Fotografie und Reise

Eindrücke fotografisch zu dokumentieren, nicht nur für das eigene Erinnern, sondern um sie anderen zu präsentieren, ist nicht erst Phänomen seit Social Media.

Reiseaufnahmen wurden im 19. Jahrhundert schnell zu bekannten und gern gesehenen Motiven. Das Interesse an fremden und entlegenen Orten prägte die Zeit. Der Ausbau des Eisenbahnverkehrs, die Schifffahrt und die Verbreitung der Kutsche erleichterten das kostspielige und beschwerliche Reisen. Die sogenannte Grand Tour, eine Bildungsreise durch Mitteleuropa, die im 18. Jahrhundert überwiegend von adeligen jungen Männern unternommen wurde, entwickelte sich zum Statussymbol des Bürgertums. Die Gesellschaftsschicht vergrößerte sich zu dieser Zeit stark und bildete eine eigene Identität heraus – auch indem sie sich Bereiche eroberte, die zuvor dem Adel vorbehalten waren.

Die Abbildung des Gemäldes von Leopold Carl Müller zeigt eine Person in einer Wüste mit einem Pavillon im Hintergrund.
Leopold Carl Müller: Bei den Kalifengräbern in Cairo (Naturstudie), 1873/75. © Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Foto: Georg Janßen

Fotograf*innen und Geschäftsleute erkannten den Wandel des Reisemarkts und die Möglichkeiten der neuen Technik. Sie siedelten sich direkt vor Ort an und vertrieben Fotoalben und andere Publikationen zusätzlich in der Heimat. Sie boten denjenigen, die nicht selbst verreisen konnten, die Möglichkeit, die Ferne von Zuhause aus zu erkunden. Den aktiv Reisenden dienten sie nach der Rückkehr als Souvenirs. Bis zur Verbreitung der Reisefotografie hatten Malerei und Zeichnung diese Aufgabe erfüllt: Mithilfe von Skizzenbüchern entstanden Landschaftsgemälde, deren Anspruch nicht größtmögliche Realitätstreue, sondern in Kombination mit den erinnerten Eindrücken, stimmungsvolle Kompositionen waren.

Die an Touristenzielen tätigen Fotograf*innen hatten nicht mehr mit den Strapazen einer Reise zu kämpfen, sehr wohl aber mit den technischen Herausforderungen an den exotischen Schauplätzen: Ein Selfie vor den Pyramiden von Gizeh ist heute kein Problem und je nach Kamera auch in guter Qualität schnell und leicht gemacht. Damals mussten große Apparaturen in die Wüste transportiert, Hitze und Lichtverhältnisse bedacht werden. Francis Frith leistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Er experimentierte mit verschiedenen Techniken. Die für hohe Außentemperaturen geeignete Kalotypie lieferte nur verschwommene Ergebnisse. Mit dem sogenannten nassen Kollodiumverfahren fand er eine Lösung, die zwar aufwendige Vorbereitungen erforderte, aber auch bei Wüstenklima scharfe Aufnahmen ermöglichte.

Dies war für Detailansichten wichtig, die bei Sammler*innen zu dieser Zeit begehrt waren. Die Kulissen der frühen Reise- und Architekturfotografie sind weitgehend menschenleer. Vereinzelte Personen finden sich nur, um die Größe der Monumente zu verdeutlichen. Die „digitalen Reisealben“ von heute stellen eine andere Art des Sammelns dar, die Erinnerungsstücke werden aber ähnlich wie bereits im 19. Jahrhundert als Trophäen der Reise ausgestellt und sollen ein bestimmtes Image erzeugen: Nicht die Bauwerke stehen im Zentrum, sondern die Reisenden.

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