen Gesellschaftsschichten sehr beliebt und er verdiente gut mit seiner Kunst. Teilweise wurde der Maler nach Anzahl der Figuren auf einem Bild bezahlt. Folglich: Viele Figuren, viel Kohle. Da sind Feste mit Menschenmassen plötzlich ein sehr lukratives Motiv.

Kunst-Hotspot Karlsruhe

Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe besitzt insgesamt neun Bilder von David Teniers dem Jüngeren. Das ist eine stattliche Anzahl, wenn man bedenkt, dass dieser Maler schon zu Lebzeiten sehr gefragt und erfolgreich war. Das macht das Museum zu einer Art Fanclub von David Teniers dem Jüngeren. Und das Hauptwerk in der Sammlung von diesem Künstler ist ein ganz bestimmtes Bild. Ihr ahnt es: Genau, das Dorffest. Denn es ist ein ungewöhnlich großes Format, ausdrucksstark und ausgewogen und einfach ein tolles Bild, über das ihr jetzt ein bisschen mehr wisst. In diesem Sinne: Danke fürs Zuhören. Bis in zwei Wochen, wenn die nächste Folge Kunstsnack erscheint. Folgt bis dahin gerne diesem Podcast. Macht’s gut, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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