Star Wars und Bauhaus: E IV (Konstruktion VII) von László Moholy-Nagy

Ich habe mich letztens mal gefragt, ob es Verschwörungstheorien zur Mona Lisa gibt. Die ist so bekannt, da gibt‘s doch sicher irgendwelche Dullies, die irgendeinen Quatsch erfunden haben. Ich suche ja als Comedian immer nach lustigem Material über Kunst. Und… Oh ja, es gibt wilde Theorien! Mein Favorit: Es gibt auf Youtube, das ist ja die seriöseste Plattform, ein vermeintliches Beweisvideo, dass Leonardo da Vinci ein Alien gewesen wäre, deshalb war er so genial. Klar, einleuchtend! Die Mona Lisa wurde demnach von einem Außerirdischen gemalt. Und das schönste Detail an dieser „Doku“ (ich hoffe, ihr hört die Anführungszeichen) war ein „Experte“ (wieder große Anführungszeichen). Und dieser Experte hat die ganze Zeit gesprochen von Leonardo da Vinzi. Leonardo da Vinzi. Und ich dachte: „Ja, richtiger Experte, der nicht mal den Namen von Leonardo da Vinci korrekt aussprechen kann.“

Aber man muss auch mal ehrlich sagen: Manche Namen von Kunstschaffenden machen es einem auch nicht leicht. Ein gutes Beispiel ist der Künstler der heutigen Folge – László Moholy-Nagy. Moholy-Notsch ausgesprochen, obwohl man es Moholy-Nagy schreibt. Damit könnt ihr jetzt gerne angeben – wissen nicht alle, wie man ihn ausspricht. Ich war vor ein paar Jahren in einer Ausstellung in Frankfurt von Moholy-Nagy und seitdem bin ich Riesenfan. Ich kenne kaum einen Künstler, der so experimentierfreudig war und so starke Werke abgeliefert hat. Das war Innovation am Fließband. Ok, nur eine Sache konnte er nicht so gut und zwar Bildtitel. Das Werk aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe heißt nämlich „E IV (Konstruktion (VII)“ – für mich klingt das eher wie der beste Freund von R2D2 aus Star Wars, aber ok. Das Bild von Moholy-Nagy ist von 1922 und ich finde es zum Niederknien schön, genau mein Geschmack. Also, viel Spaß!

Intro

Das Bild dieser Folge ist sehr abstrakt und echt nicht leicht zu beschreiben. Deshalb tut mir den Gefallen und schaut in die Shownotes von diesem Podcast. Da ist ein Link zur Abbildung von dem Kunstwerk. Dann könnt ihr euch das in Ruhe anschauen und erleichtert mir die Arbeit. Aber natürlich beschreibe ich es euch jetzt trotzdem.

 

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Abstrakter könnte das Bild „E IV (Konstruktion (VII)“ kaum sein. Damit ihr euch das vorstellen könnt: Es handelt sich um bunte geometrische Formen auf einer schwarzen Fläche. Man sieht eine gelbe Linie, eine blaue Linie und eine graue. Dazu noch eine rote Linie, die im 90 Grad Winkel abknickt. Und dann gibt es noch eine dunkle halbrunde Form und ein hellgraues Kreisegment. All die Elemente überlappen sich.

Auf den ersten Blick wirkt das Bild, als hätte jemand ein paar geometrische Formen bei Microsoft Paint erstellt und einfach durcheinandergeworfen. Aber dieses Werk ist alles andere als beliebig. Wenn man genau hinsieht, sind die Linien an manchen farblich abgestuft, als würden sie übereinanderliegen. Dadurch wirken sie ineinander verstrickt und verwoben. Oft kann man gar nicht sagen: Ist die Form an dieser Stelle jetzt vorne oder hinten? Und genau dieser Effekt, dass man etwas verwirrt ist, wie die Räumlichkeit nun ist, ist gar nicht so leicht zu erzielen. Das ist richtig komplex und je länger man schaut, desto mehr solcher verwirrenden und ausgeklügelten Details erkennt man.

