Mini, aber monumental: Felsenriff am Meeresstrand von Caspar David Friedrich

Felsenriff am Meeresstrand – das könnte der Titel von einem kitschigen Gedicht sein, das ein 16-Jähriger im Mallorca-Urlaub geschrieben hat. Felsenriff am Meeresstrand – das ist tatsächlich der Titel eines absoluten Highlights aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Denn das Bild wurde gemalt von dem berühmten Künstler Caspar David Friedrich. Warum macht dieses winzige Bild so Welle? Was hat dieses Werk mit Geisterbahnen zu tun? Und was ist eigentlich diese deutsche Romantik? Die Antworten kriegt ihr jetzt. Denn Kunstsnack… is back.

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Kurzer Hinweis: Schaut mal kurz in die Shownotes. Da ist ein Link, da könnt ihr euch das Bild von Caspar David Friedrich anschauen. Und jetzt geht’s los.


Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Das Bild, um das es heute geht, zeigt eine Landschaft. Keine Menschen, nur Natur. Woran denkt ihr bei dem Titel Felsenriff am Meeresstrand? Vermutlich denkt ihr an einen sonnigen Strand, Wellen zum Surfen, ein paar malerische Felsen? Tja, das Gemälde Felsenriff am Meeresstrand ist ganz anders. Dieses Bild ist das komplette Gegenteil von Baywatch. Das ist richtig düster.

Erst mal: Auf dem Gemälde ist es Nacht. Der Mond scheint zwischen ein paar Wolken hindurch und spiegelt sich in dem ruhigen Wasser. Und von „Meeresstrand“ ist jetzt auch nicht soooo viel zu sehen. Wir blicken von oben in eine runde Bucht und die Umgebung ist eher felsig und steinig. Wenn das hier ein Strand ist, dann muss man da definitiv diese hässlichen Wasserschuhe tragen, damit man sich beim Baden die Füße nicht verletzt. Das hier ist eher ein „Rocky Beach“ – so wie der Wohnort von den Drei Fragezeichen. Ich bin riesen Fan von der Hörspielserie und wollte die einfach mal einbauen.

Zurück zum Gemälde: In der Mitte des Bildes ragen riesige, karstige Felsen aus dem Wasser. Die sind nur wenige Meter vom Ufer entfernt. Die Felsen erstrecken sich mächtig in den Himmel und wirken wie so aufgeschichtete Gesteinsschichten. Insgesamt ist das hier also eine sehr karge Landschaft. Über allem liegt ein feiner Dunst. Dieses Bild bewegt sich irgendwo zwischen Airbrush-Motorhaube und trister Theaterkulisse.

Nirgends ist ein Schiff oder sonst irgendein Lebewesen zu sehen. Nur zwei Bäume, die stehen im Vordergrund. Die sind aber wichtig, weil man dadurch ein Gefühl für die Größenverhältnisse bekommt. Die Bäume sind sehr klein in der steinigen Bucht. Dadurch wirkt die Landschaft umso größer und mächtiger – und auch ein bisschen einschüchternd. Das ist vor allem deshalb lustig, weil das Bild selbst sehr klein ist. 20 x 31 cm. Ein Gemälde: Mini im Format, aber monumental in der Wirkung.


Der Epochen-Check

Das Bild aus Kunsthalle Karlsruhe stammt aus dem Jahr 1824. Damit fällt es genau in die Epoche der Romantik. Die kam Ende des 18. Jahrhunderts auf und dauerte ungefähr bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Caspar David Friedrich ist einer der wichtigsten Vertreter der Romantik.

Wann man Romantik hört, denkt man vielleicht zuerst an Liebesfilme mit Hugh Grant oder an diese kitschigen Pärchen-Metall-Schlösser an Brücken. Aber die Romantik ist echt weit von Valentinstag. Die Romantik ist eher schwermütig und nachdenklich. Eines der Hauptanliegen der Romantik war: Durch stimmungsvolle Landschaften Gefühle ausdrücken. Die Natur wird zu einer Projektionsfläche von Emotionen. So wie man der Sonne einen Smiley malt, wenn man gute Laune hat – nur umgekehrt.

