Selbstbildnis
Beschreibung
Rembrandt Harmenszoon van Rijn ist ein herausragender Maler des „Goldenen Zeitalters“ der Niederlande und gehört zu den berühmtesten Künstlern aller Zeiten. Seine Gemälde, Zeichnungen und Radierungen beeinflussten die Kunst der nachfolgenden Jahrhunderte maßgeblich. 1761 von Karoline Luise von Baden über Umwege aus dem Nachlass des Comte de Vence erworben, gehörte das Karlsruher Selbstporträt zu ihrem hochkarätigen Malereikabinett, das zum Sammlungsfundament der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe wurde.
Auf dem fast lebensgroßen Brustbild stellte sich der Maler in sanften, harmonischen Brauntönen dar. Ein für Rembrandt typisches Phänomen sind die verschiedenen Ausarbeitungsgrade in der Malerei. Während das Gesicht fein und detailliert durchmodelliert ist, wird der rotbraune Mantel nur skizzenhaft angedeutet. Das Gesicht – akzentuiert durch Farbgebung und Lichtführung – steht somit im Zentrum der Komposition, wodurch die im Gemälde eingefangene Gemütslage eine ungeheure Präsenz erhält. Der Blick des Künstlers ist ernst, die Stirn von Falten durchfurcht, die Stimmung düster. So liegt es nahe, seine bedrückte Stimmung auf den Tod seiner Frau Saskia im Jahr 1642 zurückzuführen, der den Künstler in eine tiefe Lebenskrise stürzte. Doch haben neuere Forschungen ergeben, dass Rembrandt bei seinen zahlreichen Selbstporträts nicht die Analyse des eigenen ich im Sinne hatte, sondern vielmehr packende und damit verkäufliche Bilder malen wollte.
Vermögende Kunstliebhaber bewunderten die Expressivität und die kraftvolle Ausführung – und außerdem hatten sie gerne ein Bild des europaweit berühmten Künstlers in ihrer Sammlung.
Rembrandt zeigt gespielte Emotionen, zu denen auch seine Kostümierung passt: Die Kappe mit goldverziertem Rand, der braune Samtkragen des roten Mantels mit zwei Goldketten sowie der Ohrring sind keine Alltagskleidung, sondern gehörten zum umfangreichen Kostümfundus des Künstlers. Somit ist sein Selbstporträt einer in den damaligen Niederlanden beliebten Kunstgattung zuzuordnen, in der Charakterköpfe mit ausgeprägter Mimik dargestellt wurden, das „Tronie“. In diesem Fall übermalte Rembrandt eine Holztafel, auf der bereits ein Männerporträt von anderer Hand vorhanden war. Durch die zunehmende Transparenz der oberen Malschichten wurde ein Ohr des zugrunde liegenden Bildnisses links neben Rembrandts Kopf sichtbar.
Who is Who
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Name als Marke
Raffael, Michelangelo, Tizian, Rembrandt. Fällt Ihnen etwas auf? Ja, natürlich, es sind alles große, für die Kunstgeschichte wichtige Namen. Aber welcher Teil davon? Richtig: Es handelt sich nur um Vornamen, die sich in unser kollektives Namensgedächtnis eingebrannt haben. Oder könnten Sie aus dem Stegreif von allen vieren die Nachnamen nennen?
Branding anno 1631
Indem der Maler dieses Selbstportraits den Vornamen-Kniff anwandte und aus Rembrandt Harmeszoon van Rijn schlicht Rembrandt machte, reihte er sich nicht nur in die Folge der ganz Großen ein. Er entwickelte so auch sein eigenes Branding, schuf eine wiedererkennbare Marke: Wo Rembrandt draufsteht, ist Rembrandt drin! Dabei wurden, als der Künstler schließlich eine eigene Werkstatt betrieb, völlig selbstverständlich auch die Werke der Gesellen mit dem Namen versehen – so lange sie noch nicht selbst den Status eines Meisters hatten.
Für eine Marke braucht es Markt
Dass der Künstler, 1631 frisch in Amsterdam angekommen, überhaupt auf den Gedanken kam, eine solche Marke auszubilden, lag an den damaligen Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit. Die Kunstproduktion reagierte in den nördlichen niederländischen Provinzen auf den durch die religiöse und politische Situation herrschenden Mangel an kirchlichen und auch adeligen Auftraggeber*innen: Die Künstlerinnen und Künstler stellten sich auf die Interessen der vor allem bürgerlichen potentiellen Käuferschaft ein. Es entstand ein freier Markt, auf dem ein immenses Angebot und eine ebensolche Nachfrage einander begegneten: In der Blütezeit der niederländischen Malerei Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden dort jährlich rund 70.000 Gemälde.
