Charles Cottet (1863) - Trauer
Maße:
H 72,0 cm  B 91,0 cm  
Jahr:
1892
Ort:
nicht ausgestellt

Beschreibung

Das Gemälde steht am Beginn einer Reihe von Arbeiten des französischen Malers Charles Cottet über Trauer. Leise und feinsinnig erzählt es von dem Schicksalsschlag, den eine Mutter und ihre noch junge Tochter durchstehen. Beide sind in sich gekehrt, still, ohne Blickkontakt, aber ihre Nähe zueinander ist spürbar. Cottet hat die Frauen in ihrer schwarzen bretonischen Tracht kompakt als Dreiecksform arrangiert. Das Taschentuch setzt einen kleinen hellen Akzent. Die Szene öffnet sich zur Küste, wo Fischerboote im ruhigen Wasser fahren. Der Himmel ist verhangen, die Nacht senkt sich. Der Ehemann und Vater kehrt offenbar nicht zurück. Die Gewässer des französischen Finistère, wo das Bild entstand, galten tatsächlich als gefährlich und wurden vielen Fischern zum Grab.

Cottet hat weniger das Bild einer konkreten Familie als vielmehr ein allgemeines Sinnbild für Verlust geschaffen. Fischer ziehen Generation für Generation aufs Meer, das Gefahren birgt und doch wirtschaftlich essenziell ist. Die beiden Bildebenen – die trauernden Frauen und die weite Küstenlandschaft – greifen zentrale Themen auf: Tod, Leben, Zuneigung, Einsamkeit, Drastik, aber auch Stärke und Gefasstheit. Religiöser Trost oder gar Erlösung spielen keine Rolle, das Diesseits steht im Fokus. Die dunklen Töne des Gemäldes sind nicht nur dem Thema geschuldet, sondern durchaus typisch für Cottet, der sich zeitweilig der Künstlergruppe der »Nabis« angeschlossen hatte. Deren Farbpalette war dunkler als diejenige der Impressionisten.

Unter dem Titel Trauer – Sonnenuntergang im Seehafen wurde das Gemälde 1902, zehn Jahre nach seiner Entstehung, in Karlsruhe ausgestellt. Anlass war die Jubiläumsausstellung zum 50. Thronjubiläum von Großherzog Friedrich von Baden. Die Schau umfasste zeitgenössische Kunst aus Deutschland, Belgien, England und Frankreich. Ein eigens errichteter Pavillon beherbergte Werke verschiedener Gattungen, wobei badische Künstler fast ein Drittel des Raums einnahmen. Die Auswahl der Werke lag beim Zentralkomitee unter Leitung von Ludwig Dill und Hans Thoma, damals Direktor der Großherzoglichen Galerie. Thoma, der selbst um seine 1901 verstorbene Frau Cella trauerte, erwarb Cottets symbolistisches Gemälde für die Sammlung der Großherzoglichen Galerie für 3.000 Mark. Es gehört zu den wenigen französischen Werken, die während seiner Amtszeit gekauft wurden.

Hans Thoma als Museumsdirektor

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In Trauer vereint

Leise und feinsinnig erzählt dieses Gemälde eine traurige Geschichte: eine junge Frau und ein kleines, vielleicht sieben Jahre altes Mädchen halten sich gegenseitig im Arm.

Beide sind in sich gekehrt, ganz still, die Blicke begegnen einander nicht, jede ist mit ihrem Gefühl erst einmal alleine. Aber man spürt, wie sehr sie die Nähe zueinander suchen.

Seemannstod

Der französische Maler Charles Cottet hat beide Frauen in einer schwarzen bretonischen Tracht dargestellt und als kompakte Dreiecksform arrangiert. Sie geben einander Halt, wohl auch im übertragenen Sinn.

Hinter ihnen weitet sich die Szene und man sieht eine raue Küstenlandschaft mit ausfahrenden oder ankommenden Fischerbooten. Die See ist ganz ruhig, der Himmel etwas verhangen, die Nacht senkt sich über die Bucht. Offenbar ist der Ehemann beziehungsweise Vater nicht vom Fischen zurückgekehrt, ein Taschentuch steht für die Tränen der Hinterbliebenen.

Die Gewässer rund um die Inseln des Finistère, wo das Bild entstanden ist, galten als gefährlich und wurden für viele Fischer zum Grab. Das Gemälde steht am Anfang einer langen Werkreihe zum Thema Trauer. Der als feinfühlig beschriebene Maler Cottet hat hier weniger eine konkrete Familie dargestellt als vielmehr ein Sinnbild für Trauer im Allgemeinen.

Wie in einem ewigen Kreislauf stechen die Fischer Generation um Generation in See, die Gefahren birgt und von der sie ökonomisch abhängig sind. Die beiden Bildebenen in Kombination thematisieren all das, was zur Trauer dazugehört: den Tod, aber auch das Leben, die Zuneigung, die Einsamkeit, die Drastik, aber auch die Gefasstheit und Stärke.