Bei romantischer Malerei geht‘s um Sehnsucht, um überwältigende Natur, um das Unheimliche – quasi die Geisterbahn der Kunst. Romantik ist einfach viel Pathos, große Gefühle, so als hätte man aus dem Film „Braveheart“ eine Kunstrichtung gemacht. Genau da passt das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe wunderbar rein. Eine erhabene Landschaft im zwielichtigen Mondschein, die aufragenden Felsen als Naturgewalt. Caspar David Friedrich konnte hier wunderbar sein eigenes Innenleben in die Landschaft malen. Ob das Felsenriff am Meeresstrand wirklich so ausgesehen hat, war dabei nicht wichtig. Hier geht’s nicht um Nachahmung, sondern um Effekt.

Caspar David Friedrich war gläubig, ein frommer Protestant. Themen wie Tod, Hoffnung, Erlösung, das Jenseits – all das beschäftigt ihn viel. Und man kann sein Bild aus Karlsruhe auch religiös lesen – die tiefe Demut vor der Natur und Gottes Werk. Das Felsenriff könnte aber auch für die Gefahren der Seeleute stehen und die ruhige Bucht für Geborgenheit. Es kann auch sein, dass die Felsen allgemein für die Widrigkeiten des Lebens stehen. Es gibt hier keine eindeutige Lesart, auch wir können die Landschaft als Projektionsfläche für unsere Gefühle und Assoziationen nehmen. Genau das macht die Romantik ja so spannend und ergreifend.


Wie wurde das Werk beeinflusst? Interessante Inspirationen

Wie schon gesagt: Caspar David Friedrich hat nicht vor der Landschaft gesessen und die 1:1 nachgemalt. Möglicherweise diente ihm hier eine Grafik eines anderen Künstlers als Vorlage. Der englische Künstler Edward William Cooke. Von ihm gibt es eine Grafik der Insel Wight. Dort gibt es eine Felsformation „The Needles“ und die sieht erstaunlich ähnlich aus wie die Felsformation auf dem Bild von Caspar David Friedrich.

Insgesamt hat Caspar David Friedrich viele Naturstudien gemacht und die anschließend im Atelier in verschiedene Bilder einfließen lassen. Seine Gemälde setzen sich also oft aus verschiedenen Versatzstücken zusammen – seine Arbeitsweise ist eine wilde Mischung aus Collage, Puzzle und ein Vorläufer von Photoshop.


Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Heutzutage ist Caspar David Friedrich ein echter Kunst-Star. Seine Ausstellungen werden überrannt. Seine Werke reisen durch die ganze Welt. Das Landschaftsbild aus Karlsruhe reist demnächst nach Berlin und danach nach New York. Quasi ein Backpacker in Bildform.

Bei all dem Hype kann man sich das heutzutage gar nicht mehr vorstellen: Aber Caspar David Friedrich war nicht immer angesagt. Nach seinem Tod 1840 geriet er erst mal lange in Vergessenheit. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde seine Kunst wiederentdeckt. Das Felsenriff am Meeresstrand hing auch nicht immer prominent in der Kunsthalle Karlsruhe. Das Bild befand sich 100 Jahre lang weitgehend vergessen im Speisesaal des Mecklenburgischen Schlosses Basedow. Niemand hatte das auf dem Schirm. Erst 1941 wurde das Bild wiederentdeckt.

Wenn ich Werke von Caspar David Friedrich sehe, motiviert mich das immer mehr in die Natur zu gehen. Das ist wie ein Werbemotiv für einen Wanderurlaub. Unser Spaziergang durch die Welt der Kunst ist auf jeden Fall für heute zu Ende. In zwei Wochen stelle ich euch das nächste Werk aus der Kunsthalle vor. Bis dahin, macht’s gut, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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