31. Okt. 2015 bis
31. Jan. 2016
Ich bin hier!
Von Rembrandt zum Selfie
Sechs Jahrhunderte Bilder des Selbst in unterschiedlichen Medien präsentierte das Kooperationsprojekt I AM HERE
Von Rembrandt
Dieses Werk in der Digitalen Sammlung entdecken
zum Selfie
Zu den großen Themen der europäischen Kunstgeschichte zählt das Selbstbildnis. Spätestens seit der Renaissance haben Künstler selbstbewusst ihr eigenes Bild kreiert, sich inszeniert und ihr Image konstruiert. Die Ausstellung Ich bin hier! präsentiert von Rembrandt zum Selfie eine spannende Auswahl an künstlerischen Selbst-Bildern aus sechs Jahrhunderten in unterschiedlichen Medien. Das Thema ist gleichzeitig hoch aktuell, denn in den Sozialen Netzwerken sind Selbstdarstellungen überaus beliebt.
Ich bin hier! zeigt die frühe Selbstvergewisserung des Künstlers in der Renaissance, die fulminante Zurschaustellungen im Barock, die empfindsame Subjektivität in den Bildern der Romantik, die zunehmend schonungslose Sicht auf das Selbst in der Moderne, schließlich die obsessive Befragung des Ich in den jüngeren Medien Fotografie und Video.
Facetten der französischen, britischen und deutschen Kunstproduktion werden dabei sichtbar, denn die rund 1oo Werke kommen aus drei bedeutenden europäischen Sammlungen, die sich gegenseitig ergänzen: dem Musée des Beaux-Arts in Lyon, den National Galleries of Scotland in Edinburgh und der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.
Die Ausstellung, die im Rahmen des von der EU geförderten Projektes Ich bin hier. Europäische Gesichter durchgeführt wird, versammelt Werke von Palma Vecchio, Gustave Courbet, Anselm Feuerbach, Ernst Ludwig Kirchner, Henri Matisse, Max Beckmann, Andy Warhol, Marina Abramović, Tracey Emin u. v. a. Die Schau wird im Anschluss nach Lyon und Edinburgh reisen.
Facing the World
Selbstporträts von Rembrandt bis Ai Weiwei
16.07.2016–16.10.2016, National Galleries of Scotland Edinburgh
Facing the World. Selbstporträts von Rembrandt bis Ai Weiwei in der Scottish National Portrait Gallery widmet sich der eindringlichen Faszination mit der Künstler über Jahrhunderte den Blick auf sich selbst gerichtet haben. Präsentiert wird ein weitreichender Blick auf Selbstporträts vom 16. Jahrhundert bis heute.
Facing the World zeigt Werke aus drei hervorragenden europäischen Sammlungen, der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, dem Musée des Beaux-Arts de Lyon und den National Galleries of Scotland. Die beeindruckende Auswahl umfasst 140 Werke aus sechs Jahrhunderten und bietet Einblick in die große Spannbreite der angewandten Techniken, darunter Zeichnung, Grafik, Malerei, Fotografie, Video und Social Media.
Eines der Highlights ist das einprägsame Selbstporträt von Rembrandt, das er im Alter von 51 Jahren schuf. Weitere spektakuläre Werke von Simon Vouet, Allan Ramsay, Hyacinthe Rigaud, David Wilkie, Gustave Courbet, Edvard Munch, Paul Klee, Andy Warhol, Marina Abramovic, Douglas Gordon, Sarah Lucas und Annie Lennox sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Auch erstklassige Selbstporträts von europäischen Künstlern, die dem britischen Publikum bis dato weniger bekannt sind, sind Teil der Ausstellung; darunter der italienische Futurist Gino Severini und der deutsche Expressionist Ernst Ludwig Kirchner.
In einer Zeit, in der Fragen von Identität und Selbstdarstellung omnipräsent sind, regt dieses ambitionierte internationale Projekt auf inspirierende Weise zum Nachdenken an. Facing the World lädt die Besucher*innen darüber hinaus ein, sich mit Hilfe einer interaktiven Installation zu porträtieren und damit zu einer Collage digitaler Selbstporträts beizutragen.
Autoportraits
Von Rembrandt zum Selfie
26. März – 26 Juni 2016, Musée des Beaux-Arts de Lyon
Das Selbstbildnis ist eine Kunstgattung für sich. Es vermittelt Informationen nicht nur über den Stil der jeweiligen Kunstepochen, sondern auch über die Persönlichkeit des Künstlers und dessen gesellschaftlichen und geschichtlichen Umfeld. Im digitalen Zeitalter ist der Rückblick auf die Tradition des Selbstbildnisses besonders aktuell, da in den letzten Jahren die weltweite Verbreitung der Smartphones zur Entstehung eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens geführt hat: nämlich der Aufnahme von Selfies.
