Absoluter Jackpot: Blumenstrauß von Rachel Ruysch

Rubens, Rembrandt, Vermeer: Es gibt viele bekannte Künstler aus dem 17. Jahrhundert, aber kaum Künstlerinnen. Das ist sehr schade, denn es gab in dieser Zeit großartige Malerinnen. Eine von ihnen ist die Niederländerin Rachel Ruysch. Wenn’s um Blumen-Stillleben geht, ist sie das Non plus ultra. Daher geht’s in dieser Folge um ihr Gemälde Blumenstrauß aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Und ich erzähle euch wie sie ziemlich reich wurde und zwar in der Lotterie. Vorher gibt’s jetzt aber erst mal dieses wunderbare Intro.

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Wie immer kurz der Hinweis: Schaut euch gerne das Kunstwerk dieser Folge an, ein Link zur Abbildung ist in den Shownotes. Ihr müsst euch  das Werk aber auch nicht unbedingt anschauen – ich beschreibe euch alles möglichst bildlich und in diesem Fall ist das auf den ersten Blick recht einfach. Das Bild zeigt einen großen, üppigen Blumenstrauß. Der steht in einer Vase und die steht auf einer Balustrade aus Stein.

Wir sehen viele unterschiedliche Blumensorten. Es sind Gewächse dabei, die hier heimisch sind, wie zum Beispiel das Vergissmeinnicht und das Geisblatt. Auch wenn ich ehrlich gesagt vom Geisblatt noch nie vorher gehört habe, aber ich habe auch gar keinen Plan von Botanik. Wenn ihr da mehr Ahnung habt, versucht doch mal alle Blumen auf dem Bild zu identifizieren. Wenn ihr es schafft, bin ich beeindruckt, denn es sind richtig viele.

Das Gemälde ist von 1715 und wir sehen darauf auch Pflanzen, die damals in den Niederlanden nicht natürlich vorkamen. Pflanzen, die selten und kostbar waren, wie beispielsweise Papageientulpen, Löwenmäulchen oder Hahnenkamm. Die drei klingen eher nach einem kleinen Zoo als nach schönen Blumen.

Rachel Ruysch malt also Pflanzen aus den unterschiedlichsten Regionen. Das macht dieses Bild zu einer Art Statussymbol, denn es war nicht billig diese Blumen alle zu bekommen. Also statt Goldketten oder dicken Uhren – nehmt doch einfach ein Blumenbild. Aber hier kommen nicht nur verschiedene Regionen zusammen, sondern auch Jahreszeiten. Denn die Blumen auf dem Bild blühen normalerweise nicht alle auf einmal, sondern zeitlich versetzt. Selbst wenn die Pflanzen alle in einem Beet wären, würde man die niemals alle zusammen in dieser Pracht sehen.

Es handelt sich bei diesem Gemälde also um eine künstliche Zusammenstellung. Aber why not? Diese künstlerische Freiheit kann man sich ja nehmen. Wenn man genauer hinguckt, merkt man auch, dass Rachel Ruysch den Blumenstrauß nicht zufällig angeordnet hat. Das ist eine sehr durchdachte Komposition.

Im Zentrum des Bildes ist der Strauß richtig dicht und dort sind auch die größten Blüten platziert. Außerdem wird das Zentrum heller als der Rest beleuchtet. Dadurch strahlen die Blumen dort besonders intensiv. Drum herum gruppiert sich der Rest des Straußes und lässt alles schön üppig wirken. Den Hintergrund hat die Künstlerin dunkel gemalt, damit der Strauß mehr hervortritt und besonders plastisch wirkt. Alles ist perfekt arrangiert wie auf einem Werbeplakat. An alle Blumengeschäfte: So inszeniert man einen Strauß! So lässt man Blumen ballern! Mit diesem Blumenstrauß würde ich am Valentinstag komplett auf jeden Fall überengagiert wirken. So einen übertriebenen Strauß kauft man, wenn man echt Scheisse gebaut hat und sich entschuldigen will.

An diesem Werk zeigt sich, wie wahnsinnig gut Rachel Ruysch malen konnte. Selbst wenn man richtig nah ran geht, ist alles noch ganz genau zu erkennen. Es gibt so viele Details zu entdecken – zum Beispiel jede Menge Insekten: eine Fliege, Raupe, Libelle, Biene. Außerdem Ameisen und einen Schmetterling. Alles ist super fein gemalt. Das ist echt ein Bild für den zweiten, dritten, vierten Blick.

