Dr. Astrid Reuter, 6. Februar 2021

Zeichnend sehen

Eine kraftvoll schwingende Linie oder ein zögerlich-vorsichtiger Strich, eine samtige Fläche oder eine lose andeutende Schraffur.

Die zeichnende Hand folgt einer Bewegung, erzeugt haptische Plastizität ebenso wie Atmosphäre. Zeichnungen faszinieren, weil sie uns so unmittelbar am künstlerischen Denk- und Arbeitsprozess teilnehmen lassen. Wie in einem handschriftlichen Brief zählt nicht nur der konkrete Inhalt. Der Charakter der Linie, die Geschwindigkeit der Ausführung erlauben Rückschlüsse auf die Verfasstheit des Zeichnenden und die Ausdrucksqualität des dargestellten Themas.

Bouchers zeichnerisches Werk hat uns von Anbeginn an fasziniert. Seine Studien sind von großer Lebendigkeit. Immer wieder sind humorvolle Details zu entdecken. Die Vielfalt der verwendeten Techniken entspricht den dargestellten Themen: So suggeriert der warme Farbton der Rötelkreide den Körper, während der kontrastvolle Einsatz von Schwarz und Weiß das Spiel von Licht und Schatten sichtbar macht.

Boucher war ein leidenschaftlicher Zeichner. Eigenen Angaben zufolge schuf er um die 10.000 Werke auf Papier. Ihre Nachfrage bei den Zeitgenossen war groß. Sammler*innen studierten die Werke gemeinsam mit dem Künstler im Atelier und schmückten mit von ihnen erworbenen Blättern die Wände ihrer eigenen Kabinette.

Das Zusammenspiel des geschöpften Papiers mit Linien und Flächen lädt zu einem sinnlichen Betrachtungserlebnis ein, in dem sich die zwischen dem Künstler und den Betrachtenden liegende Zeit auflöst. Eine solche Annäherung braucht den direkten Kontakt mit dem Werk. Die aktuell im Dunkel des Museums hängenden Werke warten auf Besucher*innen!

Boucher Online-Führung

Am 8.4.21 findet eine Online-Führung mit der Kuratorin Dr. Astrid Reuter zu diesem Thema statt. Alle Informationen erhalten Sie im Online-Kalender.

TheotherCara, 12. Dezember 2020

François Boucher und die zeitgenössische Mode

Kleidung und Stoffe spielen in den Werken François Bouchers eine elementare Rolle. Die Kunsthistorikerin, Fotografin und Fashionexpertin TheotherCara beschäftigte sich mit der Frage, ob sich Elemente der Mode Bouchers in der heutigen wiederfinden lassen.

Jedes Kunstwerk hat seine eigene Geschichte. Künstler*innen wählen bestimmte gestalterische Mittel, um eine gewisse Intention oder auch Gedanken zum Ausdruck zu bringen. François Bouchers Werke werden oft als sinnlich und opulent beschrieben. Doch Bouchers Œuvre lässt sich aus den Blickwinkeln verschiedener Disziplinen betrachten und deuten. Da Boucher als Meister der dekorativen Kunst gilt und er diese zur Zeit Ludwig XV. maßgeblich mitbestimmte, lohnt sich ein Blick auf die Mode in Bouchers Werk. Finden sich auch noch heute Bezüge Bouchers in der aktuellen Mode?

Wir leben im Jahr 2020, in einer Zeit, in der so gut wie jeder Modetrend mindestens einmal wiedergekehrt ist. Nehmen wir als Beispiel die Schlaghose, die in den 1960er, 1970er Jahren das Modesymbol der Hippie-Bewegung war und dann nach 20 Jahren, in den 90ern erneut „modern“ wurde. Bestimmte Modestile bleiben für die Ewigkeit zeitlos bestehen und andere wiederum verschwinden erst einmal völlig von der Bildfläche und tauchen dann urplötzlich wieder auf und erfahren ein Revival. Dieses Zurückgreifen der Modedesigner*innen auf schon erfundenen Modestilen ist mit der Kunst vergleichbar. Das Rad neu zu erfinden ist sowohl in der Mode, als auch in der Kunst heutzutage kaum noch möglich – ein Rekurrieren auf schon bestehende Stile ist kaum vermeidbar und somit ein Bezug zur Vergangenheit unweigerlich mit eingeschrieben.