Mehr als 130 Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotos, Plastiken und Videos aus der Zeit zwischen der Renaissance und dem 21. Jahrhundert werden in der Ausstellung gezeigt. Die meisten Werke entstammen den reichen Sammlungen der drei Partnermuseen, während andere Leihgaben von Lyoner Privatsammlern, dem ZKM Karlsruhe und dem Musée d’art contemporain de Lyon sind. Die Ausstellung hinterfragt die künstlerische Praxis, definiert die Typologie des Selbstporträts und unterstreicht die Besonderheiten dieser Kunstgattung. Sie zeigt die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten, von inszenierten Selbstbildnissen über die Darstellung der Künstler*innen in Werken anderer Gattungen bis hin zu bloßen Anspielungen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Produktion der deutschen, schottischen und Lyoner Kunstszenen.
Die Kapitel der Ausstellung
Die Ausstellung gliedert sich in fünf Kapitel (Der Blick des Künstlers – Der Künstler bei der Arbeit – Der Künstler und seine Familie – Der inszenierte Künstler – Der Körper des Künstlers), welche die Typologie des Selbstporträts und dessen Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte hinterfragen. Zur Ausstellung erscheint ein wissenschaftlicher Katalog in drei Sprachen (Deutsch, Französisch, Englisch).
Die Besucher*innen und ihre Selbstbildnisse
Parallel zur Ausstellung wurden verschiedene Angebote entwickelt, um das Publikum in das Projekt einzubeziehen. Besonders erwähnenswert ist die digitale Installation des ZKM, die als Abschluss eines Ausstellungsrundgangs die Besucher*innen dazu auffordert, Autoporträts zu knipsen. Die Bilder werden anschließend automatisch ausgewählt und zu einem riesigen Portrait zusammengefügt. Im Rahmen dieses Projekts können die Besucher sich sogar auf Internet und den sozialen Netzwerken an der Ausstellung noch weiter beteiligen.
Kunstprojekt FLICK_EU | Kooperation mit dem ZKM
FLICK_EU löst das demokratische Versprechen der neuen Medien ein: Alle Besucher sind eingeladen, Porträts von sich anzufertigen und sie sowohl im Museum als auch im Netz zu präsentieren. Als eine interaktive Plattform der Ausstellung macht FLICK_EU außerdem die europäische Dimension des Projektes sichtbar: Parallel zu den Ausstellungen in Karlsruhe, Lyon und Edinburgh formt sich sukzessive eine europäische Porträtgalerie. FLICK_EU ist ein Beitrag des ZKM zum Projekt Ich bin hier.
FLICK_EU
Peter Weibel (1944 Odessa), Matthias Gommel (1970 Leonberg)
FLICK_EU, 2007/2015
Interaktive Installation: Ein Fotoautomat, ein Computer, vier Monitore
Bei dem Projekt FLICK_EU werden die Besucher porträtiert und Teil der Ausstellung. Durch den Einwurf einer Münze in den Fotoautomaten wird das übliche Passfoto ausgeworfen. Dieses wird gleichzeitig digitalisiert und ins Internet gespeist. Von dort aus wird es auch in die Kunsthalle weitergeleitet, wo es entweder auf einem Bildschirm oder als Projektion gezeigt werden kann. Da es sich um digitale Daten handelt, kann das Porträt an mehreren Orten präsentiert werden.
Besucher der Ausstellung in Karlsruhe werden in Karlsruhe, Edinburgh und Lyon zu sehen sein. Der reale Besuch der Kunsthalle führt also auch zur virtuellen Präsenz in zwei anderen Museen. Das Projekt FLICK_EU ist eine künstlerische Reflexion der Funktion des Porträts im Zeitalter der digitalen Medien. Gleichzeitig erfüllt es die Bedingung einer Gemeinschaft, denn der Besucher ist virtuell auch in anderen Museen und Städten präsent. So bildet das Projekt ein Miniaturmodell der europäischen Gemeinschaft.
