Völlig falsche Fashion

Nicolas de Largillierre: Bildnis eines Herrn im Jagdkostüm

Ich weiß nicht, ob ihr das auch macht: Aber manchmal tippe ich mir in meine Handynotizen, wenn mir ein Freund Geld schuldet, damit ich das nicht vergesse. Der Künstler Nicolas de Largillierre war in diesem Punkt noch viel penibler als ich: In seinem Ehevertrag führte er nämlich alle Kunstwerke in seinem Haus auf – soweit so normal. Aber in diesem Ehevertrag stand auch, welche Käufer*innen ihm noch Geld schuldeten. Ich finde, das ist ein sehr ungewöhnlicher Stil das da festzuhalten. Deutlich stilsicherer war Nicolas de Largillierre in seiner Kunst. Seine Meisterschaft zeigt sich in seinem Bildnis eines Herrn im Jagdkostüm aus den Jahren um 1725 bis 1727. Das befindet sich, wie sollte es anders sein, in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Und in dieser Folge schauen wir uns das mal ganz genau an, denn das Werk ist… durchaus bemerkenswert und birgt ein paar schöne Merkwürdigkeiten. Viel Spaß!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Ich freue mich schon richtig auf die Bildbeschreibung, allerdings ihr könnt euch gerne vorher das Bild kurz anschauen. In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung und die Kunsthalle Karlsruhe postet das auch auf Instagram. Ich sage das, damit ihr denen bei Insta folgt @kunsthalle_ka. Cool, danke. So jetzt zum Bildnis eines Herrn im Jagdkostüm von Nicolas de Largillierre. Wir sehen einen Mann lässig auf dem Waldboden sitzen. Um ihn herum sind ein paar Bäume, an seinem Oberschenkel lehnt ein Gewehr, wo man Gewehre halt so platziert. Und zu seiner linken sind zwei Jagdhunde, der eine schnüffelt an seinem Herrchen, der andere Hund guckt sehr… hundig durch die Gegend. Auf der rechten Seite des Mannes ist dazu noch ein totes Rebhuhn. Es ist offensichtlich: Der Dargestellte ist auf der Jagd bzw. war es gerade.

Wobei das gar nicht so offensichtlich ist, denn seine Kleidung passt so gar nicht zu einem Jäger. Ich kenne noch das Kinderlied „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider, grün, grün, grün ist alles, was ich hab. Darum lieb ich, alles, was so grün ist, weil mein Schatz ein Jägermeister ist!“. Ok, als Erwachsener denke ich bei Jägermeister eher an was anderes – aber worauf ich hinauswill: Jäger tragen eher Tarnfarben, viel grün, viel Erdtöne. Insgesamt einfach Funktionskleidung mit zu vielen Taschen.

Aber auf dem Gemälde von Largillierre trägt der Mann feinsten Zwirn. Er sieht ein bisschen aus wie man sich mächtige Menschen aus dem 18. Jahrhundert halt so vorstellt. Er hat gewellte, weiß gepuderte Haare, ihr kennt den Look von Mozart auf den Mozartkugeln. Dazu trägt der Mann einen opulenten Überwurf mit silbernen Stickereien und edlem blauen Stoff. Außerdem trägt er eine graue Weste und ein weißes Hemd mit einer Spitzenkrawatte. Um es mal deutlich zu sagen: Dieser Typ ist für die Jagd komplett overdressed. Jagen kann ja durchaus eine schmutzige Angelegenheit sein, aber der Dargestellte kommt in der völlig falschen Fashion – Jagen in Samt und Seide. Das ist, als würdest du zum Schlamm-Catchen im Konfirmationsanzug kommen.

Warum ist der Mann so gekleidet? Hier geht es vor allem um Status, denn der Dargestellte gehörte zum Adel des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Wer genau hier abgebildet wird, ist nicht bekannt. Aber nur der Adel und das Großgrundbesitzertum durften damals jagen – es war ein Privileg Tiere abknallen zu dürfen. Und als Zugehöriger des Adels muss man natürlich was hermachen und daher diese prunkvolle Kleidung.