Die Mode des 18. Jahrhunderts versinnbildlicht vor allem die Inszenierung der Träger*innen – so kann die Mode die Schönheit einer jeden Person hervorheben und diese in ihrer Darstellung untermauern. In der Kunst ist die Zeit des Rokokos vor allem durch opulente geraffte Stoffe und deren Verspieltheit gekennzeichnet. Europa schaut und orientiert sich in dieser Epoche an die Modeentwicklung rund um den Versailler Königshof. Die Hofzeremonielle und die Etikette tragen dazu bei, dass die gesellschaftliche Repräsentation im Vordergrund steht und die Damen- und Herrenmode diesem Anspruch gerecht wird.

Abbildung von François Boucher, Madame de Pompadour von 1756. Es zeugt eine Frau, die ein opulentes Barockkleid trägt. In ihrer Hand hält sie ein Buch.

Madame de Pompadour ist eine Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. und wird im Auftrag dessen von dem Hofmaler François Boucher im Jahre 1756 portraitiert. Blicken wir auf das gleichnamige Portrait, so erkennen wir das Kleid im französischen Stil, welches stilgebend für den frühen Rokoko ist und vor allem von der Oberschicht zu besonderen Anlässen getragen wird.

Die Besonderheit dieses Kleides ist der Schnitt, der Rock und das Oberteil sind nicht mehr aus nur einem Stück Stoff gefertigt, sondern Einzelstücke, die aneinander genäht wurden, um die Taille der Trägerin zu akzentuieren.

Ein genauer Blick auf Bouchers Werk zeigt, dass er das Portrait Madame Pompadours mit einer gewissen Ironie versieht, so wirkt das Kleid vollkommen übertönt. Das prächtige grüne Seidenkleid ist mit einer Vielzahl von Volants, Schleifen und Spitzen besetzt und mit Ornamenten geschmückt. Die Stofffülle scheint Madame Pompadour fast schon zu erdrücken. Das Kleid wirkt fast wie eine Verkleidung, die nur repräsentativen Zwecken dient. Festzuhalten gilt, das wir nicht wissen, ob Madame Pompadours Kleid wirklich so überladen war, oder Boucher mit diesem Portrait die Mode und Raffinesse derer und nicht zu vergessen auch sein künstlerisches Talent als Maler der feinen Stofflichkeit unter Beweis und sein Können zur Schau stellen möchte. Durch diese Überladung lässt sich das Bildnis auch als eine Art Persiflage auf den Rokoko verstehen.

Wenn wir unseren Blick auf die Mode der heutigen Zeit wenden, so finden wir sehr schnell einen Bezug zu Bouchers Darstellungen. Die Übertreibung von Stilen finden wir heute in der Haute Couture wieder, die als tonangebende, schöpferisch höchste Form der Schneiderei zu verstehen ist. Diese Königsdisziplin der Mode wird zweimal im Jahr in Paris auf dem Laufsteg im Rahmen der Fashion Week präsentiert. Die Unikate werden meist unter dem Motto „more is more“ gefertigt und die Käufer*innen Zielgruppe ist äußerst vermögend.

Kleid auf der Marina Hoermanseder Fashionshow Herbst/Winter 2020. Zu sehen ist ein Model wie es über den Laufsteg geht.

Die Haute Couture Mode ist nicht alltagstauglich tragbar, und zeigt genau wie Bouchers gemaltes Kleid im Portrait Madame de Pompadour die Handwerkskunst der Schneider*innen und hat gleichermaßen den Anspruch der Inszenierung.

Die Kunst und die Mode werden noch heute viel zu oft als konkurrierende Disziplinen betrachtet, doch wie das Spiel mit Inszenierung und Handwerkskunst aufzeigt, scheint es einige spannende kongruente Punkte zu geben, die uns einladen sollten, diese mit einem wachen Blick zu betrachten.

Ute Vogel, 22. November 2020

François Boucher – multitalentierter Kunstmaler und Rokoko-Designer

Opulente und drapierte Kleider, meisterhafte Inszenierungen – es fällt leicht zu glauben, dass der Rokoko-Künstler dem Theater zugetan war. Die Kulturbloggerin und theaterbegeisterte Ute Vogel hat sich mit François Boucher und seiner Leidenschaft für das Theater auseinandergesetzt.

Wer mich kennt, weiß, dass ich eine große Freundin der zeitgenössischen Kunst bin. Dass ich auf einmal eine große Freude am Rokoko habe ist vermutlich den pandemischen Zeiten geschuldet.

Ich habe ja gerne viel Zeit mit Mood for Art verbracht, mir dort T-Shirts und Masken bedrucken lassen. Und die Masken tatsächlich mit zwei Damen aus dem Rokoko. Nicht von François Boucher, sondern von Jean Etienne Liotard, aber immerhin.

Die Boggerin Ute Vogel mit einer Stoffmaske. Auf der Maske ist das Bild der Markgräfin Karoline Luise.