FLICK_EU MIRROR
Bernd Lintermann (1967 Düsseldorf), Joachim Tesch (1969 Münsingen)
FLICK_EU MIRROR
Interaktive Installation basierend auf der Installation FLICK_EU von Peter Weibel und Matthias Gommel
Eine andere Sicht auf die Gemeinschaft der FLICK_EU-Bürger zeigt die Installation FLICK_EU MIRROR. In einer Projektion sieht der Besucher ein live aufgenommenes Videobild vor sich, das sich verhält wie ein Spiegelbild von ihm selbst. Nach kurzer Zeit vergröbert sich das Videobild und der Betrachter erkennt, dass die einzelnen Bildpunkte Porträtbilder von Personen sind, die sich an FLICK_EU beteiligt haben. Das eigene Bild wird als ein Mosaik aus den Bildern vieler Personen aufgebaut. Die virtuelle Kamera fährt in hoher Vergrößerung über das eingefrorene Videobild und zeigt verschiedene Einzelbilder im Porträt. Unter Umständen sieht sich der Besucher selbst, wenn er sich kürzlich in FLICK_EU eindigitalisiert hat. Nach einigen Minuten wird wieder das Spiegelbild des Besuchers gezeigt, der als Individuum aus der Gemeinschaft aller entsteht.
Blogparade #selfierade
Die Kunsthalle hat gemeinsam mit den Kulturkonsorten in den sozialen Netzwerken zu einer Diskussion und #Blogparade über das Thema „Selfies“ eingeladen. Als Diskussionsgrundlage stellten wurde exklusiv ein Aufsatz aus dem Ausstellungskatalog zur Verfügung gestellt, der sich mit dem Thema „Selfies“ befasst und von dem Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich verfasst wurde. Zur Einstimmung auf die Ausstellung hatte die Kunsthalle fünf Initialposts, die das Thema breit öffnen sollten, bei fünf Bloggern angeregt. Daraus hat sich eine inspirierende, vielschichtige #Blogparade #Selfierade entwickelt, jeder konnte mitmachen.
YouTube Inhalte aktivieren
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Das Projekt
140 Werke von 100 Künstlerinnen und Künstlern aus sechs Jahrhunderten – ein variantenreiches Panorama von Selbst-Darstellungen in alten und neuen Medien, von der intimen Zeichnung bis zum Selfie im world wide web, von Palma Vecchio bis zu Ai Weiwei. Drei europäische Museen – das Musée des Beaux-Arts in Lyon, die National Galleries of Scotland in Edinburgh und die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe – tragen mit drei Stationen zu diesem trinationalen Kunstereignis bei. Das Projekt Ich bin hier. Europäische Gesichter wird von der EU als Teil des Programms Kreatives Europa der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur der Europäischen Kommission großzügig unterstützt. „Kreatives Europa“ ist das neue Programm der Europäischen Union für den Kultur- und Kreativsektor in Europa für die Laufzeit 2014 bis 2020.
Die Ausstellungen in Karlsruhe, Lyon und Edinburgh nähern sich dem Thema auf unterschiedliche Weise und tragen variierende Titel. Verschiedene kuratorische Sichtweisen auf die Werke und die notwendigerweise andersartigen räumlichen Gegebenheiten werden für die Besucher drei Lesarten der Ausstellung eröffnen.
Drei Partner in Karlsruhe, Lyon und Edinburgh zeigen die Wanderausstellung Ich bin hier!: drei Museen, die zu den frühen Gründungen ihrer jeweiligen Länder im 19. Jahrhundert zählen; alle drei Häuser sammeln spartenübergreifend Kunst von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart; alle besitzen Hauptwerke der europäischen Kunstgeschichte, aber auch weniger bekannte Werke von regional tätigen Künstlern und Künstlerinnen.
Musée des Beaux-Arts de Lyon
Das Musée des Beaux-Arts ist eines der größten französischen und europäischen Museen. Es liegt im Zentrum von Lyon zwischen den Flüssen Rhône und Saône und ist in einem prachtvollen Gebäude aus dem 17. Jahrhundert untergebracht. Seine auf 70 Räume verteilten Sammlungen bieten den Besucher*innen einen außergewöhnlichen Rundgang durch Antike und Moderne. Dank einer aktiven Ankaufspolitik, die sich insbesondere an Förderer – Amateure, Sammler oder Nachfahren von Künstler*innen – wendet, erweitert das Museum regelmäßig seine Schätze. Unser Museum ist ein Ort, in dem gelebt wird. 130 Personen arbeiten hier täglich, um Sie in unseren Sammlungen und bei Ausstellungen zu erwarten.
