Wolkenstudie
Provenienzforschung
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Aus der Not heraus
Diese kleine Wolkenstudie des norwegischen Malers Johan Christian Clausen Dahl hat der Förderkreis der Kunsthalle 2017 erworben. Immer wenn das Museum oder sein Förderkreis Kunstwerke erwirbt, muss im Vorfeld eine Provenienzprüfung durchgeführt werden. Diese ergab: Dahls Ölstudie gehörte einst zur Sammlung von Julius Freund in Berlin.
Der aus Cottbus stammende Geschäftsmann hatte sein Vermögen mit einem Textilunternehmen gemacht. Als erfolgreicher Unternehmer mit patriotischer Gesinnung ging er davon aus, vor den Anfeindungen der Nationalsozialisten geschützt zu sein. Doch obwohl er und seine Familie keine praktizierenden Juden und Jüdinnen waren, entgingen sie nicht der Verfolgung durch die Nationalsozialisten.
Nach deren Machtantritt am 30. Januar 1933 wurden die Familie und ihr Besitz gewaltsam auseinandergerissen. Freunds Kinder Hans und Gisela – sie wurde später unter dem Namen Gisèle Freund eine berühmte Fotografin – verließen bereits 1933 Deutschland. Julius Freund und seine Frau emigrierten sechs Jahre später nach England.
Eigentlich wollte Julius Freund seine Kunstsammlung einem deutschen Museum vermachen. Doch die „veränderten Verhältnisse“, wie er schrieb, erlaubten ihm dies nicht mehr. 1933 brachte er etwa die Hälfte seiner rund 700 Kunstwerke in der Schweiz in Sicherheit. Zu diesen zählte auch Dahls Wolkenstudie.
Um die von den Nationalsozialisten erhobene „Reichsfluchtsteuer“ und die „Judenvermögensabgabe“ zu erbringen, war Julius Freund gezwungen, viele der in Deutschland verbliebenen Kunstwerke zu verkaufen. Er erreichte England fast mittellos; 1940 starb er in einem Armenspital.
„Notverkauf“ und „Fluchtgut“
1942 entschlossen sich seine Witwe und die beiden Kinder, die in der Schweiz eingelagerten Werke in einer Auktion verkaufen zu lassen, ein sogenannter „Notverkauf“. Bei Dahls Wolkenstudie handelt es sich demnach nicht um „NS-Raubkunst“, sondern um „Fluchtgut“ – also Kunstgut, das von Geflüchteten mit in die Emigration genommen und das in diesem Fall aus einer akuten wirtschaftlichen Not heraus verkauft wurde.
Das kleine Bild ersteigerte ein Schweizer Sammlerpaar. 1945 wurde es über eine weitere Auktion von einem anderen Schweizer Sammler erworben. Dessen Erbe wusste zwar, dass es einst zur Sammlung Julius Freund gehört hatte. Im Jahr 2016, als er bzw. die Stiftung seines Vaters selbst das Werk in einer Auktion veräußern wollte, erfuhr er aber erst von bereits erfolgten Restitutionen anderer Werke mit derselben Provenienz. Nun suchte er nach einer „fairen und gerechten Lösung“. Sein Anliegen war es, auch die Erbengemeinschaft nach Julius Freund an dem Verkaufserlös zu beteiligen. Im Vorfeld der Auktion wurde daher vereinbart, dass sie davon 25% erhielt. Der Rest ging an die einliefernde Stiftung. Eine Kunsthandlung erwarb das Bild und bot es später der Kunsthalle Karlsruhe an.
Zwar sind Privatpersonen nach den Washingtoner Prinzipien nicht zu Restitutionen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut verpflichtet; die Verkäufer*innen entschieden sich trotzdem zu dieser versöhnlichen Geste. So erfüllt sich der Wunsch, den Gisèle Freund im Katalog der Versteigerung von 1942 äußerte: „… ich wünsche von Herzen, dass mancher von ihnen [den neuen Besitzern] vielleicht hin und wieder des früheren Eigentümers Julius Freund gedenken möge“.
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Daten und Fakten
Titel | Wolkenstudie |
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Künstler*in | Johan Christian Clausen Dahl |
Entstehungszeit | um 1825 |
Inventarnummer | FK 57 |
Maße Bildträger | H 14.8cm B 22.9cm T 0.1cm |
Maße Rahmen | H 25cm B 33.2cm T 4.5cm |
Material | Papier auf Karton |
Technik | Ölfarbe |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Neue Malerei (nach 1800) |
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