
Raufende Buben
Beschreibung
1872 stellte Hans Thoma sein neues Werk Raufende Buben im Münchener Kunstverein aus. Thoma hatte zu dem Zeitpunkt schon längst sein Studium in Karlsruhe beendet, eine Zeit lang in Paris gelebt und war schließlich in die für Künstler hochattraktive Stadt München gezogen. In Paris hatten ihn die Werke von Gustave Courbet und der Künstler von Barbizon sehr beeindruckt. Diese Künstler interessierten sich für eine realistische Darstellung der Natur, nicht eine idealisierende. Die Darstellung der Raufenden Buben in einer Art Großaufnahme steht unter dem Eindruck dieser Kunstauffassung. Manche Zeitgenoss*innen empfanden es als eine Zumutung, dass Thoma eine solche Szene für bildwürdig hielt und die Rohheit der Kinder als Thema gewählt hatte.
Die Entstehungsgeschichte des Bildes ist in Aussagen Thomas überliefert. Demnach schufen er und sein jüngerer Künstlerkollege Wilhelm Trübner parallel ein Bild zu demselben Thema in Thomas Atelier. Thoma erzählte: »Trübner hatte damals grad kein Atelier, da es ihm vor dem Sommer nicht mehr lohnte, noch eins zu nehmen. Ich lud ihn ein, bei mir zu malen, da ich ein großes hatte und wir befreundet waren. Er stand da und ich dort, und jeder malte. Er hatte eine Anzahl Buben bei sich; die machten solchen Lärm, daß ich auch anfing, sie zu malen. Nach zwei Tagen brachte er noch mehr mit. Ich hatte die zwei am Boden Liegenden fertig. Es reizte mich, weil er es machte; ich klebte noch einen Streifen oben an mein Bild hin – man sieht’s noch – und malte noch mehr Buben drauf, und so ist dann das Bild entstanden.« Trübners Bild Balgende Buben befindet sich heute im Landesmuseum Hannover.
Es dauerte einige Jahre, bis solche Bilder mit einer realistischen Darstellungsweise und Themen aus dem Alltagsleben in weiteren Kreisen Anerkennung fanden. Und so änderte sich auch die Wahrnehmung der Raufenden Buben . Schienen sie den ersten Besuchenden als zu realistisch, wurden sie 40 Jahre später als zu wenig natürlich empfunden. Auch heute noch wird vielfach in diese Richtung argumentiert. Die raufenden Jungen sind so gezielt in Szene gesetzt, dass auf diesem Bild nicht die Naturnachahmung, sondern die Komposition die Wahrnehmung bestimmt. Auffällig ist eine Art Drehmoment in der Bewegung der Gruppe, angefangen mit dem aus dem Bild herausblickenden Kind im Zentrum bis zu dem am Boden liegenden Jungen.
Thoma schenkte dieses Gemälde zusammen mit einem weiteren Bild 1907 der Kunsthalle Karlsruhe.
Hans Thoma als Künstler
0:00
0:00
Zwei Künstler, ein Thema
1872 waren im Münchner Kunstverein die neuesten Bilder zweier Künstler ausgestellt, die beide dasselbe Thema gewählt hatten: raufende Buben. Die beiden Künstler waren Hans Thoma und der gut elf Jahre jüngere Wilhelm Trübner.