Ich finde, Moholy-Nagy schafft hier ein phänomenales Verschiebepuzzle. Durch die Überlagerung der Formen und durch die Wirkung der Farben entsteht Räumlichkeit und Tiefe, obwohl ja alles flach ist. Moholy-Nagy befasste sich viel mit Themen wie Licht und Transparenz. Teilweise wirken die Linien und Formen, als wären sie lichtdurchlässig. Die Komposition wirkt, als würde sie im Raum schweben. Und das alles nur mit bunten Linien und Formen auf Schwarz. Wirklich faszinierend. Und wenn ihr immer noch verwirrt seid, empfehle euch: Schaut mal in die Shownotes, da ist ein Link zum Bild und dann werdet ihr verstehen, was ich meine.

 

Der Epochen-Check

Das Bild von Moholy-Nagy aus der Kunsthalle Karlsruhe zählt zu der Kunstrichtung Konstruktivismus. Das Ganze geht Mitte der 1910er Jahre los und zwar vor allem in Russland. Bald schwappt der Konstruktivismus dann in einige europäische Länder rüber. Moholy-Nagy hat selbst über den Konstruktivismus folgendes gesagt: „Konstruktivismus steht ganz am Anfang, ohne Klasse, ohne Vorläufer. In ihm findet die reine Form der Natur ihren Ausdruck – die ungebrochene Farbe, der Rhythmus des Raumes, das Gleichgewicht der Form.“ Ok, das klingt ziemlich verkopft. Und genau darum geht’s mir. Der Konstruktivismus ist eine ziemlich verkopfte Kunstrichtung.

Stilistisch erkennt ihr den Konstruktivismus an den geometrischen Formen. Alles ist aus geometrischen Formen zusammengesetzt. Konstruktivismus ist das Tetris der Kunst. Es geht nicht mehr darum, die Wirklichkeit abzubilden, sondern man will komplett abstrakte Werke schaffen. Neue Erkenntnisse aus Naturwissenschaft und Technik beeinflussen die Kunstschaffenden. Man geht nüchtern an die Werke ran, alles ist klar geordnet und strukturiert.

Ich habe einen Kumpel, der ist wirklich extrem ordnungsliebend. Und man muss mal sagen, der Konstruktivismus mit all seinen geordneten geometrischen Formen wäre sein Traum! Der Konstruktivismus ist eine Kunstform, die die zunehmende Technisierung Anfang des 20. Jahrhunderts gut widerspiegelt. Konstruktivistische Bilder sehen witzigerweise auch oft aus wie eine Art Schaltplan. Dazu passt auch der technische Titel von dem Bild aus Karlsruhe: „E IV (Konstruktion (VII)“. Moholy-Nagy wollte das objektive Vorgehen im technischen Zeitalter auf die Kunst übertragen. Und da war er beim Konstruktivismus goldrichtig.

Im Konstruktivismus tritt die individuelle Handschrift in den Hintergrund. Hier wird sich nicht wild und expressiv ausgedrückt. Die Bilder werden exakt und präzise gemalt – fast wie von einer Maschine. Gleichzeitig steckt im Konstruktivismus auch der Fortschrittsglaube, der mit der russischen Revolution 1917 einherging. Die Zarenherrschaft in Russland war vorbei, man wollte eine umfassende Modernisierung der Gesellschaft. Der Konstruktivismus war Ausdruck dieser Zeit. Es ging um radikales Neudenken. Dem Chaos der Welt wollte man geordnete Kunst entgegenstellen.

 

Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight

Hier nur ein kurzer biografischer Abriss: Moholy-Nagy wurde 1895 in Ungarn geboren. Er studierte zuerst Jura, bevor er sich der Kunst widmete. Mit nur 28 Jahren wird er dann Meister am Bauhaus. Das war kein Baumarkt, sondern eine berühmte Kunstschule, die auch viel mit geometrischen Formen arbeitete. Als Lehrer brachte Moholy-Nagy hier viele konstruktivistische Impulse ein. Mitte der 1930er Jahre emigrierte Moholy-Nagy über Amsterdam und London in die USA. Hier wird er Leiter des New Bauhaus in Chicago, das aber bald schließt. 1946 verstirbt er dann.