National Galleries of Scotland
Die National Galleries of Scotland in Edinburgh zählen zu den bedeutendsten Museumsverbünden Europas. Der Zusammenschluss umfasst drei Häuser mit unterschiedlichen Sammlungsprofilen: Die Scottish National Gallery mit ihrer herausragenden Kollektion europäischer Malerei von der Renaissance bis zum Postimpressionismus; die Scottish National Portrait Gallery mit einem dezidierten Sammelfokus auf schottischer Porträtmalerei und -fotografie, der es ermöglicht, die Geschichte des Landes anhand von Bildnissen und kulturgeschichtlichen Gegenständen nachzuvollziehen; die Scottish National Gallery of Modern Art, einer Galerie für schottische und internationale Kunst ab dem Jahr 1900, die sich durch einen besonderen Schwerpunkt im Bereich Dada und Surrealismus auszeichnet. Alle drei Museen sind in eigenen Gebäuden untergebracht und treten immer wieder durch international beachtete Ausstellungen hervor.
Welchen Beitrag leisten jeweils die Sammlungen aus Karlsruhe, Lyon und Edinburgh zu dem Projekt?
Dorit Schäfer, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe: Die Kunsthalle Karlsruhe ist in der Ausstellung mit wunderbaren niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts vertreten. Für die Zeit der Romantik können wir mit einigen herausragenden Selbstbildnissen aufwarten, die besonders durch Ihre Empfindsamkeit und Ausdrucksstärke beeindrucken, wie das Doppelporträt der Gebrüder Winterhalter oder Anselm Feuerbachs jugendliches Selbstbildnis. Schließlich sind aus der Neuen Sachlichkeit, für die Karlsruhe ein wichtiges Zentrum war, einige bedeutende Werke aus unserer Sammlung dabei. Künstler wie Georg Scholz, Wilhelm Schnarrenberger oder Karl Hubbuch beeindrucken durch die kühle Präzision ihrer Malerei und werden vor allem auf den Ausstellungsstationen in Lyon und Edinburgh ein neues Licht auf die noch viel zu wenig bekannte deutsche Kunst der Klassischen Moderne werfen.
Stéphane Paccoud, Museée des Beaux-Art de Lyon: Die Auswahl der Selbstporträts aus Lyon besteht hauptsächlich aus alter Kunst und der des 19. Jahrhunderts. Das Musée des Beaux-Arts de Lyon beherbergt eine der größten Sammlungen von Kunst aus dem 19. Jahrhundert in ganz Frankreich. Viele Künstler aus der Lyoner Schule (L’École de Lyon), eine der wichtigsten Schulen der Malerei im Frankreich des 19. Jahrhunderts, sind in der Ausstellung vertreten. So wurde zum Beispiel das Selbstporträt, das für das Poster der Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe ausgewählt wurde, von Louis Janmot gemalt. Er war ein Schüler von Ingres und im Jahr 1831, als er das Porträt malte, war er gerade mal 18 Jahre alt. Dieses Werk wurde kürzlich vom Musée des Beaux-Arts erworben und steht beispielhaft für die Lyoner Schule.
Imogen Gibbon, National Galleries of Scotland Edinburgh: Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Drucke, Kollagen und Skulpturen aus der Sammlung der National Galleries of Scotland (NGS) sind alle in der Ausstellung zu finden. Die früheste Arbeit geht auf das Jahr 1510 zurück und die aktuellste entstand im Jahr 2012. Um klar zu machen, wie groß die Bandbreite der gezeigten Arbeiten ist: das erstgenannte ist eine Kreidezeichnung von dem italienischen Künstler Palma Vecchio – er ist einer der innovativsten und originärsten Maler im Venedig des 16. Jahrhunderts. Das jüngste Werk ist von Angela Palmer und heißt Brain of the Artist (Das Hirn des Künstlers). Es handelt sich dabei um eine Skulptur, für die ein MRT-Scan der Künstlerin in sechszehn dünne Glasplatten eingraviert wurde, um ein dreidimensionales Bild zu erzeugen, das in einer Glaskammer schwimmt.
Welche besonderen Herausforderungen gab es bei der Durchführung dieses Projektes? Gab es Überraschungen?
