
Die Melancholie im Garten des Lebens
Beschreibung
Mathis Gerung war ein geübter deutscher Miniaturmaler und Holzschneider.
Das Gemälde „Melancholie“ ist eine Art „Wimmel-Bild“ des 16. Jahrhunderts, in dem unzählige Einzelszenen von Menschen, die entweder ihrer täglichen Arbeit oder aber einer Vergnügung nachgehen, entdeckt werden können.
Zentrale Figur des Bildes ist die geflügelte Personifikation der Melancholie, die ihren Kopf nachdenklich aufstützt und uns als Betrachtende ernst anzublicken scheint. Am unteren Bildrand sitzt ein Geodät oder Kosmograph (ein Weltvermesser). Der Wissenschaftler hält einen Zirkel und eine Scheibe mit einer miniaturhaften Weltenlandschaft in der Hand. In der Mythologie und Ikonographie ist der Gott Saturn oft mit der Geometrie und dem melancholischen Temperament verbunden.
Gerungs Werk kann als einzigartiges Zeugnis für die Alltags-, Mentalitäts-, Sozial- und Kulturgeschichte des mittleren 16. Jahrhunderts betrachtet werden. Als Quelle der Inspiration zu diesem Werk gilt das Gedicht des Nürnberger Meistersingers Hans Sachs, „Die starck gewonheyt“ von 1544. In einer gereimten Aufzählung beschreibt der Dichter seine Vision davon, wie die ganze Welt in ihrer Vielfalt versammelt ist.
Doch um dem tieferen Sinn des Gemäldes auf die Spur zu kommen, ist ein Blick in die dramatisch gestaltete Himmelszone notwendig. Anlass für das Gemälde könnte der Komet von 1558 gewesen sein, der für die Menschen damals als böses Omen galt. Im Lichte des Kometen erscheint das ganze menschliche Treiben, welches Gerung so detailreich vor uns ausbreitet, als höchst zweifelhaft und melancholischer Reflexion würdig.
Kunsthalle x Jakob Schwerdtfeger
Zum Audiotranskript der Kunstsnackepisode zu Mathis Gerung.
Exzess, Glücksspiel und ein Tanzbär
Auf diesem Gemälde steppt der Bär – im wahrsten Sinne des Wortes. Taucht mit Kunstsnack in das Wimmelbild aus dem 16. Jahrhundert ein.
Wo ist Walter?
„In der Mitte des Bildes sitzt eine Frau mit Flügeln. Wie so oft in der Kunstgeschichte guckt völlig unnötigerweise ihre eine Brust raus. Es handelt sich hierbei um die Personifikation der Melancholie. Und dann gibt es noch eine zweite große Figur. Sie ist auch in der Mitte des Bildes, aber weiter unten. Dort sitzt ein Kosmograph, ein Weltvermesser – quasi ein Vorläufer von Google Maps.“
Was hat die Melancholie im Garten des Lebens zu suchen?
„Die Erklärung könnte im oberen Bildteil liegen, dem Himmel. Im Entstehungsjahr des Bildes 1515 flog ein Komet an der Erde vorbei, der in dem Werk zu sehen ist. Dieser galt als böses Omen für Krankheiten, Seuchen, Kriege oder Naturkatastrophen. Es kann also sein, dass der Maler Mathis Gerung ausdrücken wollte: Da ist ein schlimmes Himmelszeichen. Dagegen erscheint das menschliche Tun doch irgendwie vergänglich. Und auch höchst bedenkenswert. Denn so ein Komet wurde als göttliche Ermahnung gesehen. Eine Ermahnung weniger sündhaft zu leben und melancholisch zu reflektieren.“
Trinken, tanzen und Krieg
„Im oberen Teil des Werks wird die Arbeit und im unteren Teil das Vergnügen dargestellt. (…) Insgesamt geht’s viel um Arbeit: Leute schuften in einem Bergwerk, bauen ein Haus, angeln oder hüten Vieh. Wir sehen außerdem eine Hinrichtung, die sehr pragmatisch direkt an einem Friedhof stattfindet. Und: Es wird Krieg geführt. Oben im Bild versammelt sich ein großes Heer. (…) Ganz unten im Bild gehen die Leute zwei Tätigkeiten nach, die auch heute noch in Deutschland sehr beliebt sind: Kegeln und Saufen. (…) Ihr merkt also, das Bild ist fast 500 Jahre alt, aber es ist in vielen Aspekten gar nicht soooo weit von uns weg. Menschliche Laster und Leidenschaften scheinen sich einfach zu halten.“
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Touren zu diesem Werk

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Kunsthalle x Jakob Schwerdtfeger
Daten und Fakten
Titel | Die Melancholie im Garten des Lebens |
---|---|
Künstler*in | Mathis Gerung |
Entstehungszeit | 1558 |
Inventarnummer | 2619 |
Maße Bildträger | H 88,0 cm B 68,0 cm |
Maße Rahmen | H 102,0 cm B 83,0 cm T 7,0 cm |
Material | Lindenholz |
Technik | Mischtechnik |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Alte Malerei (vor 1800) |
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