Von Mitteln und Mittlern
Medien im Austausch
Würden Sie, wenn Sie eine kleine Runde von Freund*innen am Tisch fotografieren, von unten in eine schnöde Allerweltslampe hineinknipsen, die dann alles überragt? Vermutlich nicht. Wahrscheinlich würden Sie einen besseren Standpunkt, einen anderen Bildausschnitt wählen. Oder schlicht die Lampe etwas aus dem Vordergrund schieben. Aber warum hat der Maler das hier nicht getan?
Wahrnehmung und Umsetzung
Vuillard ließ seine Modelle nie posieren, er überraschte sie in ihrem Zuhause, in ihrer gewohnten Umgebung. […] der Maler sagte zu ihnen: ‚Nicht mehr bewegen, bleibt, wie ihr seid!’. Dann fertigte er eine Skizze. Und in dieser ersten Vorstellung war schon das gesamte Gemälde wiederzufinden.
Antoine Salomon, ein Verwandter von Edouard Vuillard und späterer Autor seines Werkverzeichnisses, beschreibt hier das spannungsreiche Gefüge von Wahrnehmung und künstlerischer Anverwandlung eines Motivs.
Die Lampe als Protagonist
Zur Sammlung der Kunsthalle gehört auch die Zeichnung, die diesem Gemälde zugrunde liegt – jene erste Vorstellung also, von der Salomon sprach. Vuillard hielt darin eine unaufgeregte Situation fest: Mitglieder der befreundeten Familie Hessel sitzen gemeinsam an einem Tisch in ihrer Sommervilla in Saint-Jacut. Schon bei der Zeichnung mit ihren schnellen, fast suchend springenden Bleistift- und Tuschelinien, bildet die Lampe in Untersicht das Zentrum der Komposition. Um sie scharen sich die Personen. Allerdings, ohne dass ihr Schein das Zimmer atmosphärisch in weiches Licht legen oder dass ihr Kegel die Gruppe zusammenfassen würde, wie es die malerische Tradition verlangt hätte. Viel eher dominiert sie fast aufdringlich das Gefüge und grenzt die Zimmerbereiche und Personen gegeneinander ab.
Noch deutlicher wird die Dominanz des Ausstattungsgegenstands im Vergleich des Gemäldes zu zwei weiteren Fassungen der Lampe von Saint-Jacut, die im ruhigen Querformat angelegt sind. Indem Vuillard beim Karlsruher Bild ein Hochformat wählte und also die Länge der Lampe noch zusätzlich betonte, radikalisierte er den Bildgedanken. Warum?
Ein anderer Blickwinkel
Entscheidend dürfte Vuillards Beschäftigung mit einem anderen Medium gewesen sein – er war nicht nur Maler, sondern auch leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Kaum hatte die Firma Eastman Kodak eine einfache Taschenkamera mit Rollfilm entwickelt, hatte auch Vuillard schon ein Exemplar erstanden. Den kleinen Kasten der Pocket Kodak hielt man nicht auf Augenhöhe, sondern etwa vor dem Bauch, und blickte von oben hinein. So wurde das Motiv in Untersicht erfasst.
Fotografischer Blick und malerisches Gespür
Fragen von Bildausschnitt und Perspektive stellten sich bei dieser Art der analogen Fotografie also anders als in der Malerei, bei welcher Standorte freier gewählt, die Wirklichkeit im Malprozess stärker zurechtgerückt werden konnte. Möglichkeiten, die Vuillard bei diesem Gemälde bewusst nicht nutzte. Die in die Malerei übertragene Ehrlichkeit des Gesehenen macht das Werk zu einem außergewöhnlichen mediengeschichtlichen Zeugnis. Auch, weil Vuillard den fotografischen Blick mit dem materiell-technischen Gespür des Malers kombinierte: Mit sogenannten Leimfarben erzeugte er matte, kalkige Flächen, die fleckig neben- und übereinanderstehen und dem Bild seine besondere Wirkung verleihen.
Noch deutlicher wird die Dominanz des Ausstattungsgegenstands im Vergleich des Gemäldes zu zwei weiteren Fassungen der Lampe von Saint-Jacut, die im ruhigen Querformat angelegt sind. Indem Vuillard beim Karlsruher Bild ein Hochformat wählte und also die Länge der Lampe noch zusätzlich betonte, radikalisierte er den Bildgedanken. Warum?
Ein anderer Blickwinkel
Entscheidend dürfte Vuillards Beschäftigung mit einem anderen Medium gewesen sein – er war nicht nur Maler, sondern auch leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Kaum hatte die Firma Eastman Kodak eine einfache Taschenkamera mit Rollfilm entwickelt, hatte auch Vuillard schon ein Exemplar erstanden. Den kleinen Kasten der Pocket Kodak hielt man nicht auf Augenhöhe, sondern etwa vor dem Bauch, und blickte von oben hinein. So wurde das Motiv in Untersicht erfasst.
Fotografischer Blick und malerisches Gespür
Fragen von Bildausschnitt und Perspektive stellten sich bei dieser Art der analogen Fotografie also anders als in der Malerei, bei welcher Standorte freier gewählt, die Wirklichkeit im Malprozess stärker zurechtgerückt werden konnte. Möglichkeiten, die Vuillard bei diesem Gemälde bewusst nicht nutzte. Die in die Malerei übertragene Ehrlichkeit des Gesehenen macht das Werk zu einem außergewöhnlichen mediengeschichtlichen Zeugnis. Auch, weil Vuillard den fotografischen Blick mit dem materiell-technischen Gespür des Malers kombinierte: Mit sogenannten Leimfarben erzeugte er matte, kalkige Flächen, die fleckig neben- und übereinanderstehen und dem Bild seine besondere Wirkung verleihen.