Wilhelm Gustav Friedrich Hasemann - Schwarzwälder Spinnstube
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Schwarzwälder Spinnstube

Wilhelm Gustav Friedrich Hasemann

Maße:
H 119,0 cm  B 152,5 cm  
Jahr:
1901
Ort:
nicht ausgestellt

Beschreibung

Das Schwarzwaldhaus ist erfüllt vom rhythmischen Surren der Spinnräder, unterbrochen von wenigen Stimmen. Ein Mann und eine junge Frau tauschen flirtende Blicke und Worte, während vier weitere Frauen leise lächelnd auf ihre Arbeit blicken. Sie gehören unterschiedlichen Generationen an und zeigen doch großes Einvernehmen: in ihren Schwarzwälder Trachten, in ihrer Hingabe an die handwerkliche Tätigkeit und in ihrer wohlwollenden Beobachtung der Liebelei. Wilhelm Hasemann malte diese idyllische Szene 1901 mit Freude am Detail. Das Bild vermittelt ein zeitloses Landleben, in dem das Spinnrad die moderne Textilindustrie vergessen lässt. Doch schon damals gehörte das gemeinsame Spinnen nicht mehr zum Alltag.

Stattdessen erfüllte das Gemälde die romantische Sehnsucht eines städtischen Publikums nach bäuerlicher Einfachheit. In Zeiten sozialer Unruhe wirkte nicht nur die vermeintliche Natürlichkeit und Einfachheit, sondern auch die dargestellte gesellschaftliche Ordnung auf viele faszinierend. Die festliche Tracht der Frauen, wie sie etwa sonntags zum Kirchgang üblich war, täuscht über jegliche Mühsal hinweg.

Hasemann, gebürtig aus Mühlberg an der Elbe, war erstmals 1880 nach Gutach im Schwarzwald gekommen. Ein Auftrag zur Illustration von Berthold Auerbachs Novelle Die Frau Professorin führte ihn in die Wiege des berühmten Bollenhuts, wo er sich schließlich niederließ. Hasemann gründete eine Malerkolonie und prägte das heute weltbekannte Bild des Schwarzwalds entscheidend mit. Zusammen mit seiner Frau Luise engagierte er sich für die Kultur Gutachs. Sie förderten das Brauchtum und die Trachtenkultur, organisierten Handarbeitstreffen und trugen zur lebendigen Tradition des Spinnens bei. Für die Schwarzwälder Spinnstube konnte Hasemann auf erfahrene Modelle und fotografische Aufnahmen zurückgreifen. Das Gemälde selbst entstand in seinem Atelier, dessen Fenster sich in der dargestellten Stube wiederfinden.

Hans Thoma als Museumsdirektor

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Schwarzwald Romantik

Das Schwarzwaldhaus ist erfüllt von einem Geräusch, dem rhythmischen Surren der Spinnräder, durch das wenige Stimmen dringen. 

Ein Mann und eine junge Frau werfen einander durch den Raum einen flirtenden Blick zu, sie wechseln offenbar ein paar freundliche Worte. Währenddessen blicken alle vier anderen Frauen leise lächelnd auf ihre Arbeit.

Sie gehören unterschiedlichen Generationen an und zeigen doch großes Einvernehmen: in ihren Schwarzwälder Trachten, in ihrer Hingabe an die handwerkliche Tätigkeit und in ihrer wohlwollenden Beobachtung der Liebelei.

Das Gemälde zeigt mehrere Leute vor einer Kirche stehend. Daneben sitzen zwei Frauen auf einer Wiese, eine davon lesend.

Der schöne Schein

Mit viel Freude am Detail hat der Maler Wilhelm Hasemann im Jahr 1901 diese idyllische Szenerie entworfen. Als quasi zeitlos wird das Leben auf dem Land vermittelt, wenn auf diesem Bild das Spinnrad den Siegeszug der modernen Textilindustrie europäischer Städte vergessen macht.

Doch auch im tiefsten Schwarzwald entsprach das gemeinsame Flachsspinnen um die Jahrhundertwende nicht mehr der typischen Lebensrealität von Frauen. Vielmehr bediente dieses Gemälde eine romantische Sehnsucht nach dem bäuerlichen Leben beim bürgerlichen Publikum aus der Stadt.

