Landline Green Black
Beschreibung
Sean Scullys Malerei war jahrzehntelang wesentlich von seinem urbanen Lebensumfeld geprägt. Seine Kompositionen aus gegeneinander gesetzten, senkrechten und waagrechten malerischen Rechtecken in Schwarz-, Weiß- und Grautönen sind Reflexe auf das geometrische Strukturdenken der Moderne, auf binäre Codes des digitalen Zeitalters und den Widerstreit zwischen Licht und Dunkel. Mit den so genannten Landlines, zu denen „Landline Green Black“ von 2020 gehört, führte Scully nach der Jahrtausendwende den Horizont wieder verstärkt in seine Malerei ein – und zwar in vielfacher Schichtung. Diese Horizonte stellen einen abstrakten, gleichwohl durch den Titel bekräftigten Bezug zu Landschaft her.
Die Landlines thematisieren das Aufeinandertreffen von Geländestreifen, Feldern, von Erde, Wasser und Himmel. Obschon Scully keine tiefenräumliche Staffelung komponiert, lassen die horizontalen Flächen die Assoziation von Ebenen und Weite zu. Gleichzeitig konzentriert Scully den Blick des Betrachtenden auf die Farbwerte und seinen großzügig bewegten, spontanen, agilen und temperamentvollen Umgang mit der Malmaterie. Vom unteren Farbbalken löst sich die Farbe tropfend, rinnt über das blanke Aluminium zum Plattenrand. Das Bild läuft buchstäblich aus. Hier bekennt es sich zu seinen Mitteln – und gleichwohl stellen sich auch hier Assoziationen ein: an Regentropfen vielleicht oder Tränen, daran, dass ein Bild aus einem flüssigen Stoff hergestellt wird, der gerinnt – und daran, dass alles fließt.
Kunsthalle x Jakob Schwerdtfeger
Zum Audiotranskript der Kunstsnackepisode zu Sean Scully.
Große Gefühle und gestreifte Pullover
Wie malt man Emotionen? In diesem Kunstsnack geht Jakob Schwerdtfeger dieser Frage auf den Grund und widmet sich dazu dem zeitgenössischen Werk Landline Green Black von Sean Scully. Es geht um innere Zerrissenheit, starken Ausdruck und wie man abstrakte Kunst am besten betrachten sollte.
Wie betrachten wir zeitgenössische Kunst?
„Zunächst wirkt das Bild sehr „simpel“, schwarze, graue und blaue Streifen, die waagerecht gegliedert sind, aber auf den zweiten Blick ist Landline Green Black echt deutlich vielschichtiger. Die Querstreifen sind nämlich nicht einfach einfarbig wie Stoffbahnen. Man kann die dicken Pinselstriche sehen, die Übermalungen, die leichte Vermischung mit anderen Farben. Scully betont hier das Malerische, seinen Ausdruck. Über den unteren weißen Streifen laufen dunkle Farbschlieren, als hätte man Graffiti im Regen gesprüht.“
Das Dazwischen der Gefühle
„Es gibt bei abstrakter Kunst nicht die eine richtige Lesweise nach dem Motto: Der Künstler hat das Bild blau gemalt, weil er traurig war. Ja, kann sein. Kann aber auch sein, dass er Käpt’n Blaubär Fan war. Abstrakte Kunst ist offener, unsere eigene Sichtweise ist hier gefragt. (…) Für Scully verkörpert die abstrakte Kunst tiefe Emotion. Und genau dafür ist Abstraktion super: Denn wie malt man Gefühle? Wie malt man Freude, Wut, Enttäuschung? Den Künstler interessieren vor allem die emotionalen Zwischentöne. Die breiten Streifen erinnern ein bisschen an Natur und Landschaften. Es könnten hintereinander gestaffelte Felder sein oder noch eher übereinander geschichtete Horizonte, wie der Titel schon nahe legt. Landline, also Landlinie – damit meint Scully die Horizontlinie zwischen Himmel und Meer. Die Landlinie ist irgendwie ein Dazwischen, ein Übergang, etwas schwer Greifbares. Und das ist ja genau das, was Scully reizt. Das Dazwischen der Gefühle.“
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Touren zu diesem Werk
Kunsthalle x Jakob Schwerdtfeger
500 Jahre Gegenwart
Daten und Fakten
Titel | Landline Green Black |
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Künstler*in | Sean Scully |
Entstehungszeit | 2020 |
Inventarnummer | 3044 |
Maße Bildträger | H 215,9 cm B 190,5 cm |
Material | Aluminium |
Technik | Ölfarbe |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
Diese Schichtungs-Struktur von Horizontalen taucht auch in Sean Scullys bildhauerischem Werk auf. Er addiert unter anderem aus Eisenbahnschwellen, filzumhüllten Aluminiumkörpern oder Murano-Glas-Elementen eskalierende Plastiken.
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Kunsthalle@ZKM. Ein neuer Blick auf die Sammlung
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