Anbetung des Kindes vor nächtlicher Landschaft mit den Heiligen Hieronymus, Magdalena und Julian
Beschreibung
Der aus Florenz stammende Maler Paolo Uccello, auch bekannt als Paolo di Dono, gilt als Wegbereiter der perspektivischen Malerei der Frührenaissance. Er beschäftigte sich intensiv mit der Darstellung von Räumlichkeit.
In der Karlsruher Anbetung werden zwei Szenen in ungewöhnlicher Weise miteinander kombiniert: Die Geburt Christi und dessen Verehrung durch die Heiligen Hieronymus, Magdalena und Julian. Die beiden nicht unmittelbar zusammenhängenden Begebenheiten sind in einen einheitlichen Landschaftsraum eingebunden und szenisch miteinander verknüpft. Die unübliche Auswahl der Heiligen legt nahe, dass Uccello die Tafel als Andachtsbild für einen privaten Auftraggeber erstellte.
Die rundbogige Tafel ist in drei Abschnitte gegliedert, auf die die Szenen verteilt werden. Im oberen Bereich erscheinen vor flächigem Hintergrund jubilierende Engelschöre. In einer sich in die Tiefe ausdehnenden Seelandschaft wird die Anbetung des Kindes durch Maria gezeigt. Eine Palme und Bäume eines kleinen Hains überragen die Szene und reichen bis in die Himmelszone. Im unteren Drittel der Tafel wenden sich die drei Büßerheiligen kniend der Mittelszene zu. Der höhlenartige Abschnitt ist durch eine Trennungslinie nach oben abgegrenzt und gleicht einem Sockel für die Hauptszene.
Stilelemente der italienischen Frührenaissance finden sich in der klaren Gliederung und Stufung des Landschaftsraums und dem Bemühen, Körperlichkeit beispielsweise durch den Faltenwurf der Gewänder zu erzeugen.
Who is Who
0:00
0:00
Namenssuche
Sucht man in der Kunsthalle nach Unterlagen zu diesem Bild, wird man unter U wie Uccello nicht fündig. Denn die Geschichte des Gemäldes ist die Geschichte einer intensiven Namenssuche, die gerade nur ihr vorläufiges Ende gefunden hat.
Namensreigen
Matteo de‘ Pasti, florentinisch, in der Art des Alesso Baldovinetti und des Benedetto Buonfigli. Das sind nur einige Benennungen, wie sie in Katalogen oder Verzeichnissen zu diesem Bild zu finden sind.
Indizienprozess
Was tun bei einem unsignierten Gemälde, zu dem man kaum verlässliche Fakten wie Entstehungszeit oder Entstehungsort kennt? Zu- und Abschreibungen wie für diese nächtliche Anbetungsszene sind eine Art Indizienprozess. Man vergleicht, prüft die Handschrift der Verdächtigen, sucht nach verwandten Kompositionen, Motiven, Maltechniken usw. So findet man z. B. auf der Tafel eines aus Quarate unweit Florenz stammenden Altargemäldes die gespiegelte Version des in Gedanken versunkenen Josef, der in unserem Bild hinter Maria und dem Kind kniet. Farbigkeit, plastische Darstellung von Figuren und Pflanzen oder die Durchgestaltung des Raumes weisen nach Florenz im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts.
Erster Verdacht
Bereits einige Zeit nach Ankunft des Gemäldes in der Sammlung der Kunsthalle 1857 wurde Paolo Uccello als Urheber der ungewöhnlichen, wie in Schichten aufgebauten Komposition vorgeschlagen. In den 1930er-Jahren war man wieder etwas vorsichtiger: Man vermutete den Künstler zwar weiterhin in der Werkstatt Uccellos, nannte ihn in Ermangelung verlässlicher Fakten aber schlicht den Meister der Karlsruher Anbetung und machte aus dem Werk den Kern einer Gruppe, bei der alle Gemälde denselben Künstlernamen erhielten.