 

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Es gibt Unmengen an Funfacts über László Moholy-Nagy. Er war einer der ersten Multimedia-Künstler. Er war ein absolutes Multitalent. Moholy-Nagy hat viel mehr als nur gemalt. Er machte kinetische Objekte, also bewegliche Werke. Er schuf Grafiken, Plastiken, entwarf Bühnenbilder, befasste sich mit Typografie und er war Vorreiter einer ganz neuen Kunstform: Das Fotogramm.

„Jakob, was ist ein Fotogramm?“ Danke, dass ihr fragt. Da legt man Objekte direkt auf das Fotopapier und belichtet das Ganze. Die Schatten und Abdrücke der Objekte bilden also am Ende das Foto. Moholy-Nagy übertrug seine abstrakte Formensprache in die Fotogramme. Wie kreativ er mit der Technik der Fotografie umgeht und so abstrakte geometrische Fotogramme schafft, ist irre. Wieder arbeitet er hier mit viel Licht und Transparenz – wie auf seinem Bild in Karlsruhe. Moholy-Nagys erstes Fotogramm entstand in Zusammenarbeit mit seiner Frau Lucia Moholy. Lucia Moholy hatte insgesamt großen Anteil an seiner künstlerischen Arbeite, was übrigens lange unterschätzt wurde. Das Fotogramm entstand 1922, im gleichen Jahr entstand auch das Gemälde dieser Folge. Ihr merkt also, wie sich die Arbeit in verschiedenen Medien hier gegenseitig befruchtet.

Außerdem setzte sich der Künstler viel mit der Fotografie auseinander. Für ihn hatte die Erfindung der Fotografie eine große Neuerung für die Kunst bewirkt: Die Fotografie bildete die Welt naturgetreu ab. Das war früher der Job der Malerei. Die Kunst musste das jetzt nicht mehr leisten, die musste nicht mehr alles naturgetreu wiedergeben und konnte sich ganz anderen Themen widmen – zum Beispiel der Abstraktion. Immer wieder arbeitete Moholy-Nagy daran Licht wiederzugeben. Das ist natürlich irgendwie widersprüchlich, wie soll die Malerei oder generell die Kunst Licht wiedergeben? Er wollte das und die statische Malerei zu verändern. Deshalb projizierte er Lichteffekte auf eine Leinwand oder er bemalte Jalousien. Und Fotogramme passten da perfekt rein. Denn hier zeichnete Moholy-Nagy quasi mit Licht auf Fotopapier. Man hört das nun und denkt sich, dass er ziemlich experimentierfreudig war. Und ja, vor allem war das noch nicht das Ende.

Ich stelle mir Moholy-Nagy ein bisschen vor, wie den kreativen Professor aus den „Zurück in die Zukunft“ Filmen. Apropos Film – dieses Medium nutzte Moholy-Nagy auch. Er probierte viel mit abstrakten Schattenspielen herum, es sind beeindruckend moderne Filme, sehr experimentell. Da ist keine Handlung, sondern da geht es um Formenspiele. Wieder ging es ihm auch viel um das Thema Licht.

Ein Werk, das alle Bemühungen von Moholy-Nagy gut auf den Punkt bringt, ist der Licht-Raum-Modulator. Ein Metallobjekt aus verschieden geformten Metallplatten, die sich drehen. Im Zusammenspiel mit Licht entstehen unterschiedlichste Reflexionen und ein crazy Schattenspiel. Dieses Objekt in groß in einer Disko, da würden alle komplett drauf ausrasten. So wie ich auf die Kunst von Moholy-Nagy!

Moholy-Nagy hat mal gesagt: „Ein jeder Mensch ist begabt.“ Und er war es ganz besonders. Wenn ihr kein Meisterwerk aus der Kunsthalle Karlsruhe mehr verpassen wollt, dann abonniert kostenlos diesen Podcast. In zwei Wochen kommt dann die nächste Folge, bis dann, macht’s gut, Ciao.

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