Dorit Schäfer, Karlsruhe: Die internationale Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Edinburgh und Lyon war hochinteressant, da sich nicht nur die Sammlungen unterscheiden, sondern auch gelegentlich die Arbeits- und Sichtweisen. Besucher*innen der Ausstellung werden Künstlern begegnen, die hierzulande selten in Ausstellungen vertreten sind. So zum Beispiel dem unglaublich beeindruckenden Jugendporträt des französischen Nazareners Louis Janmot oder dem bizarren Selbstbildnis Jean Baptiste Frénets, der seinen Kopf auf den muskulösen Körper einer Aktfigur aus Michelangelos Sixtinischer Kapelle setzt. Die Ausstellung hat auch unseren Horizont im Bereich der zeitgenössischen britischen Kunst geweitet, die mit Gemälden von John Patrick Byrne, Ken Currie oder Alison Watt Positionen jenseits des bekannten Kanons der internationalen Gegenwartskunst zeigt.
Stéphane Paccoud, Lyon: Was wir als sehr aufregend erlebt haben, ist der professionelle Austausch mit unseren europäischen Partnern und die Erkundung von Arbeitsweisen, die diesem Projekt, das von drei Institutionen getragen wird, zu Grunde liegen. Durch den Vergleich unserer Arbeitstechniken und dem Austausch von Wissen in einem europäischen Rahmen kam es erst zu dieser Ausstellung – und darüber hinaus zur Entdeckung von weniger bekannten Künstlern aus den Sammlungen aller drei Museen. Entdeckungen, die wir bald mit unseren Besucher*innen teilen werden.
Imogen Gibbon, Edinburgh: Es war eine Herausforderung, die lange Liste der Selbstporträts in eine endgültige Liste zu überführen. Es gibt ca. 400 Selbstporträts in der Sammlung der NGS. Letztlich zeigen wir in der Ausstellung nur um die 50 Werke.
Die Besucher*innen in Karlsruhe, Lyon und Edinburgh sollen am Projekt partizipieren – warum ist das für diese Ausstellung wichtig?
Dorit Schäfer, Karlsruhe: Die Frage der Selbstdarstellung ist gerade in Zeiten des Selfies keine rein künstlerische Problemstellung mehr. Die direkte Einbeziehung der Besucher*innen durch Exponate in unserer Ausstellung erschien uns geradezu zwingend. So können die Besucher*innen beispielsweise mit den Installationen Flick_EU und Flick_EU Mirror selbst zu einem Teil der Ausstellung werden. Sie können sich mit Hilfe eines Fotoautomaten im Rahmen des Rundgangs porträtieren lassen und somit an allen drei Stationen selber zu einem Teil der Ausstellung werden. Dem interaktiven Projekt der Ausstellung liegt zugrunde, dass es die Rolle des Einzelnen, seinen Hang zur Selbstdarstellung und sein Verschwinden in der Masse der digitalen Bilder thematisiert. Die Bilderflut an fotografischen Selbstinszenierungen, die uns in sozialen Netzwerken geradezu überrollt, kann aber auch wiederum unser Auge für die besonderen Qualitäten der „historischen“ Selbstbildnisse schärfen.
Stéphane Paccoud, Lyon: Das Thema „Selbstporträt“ erfreut sich in unserer gegenwärtigen Kultur großer Beliebtheit – die Herstellung von Selfies wird zu einer zeitgenössischen Praxis. Die Ausstellung setzt dieses Konzept mit vergangen Epochen der Kunstgeschichte in Verbindung und wirft so ein neues Licht auf das Ich und seine visuelle Repräsentation. Die tatsächlichen Besucher*innen der Ausstellung und das virtuelle Publikum (online und/oder per Social Media) können teilnehmen, in dem sie entweder ihre eigenen Selfies oder Bilder schicken oder aber Teil der Installation werden, die das ZKM entwickelt hat. Diese aktive Teilnahme erweitert den Inhalt der Ausstellung und bereichert die Erfahrung für die anwesenden Besucher. Letztlich wird dadurch auch die persönliche Beziehung des Publikums mit den drei im Projekt involvierten Museen gestärkt.
Imogen Gibbon, Edinburgh: Das Selbstporträt lässt die Betrachtenden automatisch Fragen stellen. Da die Besucher*innen mit ihren selbst aufgenommenen Bildern an der Ausstellung teilnehmen, werden sie sich mit diesen Fragen beschäftigen und Antworten formulieren, wie es auch die Künstler*innen taten, die in der Ausstellung zu sehen sind. Selbstporträts sind fluide in dem Sinne, dass sie keinen Beschränkungen unterliegen: entstanden in der Antike, in der Renaissance gereift und heute wegen einer Vielzahl von Gründen geläufig. Hier gibt es für Besucher*innen aus drei verschiedenen Ländern eine Möglichkeit, sich selbst in einer neuen Stufe in der Entwicklung des Selbstporträts zu verorten und dabei ihre Beziehung zur Welt neu zu denken.