In dem Werk geht es wie bei nahezu jedem Stillleben um Vergänglichkeit. Die Blumen blühen, teilweise überreif. Sie stehen kurz vor dem Verwelken. Die Insekten tun dazu noch ihr übriges. Man sollte bei diesen Stillleben auch über die eigene Endlichkeit nachdenken. In der Kunstgeschichte spricht man daher auch von einem klassischen Vanitas-Stillleben – Vanitas ist einfach nur das schlaue Wort für Vergänglichkeit, klingt aber super. Und ihr sollt ja in jeder Podcast-Folge mindestens einen Fachbegriff lernen, mit dem ihr bei Dates und Partys angeben könnt, also hier: Vanitas. Wobei es sich mit Vergänglichkeit vielleicht nicht ganz so gut punkten lässt. Aber probiert es aus.

Das große malerische Können von Rachel Ruysch ist auch ihren Zeitgenoss*innen nicht entgangen. Sie ist eine der ganz wenigen Frauen, die im 17. und 18 Jahrhundert überhaupt als Künstlerin tätig war und dann aber gleich richtig. Sie war so erfolgreich und beliebt, dass ihre Bilder teilweise teurer gehandelt wurden als Werke von Rembrandt. Sie arbeitete mehrere Monate an einem Gemälde. Rachel Ruysch musste nämlich nur wenige Bilder pro Jahr malen, weil sie einen Pool an wohlhabenden Auftraggeber*innen hatte. So setzte sie auf Qualität statt Quantität. Das Gegenteil von vielen Videos auf TikTok.

Ich würde sie als Bossin der Blumenstillleben bezeichnen. Dieses Genre wurde häufig von Frauen bedient. Für Blumenbilder brauchte man nämlich keine Anatomie-Kenntnisse. Die bekommt man unter anderem durchs Aktzeichnen und das schickte sich nicht für Frauen. Nee, klar. Nur Männer dürfen nackte Körper sehen – was für ein Quatsch.

Spannend ist ein Familienporträt, das der Mann von Rachel Ruysch gemalt hat. Der hieß Juriaen Pool und war selbst Künstler. Ein klassisches Künstlerpaar also. Auf dem Bild sitzt Rachel Ruysch lässig und hingefläzt auf einem Stuhl. Ältere Leute würden vermutlich dazu sagen: „Setz dich mal vernünftig hin.“ Die Künstlerin befindet sich im Vordergrund, ihr Mann steht hinter ihr. Er deutet mit seiner Hand auf eine Staffelei. Dort steht ein Werk von Rachel Ruysch. Damit sagt er quasi: „Ja, meine Frau malt krasser als ich.“ Er zeigt seine Wertschätzung für ihre Kunst. Es scheint Juriaen Pool also klar gewesen zu sein, dass Rachel Ruysch mehr Talent hatte als er. Und wenn man sich die Qualität von dem Familienporträt anguckt, kann ich nur sagen: Stimmt.

Wie kam Rachel Ruysch zu ihrem enormen Wissen über Blumen? Ihr Vater war ein bekannter Professor für Anatomie und Botanik in Amsterdam. Er brachte ihr vieles bei. Außerdem hatte der Vater eine Kuriositätensammlung. Hier lernte Rachel Ruysch einiges über Pflanzen. Später wurde sie dann von einem berühmten Stilllebenmaler ausgebildet: Willem van Aelst. 1701 wurde sie schließlich als erste Frau in die Malergilde in Den Haag aufgenommen. Was für eine krasse Leistung!

Ihren Erfolg hat sich Rachel Ruysch hart erarbeitet. Aber sie hatte auch Glück – allerdings im Glücksspiel. Sie hat nämlich ein beachtliches Vermögen gewonnen in der staatlichen Lotterie der Niederlande. Das ist vergleichbar mit unserem heutigen Lotto-Jackpot. Naja, ihre Bilder sind auf jeden Fall kein Lucky Shot! Das ist wahre Meisterschaft. Wie schön so was in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe bestaunen zu können!

Das war’s schon wieder mit Kunstsnack, die nächste Folge kommt in zwei Wochen. Danke für’s Zuhören. Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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