Franz Xaver Winterhalter - Der Decamerone

Der Decamerone

Franz Xaver Winterhalter

Maße:
H 81,5 cm  B 116,0 cm  
Jahr:
1837
Ort:
ZKM

Hans Thoma als Museumsdirektor

0:00
0:00

Publikumsmagnet

„Es ist nicht wohl möglich, in einem so kleinen Raum mehr mannichfaltige Anmuth und Schönheit, geistvolle Eleganz und Feinheit zu concentriren.“

Das Gemälde zeigt Franz Xaver Winterhalter mit Backenbart und ernstem Blick.

Gemeinsamkeiten

Hans Thomas Ankaufspolitik für die Kunsthalle war schwerpunktmäßig durch eine Berücksichtigung von Künstler*innen und Bildern mit regionalem Bezug gekennzeichnet.

In dieses Profil passte auch der Künstler Franz Xaver Winterhalter, der gut eine Generation älter war als Thoma. Winterhalter wurde in Menzenschwand im Schwarzwald, nahe an Thomas Geburtsort Bernau, geboren. Winterhalter und Thoma waren sogar entfernt verwandt: Winterhalters Mutter war eine Cousine von Thomas Großvater.

Winterhalter erfuhr seine Ausbildung in Freiburg und München, zog 1830 nach Karlsruhe und wurde Zeichenlehrer und Porträtist der Großherzoglichen Familie. In den Jahren 1832-34 reiste er durch Italien.

Nach seiner Rückkehr nach Karlsruhe ernannte der Großherzog ihn zum Hofmaler, der er bis zu seinem Lebensende blieb. 1834 zog er weiter nach Paris und stellte dort seit 1835 im Salon aus.

Das Gemälde zeigt Maria Alexandrowna in einem weißen Kleid.

Karriere

Nicht zuletzt der Erfolg des Bildes Decamerone beim Pariser Salon von 1837, der zu Winterhalters künstlerischem Durchbruch beitrug, machte ihn zu einem gefragten Porträtmaler an allen großen Fürstenhöfen.

Er fertigte Bildnisse des Hochadels und der Königshäuser von ganz Europa. Der Krieg von 1870/71 schränkte seinen Wirkungskreis jedoch ein, und er kehrte nach Karlsruhe zurück. Mit dem Erstarken des Bürgertums erschloss er sich eine neue Klientel. So malte er in höherem Alter in Frankfurt Porträts bedeutender Bankiersfamilien.

Das Gemälde zeigt mehrere Personen in einem Garten sitzend und sich unterhalten. Die Person in der Mitte trägt einen Lorbeerkranz.

Gelegenheitskauf

Das hier gezeigte Gemälde Decamerone wurde Ende April 1914 über den Badischen Kunstverein aus dem Kunsthandel zu einer hohen Summe für die Kunsthalle erworben. Es handelt sich aber nicht um die große Fassung, die Winterhalter 1837 im Salon ausgestellt hatte, sondern um eine etwa halb so große Replik. Das Bild schien dem kunstinteressierten Publikum zum Zeitpunkt der Erwerbung noch einigermaßen bekannt zu sein.

Das mag auch an der Verbreitung des Motivs über Radierungen oder Stiche von Künstlern wie Alexis François Girard oder A. Martinet gelegen haben. Auf die Bekanntheit lässt die Meldung der Kunstzeitschrift Der Cicerone von 1915 schließen, dass die Großherzogliche Kunsthalle im Vorjahr „von dem seinerzeit so berühmten Schwarzwälder Fürstenmaler F. X. Winterhalter seinen bekannten, 1837 in Paris gemalten ‚Decamerone‘ nach Boccaccio“ erworben habe.

 

Der Gemäldeausschnitt zeigt das Gebäude, das sich hinter einem Baum befindet.

10 x 10 – Geschichten aus Pandemiezeiten

Auf dem Gemälde ist die Rahmenhandlung aus einem noch heute sehr berühmten Buch dargestellt, dem Decamerone des 1313 geborenen italienischen Dichters Giovanni Boccaccio. Darin geht es um den zehntägigen Rückzug von sieben Frauen und drei Männern höheren Standes in ein Landhaus nahe Florenz, die damit der Pestepidemie in der Stadt entfliehen wollen. So erklärt sich auch der Titel Decamerone, in dem die griechischen Wörter „deka“ für die Zahl Zehn und „hemera“ für den „Tag“ stecken.

In der Abgeschlossenheit vertreiben sich die zehn Personen die Zeit, indem sie sich Geschichten zu bestimmten Themen ausdenken und sie einander wechselweise erzählen. Jeder bzw. jede übernimmt jeden Tag eine Geschichte. Diese zehn mal zehn Geschichten bilden die 100 Novellen des Bandes.