Kooperationspartner
Wir danken für die großzügige Unterstützung
Mehr erfahren über die Werke
Die folgenden Texte informieren kurz und knapp über die Highlights der Partnerausstellung.
Louis Janmot: Selbstporträt, 1832
Dieses im Alter von 18 Jahren erschaffene Selbstbildnis ist das früheste heute bekannte Werk von Louis Janmot. Es entstand kurz nach seinem Eintritt in der Ecole des Beaux-Arts in Lyon und wurde brachte ihm den Sieg in einem am Wettbewerb der Hochschule ein. Der junge Maler hält Palette und Pinsel so, als wolle er gerade jenes Bild in Angriff nehmen, das der Betrachter vor sich hat. Sein entschlossenes Gesicht verrät den großen Ehrgeiz, mit dem er die vor ihm liegende Karriere ins Auge fasst. Kennzeichnend für das Bild ist der durchdringende Blick, der auf den bei Romantikern beliebten Gedanken des aus sich selbst heraus schaffenden Künstlergenies zu verweisen scheint.
Annie Lennox, Allan Martin: Selbstporträt, 2003
Annie Lennox ist eine der bekanntesten britischen Singer-Songwriter, Aktivisten und sozial Engagierten und wurde als solche unzählige Male in Fotografien und Filmen porträtiert. Diese Fotografie steht im Zusammenhang mit dem Selbstporträt, das Lennox auf dem Cover von „Bare“ (2003), ihrem dritten Solo-Album, zeigt. Die beiden zeitlosen, geschlechtsneutralen und ethnisch unbestimmten Aufnahmen entstanden in Kooperation mit ihrem Freund, dem Grafiker Allan Martin. Bedeckt mit weißer Kreide oder Ton, erscheint Lennox statuenhaft und gespenstisch, die angeklebten Wimpern verdeutlichen die Künstlichkeit ihrer Darbietung, und das Band aus Tartanstoff verweist auf ihre schottische Herkunft.
Andy Warhol: Selbstporträt mit „Fright Wig“, 1986
Andy Warhol ist eine Ikone und sein Bildnis ist so legendär wie seine Kunst. Sein Äußeres beschäftigte ihn sein Leben lang und ab den frühen 1960er Jahren wurde die silberne Perücke fester Bestandteil seiner Identität. Nachdem er sich mit seinen Pop-Art-Bildern als erfolgreicher Künstler etabliert hatte, gewann das Selbstporträt in seinem Schaffen an Bedeutung. Seine Bildnisse aus den 1960er Jahren basieren auf Automatenfotos, die vergrößert, in Siebdrucke verwandelt und dann auf Leinwand übertragen wurden. Als er 20 Jahre später wieder mit Polaroid-Bildern arbeitete, entstand eine Serie, die ebenfalls in Malereien übertragen wurde.Diese vier Selbstporträts zeigen, welche Bedeutung das Rollenspiel, das Tragen unterschiedlicher Perücken und Make-ups für ihn hatte. Würde er noch leben, wäre er zweifellos der König des Selfie.
Anselm Feuerbach: Jugendliches Selbstbildnis, 1852/53
Hans Thoma: Selbstbildnis mit Amor und Tod, 1875
Simon Vouet: Selbstporträt, um 1626
Ernst Ludwig Kirchner: Der Maler (Selbstbildnis), 1920
Von Ernst Ludwig Kirchner sind zahlreiche Selbstbildnisse aus allen Schaffensphasen bekannt. Der Linolschnitt ist ein Beispiel für die stilpluralistische Phase, in der er unterschiedliche Einflüsse zu vereinen suchte. Er erinnert aufgrund der flächigen Vereinfachung an einen Scherenschnitt. Charakteristisch für diese Jahre sind die zart leuchtenden Aquarellfarben, die im Übereinanderdruck von Blau und Gelb grüne Partien ergeben. Kirchners farbige Grafiken sind meist nur in wenigen Abzügen erhalten: der Künstler wollte derenEinzigartigkeit betonen, da sie für ihn auf gleicher Stufe mit seinen Gemälden standen. – In den Jahren des Ersten Weltkriegs durchlebte Kirchner eine tiefe Krise. Angstzustände und Medikamentenabhängigkeit ließen in ihm die Furcht vor dem Verlust der eigenen Schöpferkraft aufsteigen, ein Trauma, das er auch zum Thema seiner Selbstdarstellungen machte. Das Gemälde zeigt ihn beim Malen in der engen Stube seines Hauses im Schweizerischen Davos, wohin er sich in der Hoffnung auf Genesung zurückgezogen hatte und bis zu seinem Freitod 1938 lebte.
