Wenn Babys wie Opas aussehen

Hans Baldung Grien: Geburt Christi

Ganz ehrlich: Warum sehen die Babys auf alten Bildern oft so komisch aus? Häufig sehen die aus wie alte, grimmige Männer in einem Mini-Körper. So als hätte jemand bei Photoshop den Kopf eines Opas auf ein Babybild montiert. Es gibt dazu auch etliche sehr lustige Memes im Internet. Und eines dieser schrägen Babys befindet sich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und zwar auf einem Gemälde des Künstlers Hans Baldung Grien. Das heißt Geburt Christi und ist von 1539. Geburt Christi – wir haben es hier also mit einem weihnachtlichen Bild zu tun. Allerdings ein sehr besonderes und auch der Künstler ist erstaunlich rätselhaft. Also, Zeit etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Viel Spaß mit dieser Folge!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Es geht sofort los, aber schaut vorher mal schnell in die Shownotes von diesem Podcast. Da ist ein Link, damit ihr euch das Bild anschauen könnt. Wenn ihr dazu keinen Bock habt – easy. Ich beschreibe euch das Bild jetzt in Ruhe.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Kurz zur Übersicht: Wir sehen auf dem Bild hauptsächlich Maria und Josef. Außerdem den kleinen Jesus, der von zwei Engeln getragen wird. Der Titel Geburt Christi macht klar, worum es hier geht. Die Szene spielt in einem Stall, der im Hintergrund angedeutet ist. Dazu sieht man auch ganz klein hinten in der Ecke, wie den Hirten die Geburt des Heilands verkündet wird. Dazu gibt es ein Spruchband mit „Gloria in excelsis deo“. Das ist Latein und heißt „Ehre zu Gott in der Höhe“. Da lohnt sich doch endlich mal mein Latinum aus der Schule! Nee, ehrlich gesagt nicht – die Übersetzung musste ich nachgucken. Es ist wirklich wenig hängen geblieben.

So, aber dann widmen wir uns jetzt mal direkt dem Christkind und seinem komischen Aussehen. Die beiden Engel, die Jesus halten, wirken gut gelaunt. Aber Christus guckt richtig grummelig. Und wie gesagt, sein Gesicht wirkt viel zu alt. Das erinnert mich an den Film Benjamin Button, in dem der Protagonist statt älter immer jünger wird. Nur, dass der Kopf auf dem Bild hier irgendwie nicht mitmacht. Jesus sieht aus wie ein kleiner Erwachsener. Warum ist das so?

Der Künstler Hans Baldung Grien malt hier zwei Dinge gleichzeitig: Jesus Geburt, aber auch seinen späteren Opfertod. Darauf verweist auch die Hautfarbe des Kindes. Die ist nämlich leichenblass. Außerdem ist das Baby dazu noch in ein Leichentuch gehüllt. In gewisser Weise malt Hans Baldung Grien hier also eine Art Zeitreise: Schon bei der Geburt wird der unvermeidliche Tod von Jesus angekündigt. Deshalb guckt das Baby auch so mürrisch, es weiß, dass es richtig leiden wird. Klar, Neugeborene sehen echt nicht immer super süß aus, sondern oft ziemlich verschrumpelt. Aber dieses Gemälde setzt noch mal eine ordentliche Schippe drauf.

Dass man Christi Geburt und Tod quasi gleichzeitig malt, ist in der Kunst kein ungewöhnliches Vorgehen und das erklärt dann auch die komischen Babygesichter, die man im Internet kennt als „Ugly Renaissance Babies“. Zum Thema Renaissance kommen wir später. Aber jetzt noch kurz zu Maria und Josef: An den beiden Figuren zeigt sich die Meisterschaft von Hans Baldung Grien. Der Stoff der Gewänder scheint richtig greifbar, vor allem das Samtkleid von Maria. Das ist grün, Josefs Gewand ist rot. Bei rot und grün handelt es sich um sogenannte Komplementärfarben. Wenn man diese beiden Farben nebeneinandersetzt, ist der Kontrast besonders stark und die Farben scheinen besonders zu leuchten.

Auch die Haare von Maria und Josef sind sehr fein gemalt. Man sieht sogar einzelne Haarsträhnen die vom Licht beschienen werden. Hans Baldung Grien hat zusätzlich einen durchsichtigen Schleier über Marias Haare gemalt – malerisch keine leichte Angelegenheit. Ihr merkt also: Diese Weihnachtsszene ist durchaus besonders.

Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight

Hans Baldung Grien ist ein wichtiger Künstler des 16. Jahrhunderts. Und obwohl er so einen Status hat, ist gar nicht so viel über ihn bekannt, es gibt etliche Lücken in seiner Biografie. Das geht schon mit seiner Geburt los. Es ist unklar, ob der Künstler 1484 oder 1485 geboren wurde. Auch der Ort ist nicht ganz klar, vermutlich in Schwäbisch Gmünd. Über seine Kindheit und Jugend gibt es keine Infos. Das klingt langsam ein bisschen nach dem Lebenslauf eines Geheimagenten.