Geschmacksfrage
Manche Zeitgenoss*innen empfanden es als eine Zumutung, dass Thoma und Trübner eine solche Szene für bildwürdig hielten und die Rohheit der Kinder als Thema gewählt hatten, so auch ein Rezensent der Ausstellung des Münchener Kunstvereins:
„In derselben Ausstellung befindet sich auch je ein Bild zweier jungen, dem äußersten Realismus huldigenden Künstler, die in ihrem Streben nach Naturwahrheit sogar noch über Courbet’s Richtung hinausgehen. […] Der bedeutendere unter ihnen, Hans Thoma, dessen Name allmälig berühmt zu werden anfängt, pflegt doch wenigstens die Häßlichkeit nicht um ihrer selbst willen, und erreicht […] durch eine große Schlichtheit in Auffassung und Farbe, stets einen gewissen Effekt. Dagegen überschreitet das Bild Trübner’s, der ihn stets noch in Originalität und in der principiellen Ausschließung des Schönen übertreffen will, weit die Grenzen des guten Geschmackes.“
Eindrückliche Begegnungen
Hans Thoma hatte zu dem Zeitpunkt, als diese wenig schmeichelnde Kritik über eines seiner Bilder erschien, schon längst sein Studium an der Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe beendet, eine Zeit lang in Paris gelebt und war schließlich in die für Künstler hochattraktive Stadt München gezogen.
Dort gehörte er zeitweilig zum Kreis um den Künstler Wilhelm Leibl. Italien hatte er bis dahin noch nicht bereist. Dagegen hatten ihn in Paris die Werke des zwanzig Jahre älteren Gustave Courbet und der Künstler von Barbizon sehr beeindruckt.
Diese Künstler interessierten sich für eine realistische Darstellung der Natur, nicht eine idealisierende. Die Darstellung der Raufenden Buben steht unter dem Eindruck dieser Kunstauffassung. In einer Art Großaufnahme zeigt Thoma in gedeckten Farben fünf Jungen, die dabei sind, sich zu prügeln.
Im Wandel der Zeit
Es dauerte einige Jahre, bis solche Bilder mit einer realistischen Darstellungsweise und Themen aus dem Alltagsleben in weiteren Kreisen Anerkennung fanden. Und so änderte sich auch die Wahrnehmung der Raufenden Buben.
1909 plädierte ein Kritiker in diesem Sinne bereits für ein Umdenken in Bezug auf das Frühwerk von Thoma: „In solchen Jugendwerken, wie den balgenden Buben […], ist er ein so ehrlicher, starker Maler, daß man kaum versteht, wie es möglich war, daß er diese Qualitäten später so gänzlich einbüßte.“
Inzwischen wurden Thomas frühe Werke wie das hier gezeigte demnach höher wertgeschätzt als diejenigen seiner späteren Schaffensphasen.
Und nur wenige Jahre später, 1914, drehte sich die Wahrnehmung ein weiteres Mal. Jetzt gab es Kritiker, die die Raufenden Buben sogar als zu wenig natürlich und als zu wenig realistisch empfanden.
Bauernbuben und Straßenjungen
Auch heute noch wird vielfach in diese Richtung argumentiert. Die raufenden Jungen sind so gezielt in Szene gesetzt, dass auf diesem Bild nicht die Naturnachahmung, sondern die Komposition die Wahrnehmung bestimmt.
Auffällig ist eine Art Drehmoment in der Bewegung der Gruppe: von dem Kind, das sich im Zentrum befindet und die Betrachter*innen ansieht, über zwei von links hinten und rechts hinten dargestellte bis hin zu einem halb knienden und einem unter diesem liegenden Jungen.
