Claude Lorrain

Claude Gellée, nach seiner Herkunft Le Lorrain (Der Lothringer) genannt, war der bedeutendste Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts.

1626 hatte er sich endgültig in Rom niedergelassen, wo höchste kirchliche und aristokratische Würdenträger zu seinen Auftraggebern gehörten.

Vielseitig in der Anwendung unterschiedlicher Techniken begabt, entwickelte er auch in der Zeichnung eine einzigartige Meisterschaft. So verschaffte er sich einen Namen als einer der bedeutendsten Zeichner nach der Natur. Es sind zahlreiche atmosphärische Freilichtstudien des Künstlers erhalten.

Sein deutscher Kollege Joachim Sandrart (1606–1688) berichtet, dass Claude »auf alle Weiß der Natur beyzukommen [suchte], lange vor Tags und biß in die Nacht im Felde, damit er die Tagröthe, der Sonnen Auf- und Niedergang neben den Abendstunden recht natürlich zu bilden erlernet«.

Der alte Fall des Anio in Tivoli von Claude Lorrain, enstanden um 1640. Es zeigt eine Federzeichnung eines Wasserfalls.

Lorrain verwendete vor allem kostspielige Papiere und Materialien, was die hohe Wertschätzung belegt, die er seinen Zeichnungen beimaß. Einen großen Teil verwahrte er sein Leben lang sorgfältig in Skizzenbüchern und Klebebänden auf. Nur wenige gab der Künstler aus der Hand. Heute haben sich etwa 1.200 seiner Blätter erhalten, einige wenige davon befinden sich in deutschen Sammlungen.

Auf seinen Zeichnungen finden sich vielfältige Beschriftungen und Signaturen. So schrieb er auf die Rückseite seiner Entwurfszeichnung Landschaft mit Psyche vor dem Palast Amors Widmungsproben für einen Pater Sorba. Die Zeichnung bereitete sein berühmtes Gemälde The Enchanted Castle vor. Aufgrund der Anstückung und Beschneidung des Papiers sowie der eingetragenen Hilfslinien und Markierung, gibt sie einen ungewöhnlichen Einblick in die Arbeitsweise Lorrains.

Landschaft mit Psyche vor dem Palast Amors von Claude Lorrain, enstanden um 1663. Es zeigt eine Federzeichnung einer Burg in mitten einer bewaldeten Landschaft.

Mit lockerer Feder skizzierte Claude auf diesem Blatt die große Kaskade des Flusses Aniene in Tivoli und lavierte seine Darstellung anschließend mit dem Pinsel in verdünnter Tinte. Die Leichtigkeit in der Federführung und die reduzierte Wiedergabe des Landschaftsausschnittes lassen auf das Arbeiten vor der Natur schließen, über das die eigenhändige Nummerierung des Künstlers am rechten Rand weiter Aufschluss gibt: Sie gehört zum Nummernsystem des sogenannten Tivoli-Buches, dessen Namen es dem Großteil seiner Motive verdankt und das zu einem unbekannten Zeitpunkt aufgelöst wurde.

Während der Sommermonate reiste der Künstler oftmals ins nordöstlich von Rom gelegene Tivoli. Seine vor Ort gezeichneten Papierarbeiten sind von ausgesprochen malerischem Charakter. Die Strichführung ist mal tastend, mal spielerisch und in den abgestuften Tönen der Pinsellavierungen bezieht der Künstler den Papierträger als zusätzliche Farbe mit ein. In der seitlich von rechts kommenden Beleuchtung wird eine Abendstimmung wiedergegeben, wobei das Augenmerk ganz und gar auf der atmosphärischen Wiedergabe von flüchtigen Phänomenen –  wie Licht, Luft und Wasser – liegt.

Zwei Varianten einer Palastarchitektur (Rückseite von Landschaft mit Psyche vor dem Palast Amors) von Claude Lorrain, entstanden 1663. Es zeigt die Skizze einer Palastarchitektur und Notizen.

Diese Landschaftsdarstellung bietet der Zeichnungsforschung zahlreiche interessante Informationen: Unten rechts ist noch die angeschnittene Beschriftung Lorrains erkennbar, der das Blatt demnach 1663 in Rom schuf. Um das breit gelagerte Querformat zu erreichen, fügte er links ein Stück Papier an, wobei eine weitere Datierung von seiner Hand überklebt wurde.

Danach zeichnete er zwei sich kreuzende Diagonalen über die gesamte Fläche, die ihm als Kompositionshilfe dienten. Insgesamt wird die Sorgfalt deutlich, mit der Claude seine Landschaften konzipierte. Er war 63 Jahre alt, als er dieses Blatt zeichnete, und ein hochgeachteter Künstler, dessen Werke bei Sammlern sehr begehrt waren. Doch selbst dem französischen König Ludwig XIV. schlug er einen Ankaufwunsch ab, da er sich von seinen Zeichnungen in der Regel nicht trennen wollte.

Um der hohen Nachfrage dennoch nachzukommen, fertigte er in späteren Jahren Kopien älterer Blätter an. Bei der Preiskalkulation richtete er sich nach der Kaufkraft des Interessenten – je reicher dieser war, desto höher fiel der Preis aus.

Auch die Rückseite des Blattes weist bemerkenswerte Spuren auf: Der Künstler testete dort eine Widmungsinschrift an einen Pater Sorba, die Tinte schlägt bis zur Vorderseite durch. Darüber hinaus sind Kreideskizzen einer Palastarchitektur erhalten, welche für die Weiterentwicklung des Motivs von Bedeutung sind.

Denn diese Zeichnung ist eine erste skizzierende Vorarbeit für eines der berühmtesten Gemälde des Künstlers, das unter dem Titel The Enchanted Castle (Das verzauberte Schloss) seit Ende des 18. Jahrhunderts in England bekannt ist und heute in der National Gallery in London aufbewahrt wird. Es entstand 1664 und zeigt die in melancholischer Haltung sinnende Psyche vor dem Palast des Amor, dessen Form der rückseitigen Skizze auf der Karlsruher Zeichnung ähnelt. Die Geschichte stammt aus den Metamorphosen des römischen Dichters Apuleius (2. Jahrhundert n. Chr.). Psyche wird durch die niederträchtigen Reden ihrer eifersüchtigen Schwestern dazu verleitet, einen verbotenen Blick auf ihren nächtlichen Liebhaber Amor zu werfen und ihn so vorerst zu vertreiben.

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