1503 bis 1508 ist zumindest klar, dass Hans Baldung Grien in einer Maler-Werkstatt arbeitete. Aber nicht in irgendeiner, sondern in der Werkstatt des berühmten Künstlers Albrecht Dürer. Dem haben wir übrigens die 10. Folge dieses Podcasts gewidmet – sehr empfehlenswerte Folge (wie eigentliche jede von Kunstsnack, klar).

Danach gründet Hans Baldung Grien in Straßburg eine eigene Werkstatt und erhält einige große Aufträge. Zwischendurch lebt er in Freiburg und kehrt dann nach Straßburg zurück. Durch Immobiliengeschäfte verdient er ein Vermögen – ja, ihr habt richtig gehört: Immobilien. Hans Baldung Grien war also ein klassischer Monopoly-Maler.

Auch das Thema Selbstvermarktung beherrschte der Künstler gut. Eigentlich hieß er nur Hans Baldung. Erst in Dürers Werkstatt wird er Hans Baldung Grien genannt (also, der Grüne). Vermutlich passierte das aus zwei Gründen: erstens damit man ihn von den anderen Gesellen mit dem Namen Hans unterscheiden konnte. Und zweitens: Grün war wohl seine Lieblingsfarbe.

Hans Baldung Grien nimmt den Namen an und kultiviert ihn richtig. Er malt sich selbst in einem grünen Mantel und auf einem anderen Werk zeichnet er ein Selbstbildnis auf grün gefärbtes Papier. In seinem sogenannten „Karlsruher Skizzenbuch“ erläutert er die Farbe Grün sehr ausführlich. Grün war wirklich seine Signature-Farbe. Ist ja heute bei Firmen nicht anders, zum Beispiel das Magenta von der Telekom oder das Rot von Coca Cola. Das Bild Geburt Christi aus der Kunsthalle Karlsruhe zählt übrigens zum Spätwerk von Hans Baldung Grien, denn es stammt aus dem Jahr 1539. 1545 stirbt der Künstler dann.

Der Epochen-Check

Hans Baldung Grien zählt zu einem der bekanntesten Vertreter der deutschen Renaissance. Die Kunstrichtung Renaissance ging ursprünglich um 1400 von Italien aus. Wichtige Künstler waren Leonardo, Michelangelo, Raffael und Donatello, auch bekannt als die Teenage Mutant Ninja Turtles. Worum ging’s bei der Renaissance? Der Begriff „Renaissance“ heißt Wiedergeburt. Man wollte die Antike wiederaufleben lassen, vor allem die damaligen Erkenntnisse und Errungenschaften aus Wissenschaft und Kultur.

Die Renaissance war also ein Revival. Zum Beispiel rückte das genaue Studium des Menschen in den Vordergrund. Porträts wurden jetzt lebensechter und individueller – die Mona Lisa ist ein gutes Beispiel dafür. Zuvor, im Mittelalter, sahen die Gesichter auf den Bildern oft alle gleich aus, bisschen wie bei den Teletubbies. Außerdem nutze man in Bildern wieder die Zentralperspektive, also dass Objekte kleiner werden je weiter sie weg sind – halt korrekte Perspektive mit Fluchtpunkt.

Es dauerte einige Zeit, bis die Renaissance in Deutschland ankam. Ein wichtiges Ereignis in dieser Zeit war die Reformation. Dadurch fielen für Kunstschaffende immer mehr Aufträge für Hans Baldung Grien weg. Deshalb malte er auch viele nicht-religiöse Themen, darunter waren: historische und mythologische Bilder, Tiere, das tägliche Leben. Ein beliebtes Thema für Hans Baldung Grien waren zudem Hexen. Aber das waren keine Darstellungen von Bibi Blocksberg, sondern vielmehr erotische Frauendarstellungen, teils ziemlich vulgär. Also, statt Hex Hex, eher Sex Sex. Diese Art von Hexen-Darstellungen war damals echt etwas Neues. Zur Bebilderung von Hexenverfolgungen dienten die Bilder allerdings nicht. Aber kleiner Einschub: Mit der Renaissance ging nicht nur Fortschritt einher. 1487 erschien der Hexenhammer, ein Handbuch zur Hexenverfolgung. Insgesamt war zu dieser Zeit der Glaube an Hexen sehr verbreitet.

Ok, Hans Baldung Grien behandelte in seinen Werken also viele verschiedene Themen. Aber das Gemälde aus der Kunsthalle Karlsruhe ist sehr weihnachtlich – ohne heftige Hexen oder sonst was.

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Die Geburt Christi aus Karlsruhe ist auf eine Tafel aus Tannenholz gemalt. Im 19. Jahrhundert passierte dann damit etwas Unfassbares: Die Tafel wurde in drei Teile zersägt. Warum? Unklar. Erst 1937 wurde alles wieder zusammengesetzt. Manche Stellen waren von Würmern zerfressen und mussten daher zugeschnitten werden. Zum Glück können wir heute wieder das ganze Werk von Hans Baldung Grien in der Kunsthalle Karlsruhe bestaunen. Ein besinnliches Bild mit bewegter Geschichte. Danke euch für’s Zuhören. In zwei Wochen geht’s weiter mit Kunstsnack. Bis dahin, macht’s gut, ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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