Religiosität spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Der Maler schließt nicht aus, dass die Trauernden eine Verbundenheit zu Gott empfinden. Aber er hat das Bild nicht so angelegt, dass man ein deutliches Symbol des Göttlichen als Zeichen des Trosts im Jenseits finden könnte. Das Diesseits steht im Vordergrund. Wenn die Hinterbliebenen auch nicht wehklagen, so wird doch angedeutet, wie beschwerlich das Leben für die kleine Fischerfamilie fortan sein wird.

Das Gebäude der Jubiläumskunstausstellung in Karlsruhe.

Thoma und Trauer

Unter dem Doppeltitel Trauer – Sonnenuntergang im Seehafen war das anrührende Gemälde im Jahr 1902, also zehn Jahre nach seiner Entstehung, in Karlsruhe zu sehen. Denn anlässlich des 50-jährigen Thronjubiläums von Großherzog Friedrich von Baden wurde auf dem Festplatz eine große Jubiläums-Ausstellung gezeigt.

Ein eigens dafür geschaffener Pavillon mit kirchlich anmutendem Grundriss beherbergte zeitgenössische Malerei, Grafik, Plastik und Kunsthandwerk insbesondere aus Deutschland, wobei die Kunst aus Baden fast ein Drittel des Raums einnahmen.

Kleinere Sektionen widmeten sich europäischen Entwicklungen mit Schwerpunkten in Belgien, England und Frankreich. Die Auswahl der Künstler und Künstlerinnen oblag einem Zentralkomitee unter Vorsitz des Akademieprofessors und Malers Ludwig Dill. Zweiter Präsident war sein Kollege und amtierender Direktor der Großherzoglichen Galerie, Hans Thoma, dessen künstlerischem Schaffen das Publikum in einem eigenen kleinen Saal begegnen durfte.

Auf dieser Jubiläumsausstellung konnte Thoma mit einem bemerkenswert hohen Etat Erwerbungen für die Großherzogliche Galerie tätigen. Aus dem mittleren Preissegment kaufte er für 3.000 Mark u.a. Cottets symbolistisches Gemälde, das Thoma nicht nur nach künstlerischen Gesichtspunkten schätzte.

Das Gemälde zeigt eine Frau in einer Hängematte, der ein Kind auf der Brust sitzt.

Thoma selbst befand sich in tiefer Trauer um seine im Jahr zuvor verstorbene langjährige Ehefrau und künstlerische Weggefährtin Cella. Cottets Gemälde gehört zu den wenigen französischen Erwerbungen in Thomas Amtszeit, wobei diese Zurückhaltung nach dem deutsch-französischen Krieg überwiegend politischer Rücksichtnahme geschuldet war. Für Thomas eigene Entwicklung als noch junger Künstler war seine Reise nach Paris von nachhaltigem Einfluss gewesen.

Weitere digitale Angebote zu „Trauer“ von Charles Cottet

Logo des Kunsthallen-Podcasts Kunstcouch, auf dem der Schriftzug Kunstcouch zu lesen ist. Darunter sitzen die Hosts Umut Özdemir und Jaqueline Scheiber, im Hintergrund das Gemälde Verbrechen aus Leidenschaft von Robert Delaunay.

Das Werk im Podcast Kunstcouch

Episode 4: Trauer – Zwischen Tod und Leben

Wie gelingt der Umgang mit Verlust? Kann man richtig oder falsch trauern? Und ab wann sollte man sich Sorgen um Trauernde machen? Auf der Kunstcouch sprechen Autorin Jaqueline Scheiber und Psychotherapeut Umut Özdemir über Trauer. Dabei schauen sie auf drei Kunstwerke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, die sich diesem Thema widmen und geben sowohl fachliche als auch persönliche Impulse. Unter anderem geht es in dieser Folge auch um das Gemälde Trauer von Charles Cottet.

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Touren zu diesem Werk

A picture of several people in a spinning shop sitting on spinning wheels spinning the wool.

Hans Thoma the museum director


This tour looks at six selected paintings that came into the Kunsthalle collection in very different ways while Hans Thoma was the Gallery director.
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Ein Bild mehrerer Personen, die sich in einer Spinnstube befinden. Sie sitzen an Spinnrädern und spinnen die Wolle.

Hans Thoma als Museumsdirektor


In dieser Tour können ausgewählte Gemälde entdeckt werden, die unter dem Direktorat Hans Thomas in die Sammlung kamen.
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Daten und Fakten

Titel Trauer
Künstler*in Charles Cottet (1863)
Entstehungszeit 1892
Inventarnummer 992
Maße Bildträger H 72,0 cm  B 91,0 cm  
Maße Rahmen H 87,5 cm  B 106,7 cm  T 6,0 cm  
Material Leinwand
Technik Ölfarbe
Gattung Gemälde
Abteilung Neue Malerei (nach 1800)
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