Pfoten statt Noten

Moritz von Schwind: Die Katzensymphonie

„Blähungen im Gehirn“: Das attestiert der Künstler Moritz von Schwind einem Malerkollegen. Und einen seiner Lehrer an der Kunstakademie nennt er herablassend nur „Kunsthausmeister“. Moritz von Schwind scheint ein ziemliches Lästermaul gewesen zu sein. Und auch in seiner Kunst teilt er offenbar aus und zwar gegen den berühmten Komponisten Richard Wagner. Wie ein Kunstwerk zum Seitenhieb werden kann und was eine ganze Horde Katzen damit zu tun hat – darum geht’s in dieser Folge von Kunstsnack.

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Moritz von Schwind ist ein Maler aus dem 19. Jahrhundert. Sein Motto war: „Ich kann ohne Musik nicht leben!“ Also schon echt ein ziemlich pathetisches Motto, aber Musik spielt in seiner Malerei immer wieder eine große Rolle. Umso lustiger finde ich es, dass er eine Geigen-Symphonie entworfen hat, die man unter keinen Umständen spielen kann: Die Katzensymphonie von 1868.

Bei diesem Blatt aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe handelt es sich um ein sehr ungewöhnliches Kunstwerk. Einen Link zur Abbildung findet ihr in den Shownotes. Aber wenn ihr grad nicht nachgucken wollt, kein Problem – ich beschreibe es euch kurz. Moritz von Schwinds Zeichnung kommt daher wie ein normales Notenblatt – mit Notenschlüsseln und Notenlinien. Aber es fehlen… die Noten. Stattdessen ist alles voller Katzen. Also, keine Noten, dafür Pfoten.

Auf der Zeichnung liegen manche Katzen entspannt auf den Notenlinien. Andere springen drauf herum oder kämpfen miteinander. Es geht drunter und drüber – ein ziemliches Chaos. Und trotzdem haben diese rumwirbelnden Katzen etwas von Noten. Die gruppieren sich ja auch um die Notenlinien herum, gehen hoch und runter, verteilen sich teilweise wild über das Notenblatt. Dass ich mal Noten mit Katzen vergleiche, hätte ich auch nicht gedacht, aber Moritz von Schwind macht’s möglich.

Und eins muss man sagen, dieser Maler hatte Humor. Man merkt das an einem Brief, den er über seine Katzensymphonie geschrieben hat: „Weg mit dem alten, steifen, trocknen Notensystem! Veraltet, überwunden, abgetanes Zeug – es braucht ein neues, durchgeistigtes, lebensvolles Ausdrucksmittel für meine neuen ungeahnten Gedanken – […] – ich habe das Unglaubliche geleistet.“ Klar, wer kennt es nicht – das berühmte Ausdruckmittel… Katzen.

In dem Brief schreibt er auch, wie er auf die Katzensymphonie gekommen ist. Und zwar durch den Orden der Schwarzen Katze. Moritz von Schwind war dort Mitglied. Das Ganze scheint eine Art Spaßverein gewesen zu sein. So wie man als Kind andauernd Geheimclubs gegründet hat und die Haupttätigkeit bestand dann daraus Mitgliedsausweise zu basteln. Ich weiß noch, dass wir andauernd solche Ausweise gebastelt haben und dann haben wir die immer fünf oder sechs Mal mit Tesa umwickelt, um sie zu laminieren – für die Ewigkeit? Keine Ahnung. Auch Moritz von Schwind hatte eine Art Mitgliedsausweis, ein Diplom vom Orden der Schwarzen Katze. Da war eine fauchende Katze auf einer Tonne drauf. Also die coole Version von meinem Kindermitgliedsausweis.

Die Mitglieder von diesem Orden haben hauptsächlich zwei Sachen gemacht: erstens einen Wein getrunken, der „Schwarze Katze“ hieß, und zweitens sich möglichst katzenhaft verhalten. Was auch immer das heißt. Vielleicht haben sie einfach alles zerkratzt und Gegenstände runtergeworfen. Der Orden klingt auf jeden Fall nach dem schlimmsten Klischee einer Katzenlady. Gäbe es den Orden heutzutage, wäre es wahrscheinlich eine Chatgruppe komplett voll mit Katzenvideos.

Moritz von Schwind war aber nicht nur Fan von Katzen, sondern auch von Musik. Er war eng befreundet mit dem Komponisten Franz Schubert und hat ihn sogar ab und an am Klavier begleitet. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Außerdem konnte Moritz von Schwind Geige spielen und hat selbst ein bisschen komponiert – also spielbares Zeug ohne Katzen. Auch in seinen Bildern hat er immer wieder Musik thematisiert. Er wollte quasi die Musik von Schubert, Beethoven oder Mozart in seine Bilder gießen.

Es gab aber auch Musik, die er nicht mochte und zwar die von Richard Wagner. Das war ihm zu schwülstig. Moritz von Schwind empfand Wagners Musik scheinbar als Katzengejammer. Und so wird seine Katzensymphonie als eine Karikatur auf Wagner gesehen – also quasi ein Disstrack in Bildform.

Übrigens hat Moritz von Schwind nicht nur lustige Zeichnungen gemacht, sondern er war ein echtes Allroundtalent. Er beherrschte die gesamte Bandbreite von der Karikatur bis zum Kirchenbild. Er konnte also auch richtig große Gemälde malen. Und einige davon befinden sich in der Kunsthalle Karlsruhe. Im Treppenhaus sind etliche Fresken von ihm, also riesige Wandmalereien. Und der Frechdachs hat sich einfach selber versteckt mit rein gemalt – als einer der Bauleute. Auch hier hat Moritz von Schwind also mal wieder Humor bewiesen. Find ich super. Und falls ihr musikalisch begabt seid: Probiert doch mal die Katzensymphonie zu spielen. Ich würd’s sehr gerne hören. Damit sind wir durch mit dieser Folge. Danke für’s Zuhören.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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