Von Mitteln und Mittlern
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Karikatur in 3D
Wenn man von der spitzen Feder als Waffe spricht, sind häufig Karikaturen gemeint. Mit Ironie und Übertreibung werden politische Gegner, gesellschaftliche Missstände entlarvt. Bei diesen Zeitgenossen aber haben wir es mit dreidimensionaler Karikatur zu tun!
Die richtige Mitte
Wer uns hier halslos, aber jovial angrinst, skeptisch mustert und missmutig beäugt, das sind die Herren des sogenannten „juste milieu“, der richtigen Mitte. Die Bezeichnung wurde vom selbsternannten französischen Bürgerkönig Louis-Philippe nach der Juli-Revolution 1830 als politisches Ideal ausgerufen. Die Regierenden sollten sich demnach den Bürger*innen verpflichtet fühlen und jenseits aller Extreme handeln. Diese vermeintliche Mitte, nämlich Männer aus Adel und Großbürgertum, also Stützen des königlichen Machtgerüsts, waren jedoch nicht allen französischen Mitbürger*innenn gleichermaßen sympathisch, was die Büsten eindrücklich unter Beweis stellen.
Sammlerobjekte als politisches Statement?
Honoré Daumier fertigte die Büsten ab 1832 auf Anregung von Charles Philipon, Verleger der Satirezeitschriften Le Charivari und La Caricature. Aber zu welchem Zweck? Als Sammlerstücke für liberal gesinnte Abonnent*innen, als politisches Statement? Mitnichten. Bis zu einer Werkschau 1878 wurden die Büsten nie öffentlich gezeigt, geschweige denn zum Erwerb angeboten. Viel zu groß war die Gefahr der Zensur.
Vorzeichnungen in 3D
Die Büsten sind vielmehr eine Art „Schnappschuss in Ton“, wie ein zeitgenössischer Kunstkritiker es ausdrückte. Ein festgehaltener Eindruck, um Daumier und seinen Kollegen als Vorlage für druckgraphische Umsetzungen zu dienen. Aus dem Gedächtnis sind sie nicht mit spitzer Feder, sondern spontan mit dem Holzspatel und vor allem mit kräftigen Daumen geformt worden. Als räumliche Entwürfe erlaubten sie das Studium des Lichteinfalls und der plastischen Ausgestaltung, wie sie für die späteren Abbildungen in den Zeitschriften charakteristisch sind. Es sind skulpturale Vorzeichnungen.
Kein Schauplatz von Idealisierung
Daumier nutzte auf damit das Medium völlig entgegengesetzt zu den meisten seiner Vorgänger*innen und Zeitgenoss*innen. Denn an den Kunstakademien war die Skulptur, in der Hierarchie der künstlerischen Gattungen ganz an der Spitze angesiedelt, ein Schauplatz von Idealisierung in glattpoliertem Marmor. So beispielsweise bei Thorvaldsens Hebe oder Massons Frauenbildnis. Wie anders, wie spontan, wie nah am Menschlich-Allzumenschlichen dagegen die Büsten Daumiers, die einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der modernen Plastik darstellen.