Mit seinem Hauptwerk Decamerone gilt Boccaccio als Begründer der europäischen Erzähltradition in Prosaform. Es war zu seiner Zeit hochaktuell, denn Boccaccio begann den Text kurz nach der tatsächlich 1348 in Italien wütenden Pestepidemie. Das Buch konnte aber erst über 100 Jahre später, nach Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, in größerem Umfang verbreitet werden.

Der Gemäldeausschnitt zeigt die Person, die in der Mitte der Gruppe sitzt und einen Lorbeerkranz trägt.

Vom Text zum Bild

Gemäß der literarischen Vorlage hat Winterhalter in seinem Gemälde sieben Frauen und drei Männer dargestellt, teils in Fantasiekostümen, teils in zeitgenössisch moderner Kleidung. Die Kulisse des Palastes und die Stadtsilhouette verweisen auf die Nähe des Ortes zur Stadt Florenz. Die Zentralfigur trägt einen Lorbeerkranz als Zeichen dafür, dass sie gerade an der Reihe ist, eine Geschichte zu erzählen.

Der Gemäldeausschnitt zeigt das Paar der Gruppe, das m Vordergrund sitzt.

Die meisten Teilnehmer*innen der Gruppe hören ihr zu, nur der junge Mann in der vorderen Reihe scheint sich mehr für seine Nachbarin zu interessieren.

Begeisterte Kritiker

Als Winterhalter die große Fassung dieses Gemäldes 1837 im Pariser Salon ausstellte, erhielt es dort eine besondere Auszeichnung. Und sowohl in Frankreich als auch in Deutschland gab es dafür hervorragende Kritiken.

In der französischen Zeitschrift L’Artiste von 1837 hieß es, dass das Gemälde das erfolgreichste des diesjährigen Salons sei. Und ein deutscher Rezensent des Salons von 1837 schrieb (in etwas anderem Deutsch als heute):

„Es ist nicht wohl möglich, in einem so kleinen Raum mehr mannichfaltige Anmuth und Schönheit, geistvolle Eleganz und Feinheit zu concentriren. Hie und da tritt vielleicht ein wenig Affectation hervor; manche weibliche, übrigens wunderschöne Köpfe erinnern an englische Kupferstiche; der junge Mann in rothen Hosen, dessen Figur zur Hälfte in Halbtinten gemalt ist, kann nicht idealer gedacht werden; alle Stellungen der Figuren sind natürlich, und die auf dem Rasen sitzenden Frauenzimmer finden alle eine passende Gelegenheit, auf die ungezwungenste Weise von der Welt ihre niedlich geformten Füße bewundern zu lassen; außerdem sind sie in so romantische und phantastische, aber immer geschmackvolle Kostüme gekleidet, daß man die Augen von diesen holden Erscheinungen nicht wegwenden mag.“

Bilder, Bilder, ihr müsst wandern

Wie ging es mit dieser großen Version des Gemäldes weiter? Gleich beim Salon 1837 erwarb sie der vermögende Abgeordnete und Kunstsammler Paturle. Dessen Sammlung wurde am 28. Februar 1872 in Paris versteigert.

Nach einigen Eigentumsstationen wurde das Gemälde 2009 bei Bernheimer Fine Old Masters, München, durch Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein erworben. Es ist heute im Stadtpalais Liechtenstein ausgestellt.

Bei der Erwerbung der kleineren Version des Decamerone für die Karlsruher Kunsthalle im Jahr 1914, nur wenige Monate vor Beginn des Ersten Weltkriegs, mag der Gedanke eine Rolle gespielt haben, an die facettenreiche und ruhmvolle Geschichte des großen Originals und an den für Karlsruhe bedeutsamen Künstler Winterhalter mit seiner Karriere eines Fürstenmalers zu erinnern.

Touren zu diesem Werk

A picture of several people in a spinning shop sitting on spinning wheels spinning the wool.

Hans Thoma the museum director


This tour looks at six selected paintings that came into the Kunsthalle collection in very different ways while Hans Thoma was the Gallery director.
kurzweilig
zur Tour
Ein Bild mehrerer Personen, die sich in einer Spinnstube befinden. Sie sitzen an Spinnrädern und spinnen die Wolle.

Hans Thoma als Museumsdirektor


In dieser Tour können ausgewählte Gemälde entdeckt werden, die unter dem Direktorat Hans Thomas in die Sammlung kamen.
kurzweilig
zur Tour

Daten und Fakten

Titel Der Decamerone
Künstler*in Franz Xaver Winterhalter
Entstehungszeit 1837
Inventarnummer 1217
Maße Bildträger H 81,5 cm  B 116,0 cm  
Maße Rahmen H 107,5 cm  B 134,5 cm  T 6,0 cm  
Material Leinwand
Technik Ölfarbe
Gattung Gemälde
Abteilung Neue Malerei (nach 1800)
Newsletter

Auch während der sanierungsbedingten Schließung informieren wir Sie hier über die Geschehnisse hinter den Kulissen der Kunsthalle.