Rembrandt Harmenszoon van Rijn: Selbstbildnis, um 1650
Nichts liegt näher, als die offensichtlich bedrückte Gemütslage auf die biografische Situation des Malers zu beziehen, der sich nach dem Tod seiner geliebten Frau Saskia (1642) in einer Lebens- und Schaffenskrise befand. Doch Rembrandt hatte nicht die Analyse des eigenen Ichs im Sinn. Vielmehr wollte er ein packendes und damit auch verkäufliches Bild malen. Selbstporträts waren im 17. Jahrhundert nicht privat. Nach Fertigstellung wurden sie rasch an vermögende Kunstfreunde verkauft. Rembrandts Selbstbildnisse zeigen gespielte Emotionen und auch seine Gewandung setzt ihn im Sinne einer Theaterrolle in Szene. Zu Recht gilt diese Selbstbildnis als ein Meisterwerk, an dem sich Rembrandts außergewöhnliche Maltechnik exemplarisch studieren lässt, die Zonen unterschiedlicher Ausarbeitung vereint: Während das Gesicht sehr genau und bei aller Pastosität fein durchmodelliert ist, macht der Mantel in seiner skizzenhaften Wiedergabe einen geradezu unfertigen Eindruck.
Gustave Courbet: Die Liebenden auf dem Land, Gefühle der Jugend (Die Glücklichen Liebenden), 1844
Von Gustave Courbet gibt es etwa 20 Selbstporträts aus der Zeit zwischen 1842 und 1855. Sie boten dem Künstler die Gelegenheit, sich in Szene zu setzen und ein bestimmtes Bild von sich zu konstruieren: zunächst noch im Fahrwasser der Romantik als einsames, verkanntes Genie, später als Provinzmaler, der sich nicht viel aus gesellschaftlichen Gepflogenheiten machte. Das vorliegende Selbstporträt zeigt den Maler in Gesellschaft seiner Lebensgefährtin Virginie Binet, die ihn 1852 verließ. Der Titel Die Liebenden auf dem Lande, den der Maler seinem Werk erst 1855 verlieh, wäre somit eine bewusste Anspielung auf sein vergangenes Glück.
Antoine Duclaux: Rast der Künstler am Ufer der Saône, 1824
Dieses Gemälde gilt als Hauptwerk von Antoine Duclaux. Es wurde 1824 im Pariser Salon ausgestellt und buchstäblich zum Manifest der jungen „Schule von Lyon“. Im Zentrum ist Duclauxs‘, mit einem Zylinder bekleideter, Mentor Fleury Richard zu sehen, der damals infolge einer Intrige seines Rivalen Pierre Révoil als Professor an der Lyoner Kunsthochschule entlassen worden war. Um ihn scharen seine erfolgreichsten Schüler – die von der Kunstkritik seit 1819 als solche bezeichnere „Schule von Lyon“. Von links nach rechts sind versammelt: der Bildhauer Jean François Legendre-Héral und die Maler Augustin Thierriat, Michel Genod, Anthelme Trimolet, Jean Marie Jacomin, Étienne Rey, Claude Bonnefond und Hector Reverchon.
Sarah Lucas: Selbstporträt mit Spiegeleiern, 1996
Sarah Lucas‘ Darstellungen von Männern und Frauen zeigen einen respektlosen Humor und ein umgangssprachliches Vokabular, die sexuelle Stereotypen und gängige Moralvorstellungen hinterfragen. In Selbstporträt mit Spiegeleiern nimmt sie eine provokative machohafte Pose ein. Die Eier auf ihrer Brust parodieren die geläufigen Konnotationen weiblicher (und männlicher) Geschlechtsmerkmale.
Jean Carriès: Der Krieger, 1881
Jean Carriès gehört zu den originellsten Bildhauern seiner Zeit. Er schuf mehrere Fantasiebüsten in historischen Gewändern. Im Krieger hat sich der Künstler vermutlich selbst dargestellt – in einer Art imaginärem Selbstporträt mit Rüstung und Helm. Das Werk verweist überdeutlich auf die spanische Kunst des 17. Jahrhunderts. Zugleich sind Helm und Rüstung vielleicht ein Verweis auf Rembrandts Inszenierungen und Requisiten. Durch diese Anspielungen, durch das Verwirrspiel der Selbstinszenierung und durch den melancholischen Blick verflüchtigt sich der Eindruck des Martialischen. Stattdessen tritt eine introspektive und meditative Grundstimmung hervor.
