Im Paradies
Hans Thoma als Künstler
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Reizvolles Motiv
Thoma nahm sich das Thema „Paradies“ zwischen 1876 und 1901 immer wieder vor und variierte es in fünf Fassungen.
Dabei wählte er jeweils andere Aspekte der biblischen Vorlage und suchte nach unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksmitteln. Thoma gestaltete außerdem noch Werke mit vertiefendem Interesse für die Figuren von Adam und Eva.
„Paradiesische“ Zustände
Das hier gezeigte Gemälde der Kunsthalle Karlsruhe stellt wie die erste Fassung der Paradies-Bilder den sogenannten „Tierfrieden“ dar, der auf zwei Schriftquellen beruht.
Einerseits wird er am Anfang der Bibel in der Schöpfungsgeschichte beschrieben. Dort wird erzählt, wie die Welt in sechs Tagen von Gott erschaffen worden ist. Nachdem auch die Pflanzen und Tiere auf der Welt sind, wird die Schöpfung am sechsten Tag mit der Bildung der ersten Menschen vollendet, nämlich Adam (hebräisch für „Mensch“) und Eva, als Stammeltern der Menschheit.
Die zweite Quelle, auf der der „Tierfrieden“ beruht, ist die Überlieferung der Gottesbotschaften des Propheten Jesaja, die ebenfalls in der Bibel zu finden sind. Jesaja verkündet, wie das kommende Reich Gottes aussehen wird. Er beschreibt es als ein „Friedensreich“ für alle Tiere.
Raub- und Beutetiere werden friedlich zusammenleben und sich nur von Pflanzen ernähren. Jesaja nennt diese Tiere paarweise: „Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten. Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind“.
Welt ohne Sünde
Auf Thomas Bild hat die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies demnach noch nicht stattgefunden. Der Künstler zeigt die Welt ohne Sünde, in Harmonie und lebendiger Vollkommenheit.
Entsprechend dem Buch des Propheten Jesaja stellt er natürliche Fressfeinde in Eintracht dar und ordnet die Tiere in der hinteren, in Grüntönen harmonisierten Landschaftskulisse paarweise an. Sogar die Flüsse erscheinen zu zweit.
Die Paare stellen gleichzeitig verschiedene Bewegungsformen und Bezüge zu unterschiedlichen Naturelementen vor.
Im Vordergrund rahmen ebenfalls paarweise Baumgruppen die zentriert angeordneten Figuren von Adam und Eva, die von exemplarisch ausgewählten Jagd- und Beutetieren umgeben sind.
Wie schon in der ersten Version des Bildes von 1876 wird Adam auch hier in Schrittstellung gezeigt, Eva dagegen in klassischer Ponderation, das heißt in einer das Körpergewicht ausgleichenden, ruhenden Standhaltung.
Idealisiert durch Verfremdung
Doch trotz der naturnahen Darstellung wirkt das Bild auf eigenartige Weise künstlich, auf wenige wesentliche Elemente reduziert und unnahbar. Erklärung dafür bietet der biografische Hintergrund Thomas und der zeitliche Zusammenhang, in dem Thoma das Bild anfertigte.
Thoma als gläubiger Christ scheint das Thema des Paradieses besonders wichtig gewesen zu sein. Aber nicht nur in der Bibel, sondern auch in der Natur seiner heimatlichen Umgebung fand er religiöse Inspiration.
Die Idee einer ihm vertrauten wasserspendenden Gebirgslandschaft nutzte er auch für den Hintergrund seiner biblischen Darstellung.
Er nahm sich jedoch die Freiheit, dort hinein auch Wesen zu setzen, die nicht aus dem mitteleuropäischen Klima kommen, wie den Löwen oder den exotischen roten Vogel. Damit griff er zu einem Mittel der Verfremdung, das zu dem beschriebenen Effekt beiträgt.
Auch bei der Darstellung der menschlichen Figuren löste sich Thoma von der Wirklichkeit. Seine jungen ersten Menschen haben kaum bestimmte individuelle Merkmale. Wie auch die Tiere stellen sie eher Repräsentant*innen ihrer Spezies dar. Der männliche und weibliche Mensch sollen sich auf seinem Bild in idealer, auch im Sinne von urbildlicher und überzeitlicher, Existenz in einer für Thoma vollkommenen Natur befinden.
Die den Geschlechtern subtil zugeeigneten Rollen werfen für uns heute Fragen auf. Für Thoma entscheidend war jedoch, dass nicht die Wirklichkeit der Maßstab für die Rezeption seiner Kunst sein sollte, sondern die Glaubhaftigkeit seiner künstlerischen Äußerung.
Das unabhängige Kunstwerk
Hier zeigte sich, dass Thoma phasenweise unter dem Einfluss der späten sogenannten Deutschrömer stand, zu denen er in den frühen 1870er-Jahren in Kontakt kam. Dazu zählten die Maler Arnold Böcklin und Hans von Marées, aber auch der Bildhauer Adolf von Hildebrand.
Letztere wurden von dem Kunsttheoretiker Konrad Fiedler, der eine später in die Nationalgalerie Berlin übernommene Version von Adam und Eva erwarb, gefördert und von seinen Ideen der Autonomie und Eigengesetzlichkeit des Kunstwerks geprägt. Ihnen gemeinsam war eine Abkehr von den wirklichkeitsorientierten Kunstrichtungen des Realismus und des Impressionismus.
Mit dem Vorbild der klassischen Antike, die ihre Bezugsorte auch in Italien hatte, wollten sie mit ihrer Phantasie eigene Vorstellungswelten mit eigenen Ausdrucksmöglichkeiten erschaffen. Nicht die sinnliche Wirklichkeit sollte alleiniges Vorbild sein, sondern die Gedanken, die sich die Künstler*innen von ihr machten.
Dies kennzeichnete den sogenannten Symbolismus, eine Kunstströmung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die Formensprache der Künstler*innen dafür war jedoch noch nicht die des viel späteren Surrealismus oder der reinen Abstraktion. Sie arbeiteten aber bereits mit Formen der Idealisierung und einer Allgemeingültigkeit der künstlerischen Aussage, die die Künstler*innen selbst für sich und ihre Werke bestimmten.
Touren zu diesem Werk
Hans Thoma als Künstler
Daten und Fakten
Titel | Im Paradies |
---|---|
Künstler*in | Hans Thoma |
Entstehungszeit | 1891 |
Inventarnummer | 1293 |
Maße Bildträger | H 98,8 cm B 75,2 cm T 2,4 cm |
Maße Rahmen | H 122,3 cm B 98,2 cm T 7,0 cm |
Material | Pappe |
Technik | Ölfarbe |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
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