Théodore Géricault
Studienblatt, 1816
Dieses Studienblatt ist deutlich von Michelangelos Sixtinischer Kapelle inspiriert und zeigt Géricaults unmittelbare zeichnerische Reaktion auf die eindrucksvollen Wandmalereien im Vatikan, die er während eines Italienaufenthaltes 1816 sah. Sie könnten daher durchaus vor Ort entstanden sein. In mehreren Linien und Strichlagen probierte der Künstler auf der rechten Blattseite Pinsellavierungen und Federstärken aus, wobei einige Tuschkleckse einen lockeren und zwanglosen Arbeitsprozess bezeugen. In manchen Figuren sind die Renaissance-Vorbilder direkt ablesbar, andere wurden bereits beim Zeichnen künstlerisch abgewandelt. Identifizierbar sind etwa Körper des Jüngsten Gerichtes sowie die berühmte Gestalt des Adam aus der Schöpfungsgeschichte. Géricaults Michelangelo-Rezeption ist von größter Tragweite für sein Werk und lässt sich vor allem in seinem berühmtesten Werk, dem Floß der Medusa (heute im Louvre), deutlich ablesen. So tauchen einige der hier kopierten und veränderten Figuren in abgewandelter Form auch in den dramatisch inszenierten Körpern des großen Gemäldes auf.
Der jung verstorbene Théodore Géricault gilt in seiner zeichnerischen und malerischen Ausdrucksstärke als früher Vertreter der Romantik. Er wurde zum Vorbild für Eugène Delacroix (1798-1863), den er 1815 im Atelier von Pierre-Narcisse Guérin (1774-1833) kennen- und schätzen gelernt hatte. Diese Skizzen sind ein deutliches Beispiel für den dynamisch-bewegten Zeichenstil der beginnenden Romantik, der sich gegen die strenge Formensprache des Klassizismus wandte und eine neue Auseinandersetzung mit den Werken Michelangelos begründete.
Zum wissenschaftlichen Erwerbungsbericht des Studienblattes von Théodore Géricault.