In Zeiten sozialer Unruhe wirkte nicht nur die vermeintliche Natürlichkeit und Einfachheit, sondern auch die dargestellte gesellschaftliche Ordnung auf viele faszinierend. Die festliche Tracht der Frauen, wie sie etwa sonntags zum Kirchgang üblich war, täuscht über jegliche Mühsal hinweg.

Das Foto zeigt einen roten Bollenhut.

Heimatliebe

Hasemann selbst war im brandenburgischen Mühlberg an der Elbe aufgewachsen und hatte dort ein paar Jahre in den Werkstätten seines Vaters, eines Mechanikers, gearbeitet. Doch entschloss er sich zu einem Kunststudium, das ihn nach Stationen in Berlin und Dresden auch an die Großherzoglich Badische Kunstschule nach Karlsruhe führte.

Ein Zufall, nämlich der Auftrag der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung zur Illustration von Berthold Auerbachs Novelle Die Frau Professorin, lenkte seine Schritte 1880 erstmals nach Gutach im Schwarzwald. Die Wiege des berühmten Schwarzwälder Bollenhuts sollte auch seine neue Heimat werden, wo er weite Teile seines Lebens verbrachte und eine Malerkolonie gründete.

Dadurch prägte der zugezogene Künstler in entscheidender Weise das noch heute international vorherrschende Bild des Schwarzwalds und seiner Bevölkerung.

Das Ehepaar Wilhelm und Luise Hasemann griff zudem fördernd in die Kultur der kleinen Gemeinde Gutach ein, um das lokale Brauchtum und die Pflege der Trachtenkultur lebendig zu halten. Luise war Mitglied im Trachtenverein und erlernte sogar das Spinnen. Zudem veranstaltete sie mit ihrem Frauenverein gemeinsame Handarbeitstreffen an langen Winterabenden – ähnlich wie dieses Gemälde es demonstriert.

Für seine Schwarzwälder Spinnstube konnte der Maler also auf ein kundiges Modell zurückgreifen. Zusätzlich bediente er sich fotografischer Aufnahmen der ganzen Gruppe wie auch einzelner Figuren, um nicht das große Gemälde vor Ort im Bauernhaus fertigstellen zu müssen. Stattdessen entstand es in seinem Atelier, dessen Fenster sich in der Schwarzwälder Spinnstube wiederentdecken lassen.

Verwandte Seelen

Auch die Großherzogin Luise von Baden war eine Unterstützerin der Schwarzwaldkultur, sodass Hasemann auf Erfolg hoffen konnte, als er das Gemälde im Jahr 1902 den königlichen Hoheiten zum Kauf anbot. Zudem war das ein guter Zeitpunkt, denn in jenem Jahr – dem 50-jährigen Thronjubiläum des badischen Großherzogs Friedrich I. – waren die königlichen Hoheiten gegenüber der Kunst ausgesprochen spendabel.

Rasch wurde Hasemanns Brief positiv beantwortet und das Werk für den stattlichen Preis von 6.000 Mark für die Großherzogliche Gemäldegalerie, die heutige Kunsthalle Karlsruhe, erworben. Hinter dieser Entscheidung steckte jedoch nicht allein der Kunstgeschmack am badischen Hof, sondern auch die Wertschätzung des Galeriedirektors Hans Thoma. In Motivik und künstlerischer Auffassung begriff Thoma, ein gebürtiger Schwarzwälder, Hasemann als verwandte Künstlerseele, die er nur zu gern förderte.

Touren zu diesem Werk

A picture of several people in a spinning shop sitting on spinning wheels spinning the wool.

Hans Thoma the museum director


This tour looks at six selected paintings that came into the Kunsthalle collection in very different ways while Hans Thoma was the Gallery director.
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Ein Bild mehrerer Personen, die sich in einer Spinnstube befinden. Sie sitzen an Spinnrädern und spinnen die Wolle.

Hans Thoma als Museumsdirektor


In dieser Tour können ausgewählte Gemälde entdeckt werden, die unter dem Direktorat Hans Thomas in die Sammlung kamen.
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Daten und Fakten

Titel Schwarzwälder Spinnstube
Künstler*in Wilhelm Gustav Friedrich Hasemann
Entstehungszeit 1901
Inventarnummer 969
Maße Bildträger H 119,0 cm  B 152,5 cm  
Maße Rahmen H 167,0 cm  B 200,0 cm  T 18,5 cm  
Material Leinwand
Technik Ölfarbe
Gattung Gemälde
Abteilung Neue Malerei (nach 1800)
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