Der Kern hinter der Marke
Um in dieser Flut nicht als Namenloser unterzugehen, brauchte es nicht nur ein gutes Signet, sondern auch einen wiedererkennbaren Markenkern. Diesen schuf Rembrandt vor allem durch Abgrenzung zu seiner malenden Konkurrenz, durch das Brechen mit Konventionen, mit gängigen Malweisen oder Kompositionsmustern. Dabei spezialisierte er sich erstaunlicherweise nicht wie viele seiner Zeitgenoss*innen auf Stillleben, Portraits oder Seestücke, sondern war im Gegenteil als Allrounder gefragt.
Das eigene Gesicht als Werbeträger
Zu Rembrandts Marke gehörte nicht zuletzt sein eigenes Konterfei, das er immer wieder in allen nur erdenklichen Gemütslagen, in unterschiedlichsten Arrangements, ja selbst als Einsprengsel in Historiengemälden zur Schau stellte. Wiedererkennbarkeit war und ist damit auf mehreren Ebenen gegeben, für Zeitgenoss*innen genauso wie für heute an der Kunstgeschichte Interessierte.
Weitere digitale Angebote zu Rembrandts "Selbstbildnis"
Das Werk im Kunstsnack
Episode 1: Wieso hat Rembrandt drei Ohren?
In der ersten Folge von Kunstsnack erklärt der Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger die ungewöhnliche Geschichte hinter dem Selbstbildnis von Rembrandt. Er thematisiert, warum Rembrandt auf dem Gemälde scheinbar drei Ohren hat und wie das Werk mit einem Hollywood-Film in Verbindung steht.
Touren zu diesem Werk
Kunsthalle x Jakob Schwerdtfeger
Who is who
Highlights
Provenienz-Tour
Daten und Fakten
Titel | Selbstbildnis |
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Künstler*in | Rembrandt |
Entstehungszeit | um 1645/48 |
Inventarnummer | 238 |
Epoche | Barock |
Maße Bildträger | H 73,5 cm B 59,5 cm T 0,8 cm |
Maße Rahmen | H 99,0 cm B 85,0 cm T 11,5 cm |
Material | Eichenholz |
Technik | Ölfarbe |
Genre | Porträt |
Gattung | Gemälde |
Abteilung | Alte Malerei (vor 1800) |
Das Gemälde wurde während des Zweiten Weltkrieges zum Schutz im Salzbergwerk Heilbronn eingelagert und 1945 von Harry L. Ettlinger, einem in die USA emigrierten Karlsruher jüdischen Glaubens, geborgen. Im Film “Monuments Men - Ungewöhnliche Helden” unter der Regie von George Clooney wird diese Szene dargestellt.
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Ich bin hier! Von Rembrandt zum Selfie
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1947: Hauptwerke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Martin, Kurt (Bearb.); Kunstverein St. Gallen (Hg.)
Kunstverein St. Gallen, 26.04.-12.07.1947 -
1965: Untersuchungen zu den Malgründen Rembrandts
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1966: Katalog Alte Meister bis 1800
Bearb.: Lauts, Jan; Hrsg.: Vereinigung d. Freunde d. Staatl. Kunsthalle
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1966: Katalog Alte Meister bis 1800
Bearb.: Lauts, Jan; Hrsg.: Vereinigung d. Freunde d. Staatl. Kunsthalle
Bildband -
1968: Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Lauts, Jan (Bearb.); Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.)
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1988: Ausgewählte Werke der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Lüdke, Dietmar; Reising, Gert; Simons-Kockel, Katrin
150 Gemälde -
2012: Nur ein Blick auf Baden
Baden, Bernhard von; Douglas, Christoph
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2013: Rembrandts Selbstformung
Rosen, Valeska von
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2014: Bauen und Zeigen
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe/ Hess, Regine (Hg.)
Aus der Geschichte und Gegenwart der Kunsthalle Karlsruhe -
2015: Die Meister-Sammlerin Karoline Luise von Baden
Jacob-Friesen, Holger (Hg.); Müller-Tamm, Pia (Hg.); Frank, Christoph; Zimmermann, Wolfgang
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 30.05.-06.09.2015; Generallandesarchiv Karlsruhe 17.06.-16.10.2015 -
2015: Ich bin hier!
Müller-Tamm, Pia (Hg.); Schäfer, Dorit (Hg.)
Von Rembrandt zum Selfie -
2015: Rembrandt's paintings revisited
Wetering, Ernst van de; Nes, Carin van; Rembrandt;
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2016: Hyacinthe Rigaud
James-Sarazin, Ariane; Sarazin, Jean-Yves; Rigaud, Hyacinthe
1659-1743 -
2019: Rembrandt
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Die Porträts -
2020: Tischbein und die Kunst des "Goldenen Zeitalters"
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Rezeptionsgeschichte(n) um 1800 -
2022: Rembrandt in a red beret
Schwartz, Gary
The vanishings and reappearances of a self-portrait