Inzwischen neigt die Forschung dazu, diesen Notnamen-Meister mit Paolo Uccello, einem maßgebenden Meister der Frührenaissance, gleichzusetzen
Namen als heiße Spur
Dabei ist schon der Name Paolo Uccello für sich einen näheren Blick wert: Der Maler hieß eigentlich Paolo di Dono. Die heute gebräuchliche Bezeichnung ist nur ein Spitzname, den er erhielt, weil er sich mit großer Leidenschaft der Darstellung von Tieren und insbesondere von Vögeln widmete – uccello bedeutet im Italienischen Vogel.
Die Tiere im Karlsruher Bild sind aber nicht nur mögliches Indiz für die Identität des Künstlers oder bloße charmante Zutat, sondern ihrerseits Hinweise auf die Namen der Heiligen: Ein Löwe begleitet Hieronymus, ein Hirsch und ein Hund Eustachius. Die Heiligen wiederum könnten eine Spur in Richtung Herkunft der Tafel sein: Stammt sie aus einer Kirche, die denselben gewidmet war?
Die Suche wird weitergehen…
Touren zu diesem Werk
Daten und Fakten
Titel | Anbetung des Kindes vor nächtlicher Landschaft mit den Heiligen Hieronymus, Magdalena und Julian |
---|---|
Künstler*in | Paolo Uccello |
Künstler*in (ehemalige Zuschreibung) | Meister der Karlsruher Anbetung |
Entstehungszeit | um 1436 |
Inventarnummer | 404 |
Epoche | Frührenaissance / Italien |
Maße Bildträger | H 111cm B 48.5cm |
Maße Rahmen | H 131.5cm B 72.2cm T 10.5cm |
Material | Pappelholz |
Technik | Mischtechnik |
Genre | Historie |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Alte Malerei (vor 1800) |
Uccello galt als experimentierfreudig und exzentrisch: Laut dem Künstlerbiografen Vasari soll er in aller Abgeschiedenheit oft wochenlang nach Lösungen für perspektivische Probleme gesucht haben.
Der Maler erhielt den Beinamen Uccello - italienisch für Vogel - da er eine große Vorliebe für Vögel hatte und zahlreiche Abbildungen dieser Tiere sammelte.
-
Christus und Maria
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 06.06.-20.09.1992
-
Kult Bild. Das Altar- und Andachtsbild von Duccio bis Perugino
Städel Museum und Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main 07.07.-22.10.2006
-
Officina pratese. Da Donatello a Filippo Lippi
Museo Civico, Palazzo Pretorio, Prato 14.09.2013-13.01.2014
-
Florenz und seine Maler: Von Giotto bis Leonardo da Vinci
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München 18.10.2018 - 27.01.2019
-
1947: Hauptwerke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Martin, Kurt (Bearb.); Kunstverein St. Gallen (Hg.)
Kunstverein St. Gallen, 26.04.-12.07.1947 -
1966: Katalog Alte Meister bis 1800
Bearb.: Lauts, Jan; Hrsg.: Vereinigung d. Freunde d. Staatl. Kunsthalle
-
1966: Katalog Alte Meister bis 1800
Bearb.: Lauts, Jan; Hrsg.: Vereinigung d. Freunde d. Staatl. Kunsthalle
Bildband -
1968: Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Lauts, Jan (Bearb.); Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.)
-
1974: Die Erlösung im Adventus
Kocks, Dirk
-
1988: Ausgewählte Werke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Lüdke, Dietmar; Reising, Gert; Simons-Kockel, Katrin
150 Gemälde -
1992: Christus und Maria
Dresel, Ines; Lüdke, Dietmar; Vey, Horst
Auslegungen christlicher Gemälde der Spätgotik und Frührenaissance aus der Karlsruher Kunsthalle -
2006: Kult Bild
Jochen Sander [Hrsg.]; Matthias Th. Kloft u.a.
Das Altar- und Andachtsbild von Duccio bis Perugino -
2010: Miroslaw Balka - Wir sehen dich
Heynen, Julian; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 16.04.-22.08.2010 -
2013: Da Donatello a Lippi
Andrea De Marchi; Cristina Gnoni Mavarelli
Officina pratese -
2018: Florenz und seine Maler
Schumacher, Andreas (Hrsg.)
Von Giotto bis Leonardo da Vinci