Der ehemalige Direktor der Karlsruher Kunsthalle Kurt Martin schrieb dazu 1957 resümierend: „Ein Vergleich der beiden Bilder zeigt, dass Thoma Bauernbuben gemalt hat und Trübner Straßenjungen. Thoma hat sein Bild komponiert, hat die eine Gruppe in die andere eingepasst […]. Trübner komponiert weit weniger und erfasst daher die Wirklichkeit „echter“ und „momentaner.“
Des Rätsels Lösung
Was die Kunsthistoriker*innen bis heute beschäftigt, hatte einen ganz einfachen Ursprung. Über vierzig Jahre nach Entstehen des Bildes wurde Thoma von einer Freundin gefragt, wie er auf die Idee zu diesem Bild gekommen sei. Lachend habe er berichtet:
„Ganz äußerlich ist das entstanden. Trübner hatte damals grad kein Atelier, da es ihm vor dem Sommer nicht mehr lohnte, noch eins zu nehmen. Ich lud ihn ein, bei mir zu malen, da ich ein großes hatte und wir befreundet waren. Er stand da und ich dort, und jeder malte. Er hatte eine Anzahl Buben bei sich; die machten solchen Lärm, daß ich auch anfing, sie zu malen. Nach zwei Tagen brachte er noch mehr mit. Ich hatte die zwei am Boden Liegenden fertig. Es reizte mich, weil er es machte; ich klebte noch einen Streifen oben an mein Bild hin – man sieht’s noch – und malte noch mehr Buben drauf, und so ist dann das Bild entstanden.“
Als Thoma diese Geschichte erzählte, befand sich das Bild schon über zehn Jahre in der Kunsthalle und hatte sich in das allgemeine Gedächtnis der Besucher*innen eingeprägt. Thoma hatte seine Raufenden Buben und ein Bild des Karlsruher Akademie-Professors Ludwig Schmid-Reutte 1907 der Kunsthalle geschenkt, nachdem diese zwei seiner Gemälde, Abendstern und Hereinbrechende Dämmerung im Schwarzwald, erworben hatte.
Touren zu diesem Werk

Hans Thoma als Künstler
Daten und Fakten
Titel | Raufende Buben |
---|---|
Künstler*in | Hans Thoma |
Entstehungszeit | 1872 |
Inventarnummer | 1029 |
Maße Bildträger | H 102,0 cm B 88,0 cm |
Maße Rahmen | H 129,0 cm B 115,0 cm T 11,0 cm |
Material | Leinwand auf Karton |
Technik | Ölfarbe |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
-
Hans Thoma
Kunsthalle Basel 1924, Kat. Nr. 34
-
Hans Thoma
Kunsthaus Zürich 1924, Kat. Nr. 29
-
Hans Thoma
Kunsthalle Bern 1924, Kat. Nr. 38
-
Thoma
1939, Kat. Nr. 48
-
Hauptwerke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Kunstverein St. Gallen 1947, Kat. Nr. 104
-
Aufbruch
1958, Kat. Nr. 375
-
Franz Ackermann. Mental Maps - Eikones
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 14.03. - 11.05.2014
-
Hans Thoma - Ein Maler als Museumsdirektor
Studioausstellung ZKM 14.09.2024 - 02.02.2025
-
1906/07: Kunst für Alle
XXII
-
1907: Kunstchronik
NF. XVIII
-
1971: Katalog Neuere Meister
Hrsg.: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Bearb.: Lauts, Jan
19. und 20. Jahrhundert -
1971: Katalog Neuere Meister
Hrsg.: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Bearb.: Lauts, Jan
19. und 20. Jahrhundert -
1984: Der Leibl-Kreis und die Reine Malerei
Ruhmer, Eberhard
-
1988: Hans Thoma
Helmoldt, Christa von
Spiegelbilder -
1993: Hans Thoma (1839-1924)
Froitzheim, Eva-Marina
Ein Begleiter durch die Hans-Thoma-Sammlung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe -
1995: Anselm Feuerbachs Kinderdarstellungen
Fröhlich, Edeltraut
Das erotische Element -
2005: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Voigt, Kirsten Claudia
-
2013: Kinderbild um 1900
Sonja Grunow
-
2013: Wilhelm Leibl und sein Kreis :
Holsing, Henrike
rein malerisch; [... erscheint anlässlich der Ausstellung "Rein Malerisch" - Wilhelm Leibl und Sein Kreis, Museum im Kulturspeicher Würzburg, 14.12.2013 - 23.3.2014] -
2013: Hans Thoma :
Krämer, Felix; Grobien, Felicity
"Lieblingsmaler des deutschen Volkes"; [... anlässlich der Ausstellung "Hans Thoma. Lieblingsmaler des deutschen Volkes", Städel Museum, Frankfurt am Main, 3. Juli bis 29. September 2013]