Vincenzo Campi: Die Ricotta-Esser, 1580
Von den Ricotta-Essern sind sechs weitere Fassungen bekannt, doch stammt diese wohl als einzige von Campi selbst. Dieser rückt sich als heiteren Philosophen ins Zentrum seiner Bildkomposition, in der einer nach dem anderen vom Lachen angesteckt zu werden scheint. Campi empfiehlt so, die Wonnen des Daseins zu genießen, ohne sich jedoch allzu viel davon zu versprechen. Die mit Löffeln in den Ricotta gehöhlten Löcher verleihen dem Käse das Aussehen eines Totenschädels, auf dem sich eine Fliege niedergelassen hat. Dieses traditionelle Motiv der Vanitas-Malerei ermahnt zu einem gedeihlichen Lebenswandel und erinnert an die Unausweichlichkeit des Todes.
Joseph Vivien: Selbstporträt mit Palette, um 1715–1720
Gestützt auf Zeichenmappe und Palette zeigt Vivien auf die Pinsel, die ihn als Historienmaler ausweisen. Der auf den Betrachter gerichtete Blick und das angedeutete Lächeln zeugen vom Stolz des Malers, der mit herausgestreckter Brust seine Entschlossenheit zur Schau stellt. Der in Paris ausgebildete Joseph Vivien war Hofmaler des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern. Zur Entstehungszeit dieses Gemäldes befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Im Hintergrund sieht man eine Vorarbeit zu seinem Meisterwerk Allegorie auf die Wiedervereinigung des Kurfürsten Maxi Emanuel von Bayern mit seiner Familie 1715. Das zwischen 1715 und 1733 erschaffene Monumentalgemälde (Staatsgalerie Schleißheim) erinnert an den Abschluss des Friedensvertrags von Rastatt am 7. März 1714.
Michel Dumas: Selbstporträt, ca. 1840
Michel Dumas gehört zu den zahlreichen Künstlern aus Lyon, die ihre Ausbildung im Atelier von Jean-Auguste-Dominique Ingres begonnen haben. Der Maler zeigt sich mit einer Ateliermütze, trägt jedoch elegante Garderobe, die man sich kaum als Arbeitskleidung vorstellen kann. Im Hintergrund ist die Rückseite eines Gemäldes zu sehen. Möglicherweise handelt es sich dabei um sein Erfolgswerk Abraham schickt Hagar fort (1838). Hierfür spricht unter anderem, dass der aus Lyon stammende Kunstsammler Lodoïx Monnier, Dumas‘ treuester Förderer, den Abraham kaufte und der erste Eigentümer dieses Selbstporträts war.
John Byrne: John Patrick Byrne, Selbstporträt in geblümter Jacke, 1971–1973
Das Selbstporträt des Künstlers und Autors ist eine Hommage an jenen Außenseiter, den John Byrne unter den modernen Malern am meisten bewunderte: den Vertreter der naiven Kunst Henri Rousseau. Entstanden im Anschluss an eine Amerikareise spiegelt es zugleich Byrnes Faszination für das Filmlicht Kaliforniens und die Flower-Power-Zeit wider. Die zahlreichen, sehr unterschiedlichen Selbstbildnisse, die der Künstler im Laufe seiner Karriere schuf, verweisen auf eine unbeständige und veränderliche Identität. Er zeigt sich in verschiedensten Gestalten, Verkleidungen, Mienen und Masken, Stimmungen und Umständen. Dabei findet sich sowohl Humoristisches als auch Tragisches.
Robert Henderson Blyth: Unsichere Existenz, 1946
Robert Henderson Blyth verbrachte während des Zweiten Weltkriegs vier Jahre als Sanitäter im Royal Army Medical Corps in Frankreich, Holland und Belgien. Die Erfahrungen dieser Zeit spiegeln sich in zahlreichen seiner Werke, die beherrscht sind von düsteren Vorahnungen und erstarrte Menschen inmitten von Verwüstung und Zerstörung zeigen. Auch dieses Selbstporträt zeigt ihn bedrängt von einer schneebedeckten, ungeordneten Landschaft. Die in sich zusammengesunkene Gestalt eines Mannes im Rücken, scheint der Dargestellte selbst wie erstarrt. Die leicht nach oben gewandten Augen von kühlem Blau bannen den Betrachter und zwingen ihn zur Auseinandersetzung.