Die gehobene Stellung des Dargestellten wird auch dadurch deutlich, dass er direkt aus dem Bild herausschaut. Wenn wir vor dem Gemälde stehen, werden wir frontal angeguckt. Hier wird Kunsttheorie in der Praxis angewandt, denn der Kunstkritiker Roger de Piles gab zu damaligen Zeit folgende Empfehlung ab: Menschen höheren Rangs sollten sich den Betrachter*innen direkt zuwenden und sie direkt anschauen. Genau das setzt Nicolas de Largillierre in seinem Gemälde in der Kunsthalle Karlsruhe um. Also ein weiteres Privileg: Auch Blickkontakt auf Bildern ist den oberen Schichten vorbehalten.

Der Maler Nicolas de Largillierre malt hier seine Hauptzielgruppe. Er arbeitete nämlich am liebsten für den zahlungskräftigen Adel. Wir wissen ja dank seines Ehevertrags wie er zu Leuten stand, die ihm Geld schuldeten. Das Porträt zeigt auch das zunehmende Selbstbewusstsein des Adels zu der Zeit. Kostbare Kleidung, aber lässige Haltung. Der Dargestellte ist kultiviert, aber strahlt auch aus, dass er etwas über den Dingen steht.

Der Edel-Adel-Jäger auf dem Gemälde zeigt sehr deutlich nach links aus dem Bild. Dazu sein eindringlicher Blick in unsere Richtung – eine klare Geste: Guck da rüber. Nur wenn wir nach links schauen, ist da nichts, nur der Bilderrahmen. Allerdings wird vermutet, dass es ursprünglich ein Doppelporträt war, dass es also ein Gegenstück gab, ein weiteres Bild daneben. Dann ergibt es Sinn, dass der Mann aus dem Bild heraus zeigt. Vielleicht war auf dem zweiten Gemälde eine Dame im Jagd-Outfit gemalt, vielleicht kam sie im Ballkleid zur Jagd, wir wissen es nicht.

Schauen wir uns jetzt die Malweise des Bildes aus Karlsruhe an, denn die Qualität ist großes Kino. Largillierre war ein angesehener Porträtmaler und das völlig zurecht. Ein Zeitgenosse meinte zum Beispiel über den Künstler: „Er malte mit größter Leichtigkeit, es hat nie einen größeren Könner gegeben.“ Hui, das sind große Worte und es stimmt: Largillierre war ein Meister der Farben. Alles auf dem Bild wirkt fluffig und warm, der Waldboden ist nicht matschig-feucht, sondern sieht regelrecht gemütlich aus. Die Abendsonne legt sich über die Szene. Die unterschiedlichen Texturen des Jagdkostüms sind super gemalt. Man hat das Gefühl den Stoff fast anfassen zu können und jeden einzelnen Faden zu erkennen. Die Farben sind kräftig, klar und lebhaft. Das ist typisch für die Kunstströmung des Rokoko.

Rokoko, Rokoko klingt als würde ich beatboxen. Aber das Rokoko war eine Kunstströmung, die im 18. Jahrhundert aufkam und in Frankreich ihren Ursprung hatte. Wie passend, denn Largillierre war Franzose. Rokoko-Bilder sind oft sehr sinnlich und lieblich. Sie zeigen häufig das gute, sorgenfreie Leben. Also, wenn man Stress hat, kann man sich hervorragend in Rokoko-Gemälde flüchten. Wenn ihr noch ein anderes sehr schönes Rokoko-Werk kennenlernen möchtet, dann hört gerne auch Folge 17 von Kunstsnack. Da geht’s nämlich um den Künstler François Boucher.

Denn diese Folge ist jetzt schon vorbei, ich hoffe, ihr hattet Spaß. Abonniert gerne diesen Podcast und wir hören uns schon bald wieder bei Kunstsnack. Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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