Das Rokoko entwickelte sich in Frankreich zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die strengen Hofetiketten lockerten sich, der Adel entwickelte ein feinsinniges, leichtes Lebensgefühl. Die Darstellungen in Kunst und Kunsthandwerk wurden entsprechend des Zeitgeists luxuriös, frivol, verspielt, graziös, idealisiert, mit Vorlieben für das Asymmetrische und auch Niedliche. Ich kann wirklich in diesen Bildern schwelgen: alles ist heiter, nichts ist schwer, das Wetter ist gut, die Natur strotzt, die Pflanzen sind üppig, die Tiere niedlich und besonders die Details der prachtvollen Kleidung faszinieren mich. Das brauche ich scheinbar in diesen Zeiten: eine Zuflucht, etwas Schönes, Heiteres, das, was derzeit den meisten Menschen in der aktuellen Lebensrealität fehlt. Vielleicht läuft auch aus diesem Grund gerade nicht zufällig im NRW-Forum Düsseldorf die Ausstellung #cute – Inseln der Glückseligkeit, eine  Ausstellung über Niedlichkeit.

François Boucher war nicht nur ein exzellenter Kunstmaler und Zeichner, er malte auch dekorative Innenausstattungen, Bühnenbilder, machte Kostümentwürfe, gestaltete Teppiche, Möbelbezüge und Porzellan – er stammte aus einfachen Verhältnissen und schaffte es bis zum ersten Hofmaler des Königs und Rektor der der königlichen Akademie.

Er galt als Meister der Illusion, seine pittoresken Landschaften sind ein Inbegriff des Rokoko. Er war der Musik und dem Theater zugetan und das war vielleicht auch mit ein Grund, weshalb er eben auch Bühnen- und Opernausstattungen schuf – unter anderem für die Pariser Oper – denn seit dem Renaissancetheater erlangten Bühnenbild und -architektur an Bedeutung und man bemühte sich bis ins 18. Jahrhundert hinein, szenische Illusionsräume zu schaffen.

Ein Schwerpunkt bei Boucher sind die Pastoralen (idyllische Hirten- bzw. Schäferszenen), bei denen es auch Verquickungen mit dem Theater/der Oper gibt. Pastoralen sind nämlich auch eine Form barocker Instrumentalmusik, eine Form der Kantate und Oper des 17. und 18. Jahrhunderts und eine Literaturgattung:  das Schäferspiel.

François Bouchers Gemälde Schäfer und Schäferin, auf dem ein Paar in der Natur inszeniert wird, umgeben von Blumen und einem Hund

„Inspiriert wurden die Pastoralen Bouchers durch seine Zusammenarbeit mit Charles-Simon Favart (1710–1792) an der Opéra-Comique: Lieferte Boucher Entwürfe für Kostüme und Bühnenbild, so verfasste sein Freund Favart Theaterstücke, deren ehedem ungesehener, aber als charmant klassifizierter Naturalismus von der kulturellen Elite Frankreichs goutiert und gefördert wurde. Viele der Pastoralen, die Boucher im Jahrzehnt von 1740 bis 1750 malte, stellen Szenen nach Favarts Les Vendanges de Tempé dar – eine Opéra-Comique, die als pastorale Pantomime angelegt und 1745 in den Wäldern von Saint-Laurent uraufgeführt worden war.“

Oliver Jehle in Pastorale. Devianz à la Rococo in François Boucher – Künstler des Rokoko

Und noch ein bisschen Trivia:

Boucher war der Lieblingsmaler von Madame de Pompadour, die als Instanz in Sachen Geschmack und Mode ihrer Zeit galt. Madame de Pompadour, eine geborene  Jeanne-Antoinette Poisson, wurde 1741 mit 20 Jahren mit ihrem reichen Cousin Guillaume verheiratet. Er besaß am Ufer der Seine ein Schloss mit Theaterbühne, auf der die vorzüglich ausgebildete Jeanne spielte und sang.

1745 wurde sie die offizielle Mätresse von Ludwig XV.

In Versailles unterhielt Madame de Pompadour ein Privattheater, das ihr von Ludwig XV. zugestanden wurde. Die Einweihung fand am 17. Januar 1747 mit dem Stück Tartuffe von Molière statt.  Boucher illustrierte  übrigens schon 1734 die sechsbändigen Neuausgabe der Werke Molieres und sie gelten als früher Höhepunkte seines Schaffens.

Als 1749 das an Tassos pastoralem Drama orientierte Stück Silvie von Pierre Laujon mit Musik von Pierre de Lagarde in Versailles auf die Bühne gebracht wurde, übernahm sie [Madame de Pompadour] die Hauptrolle der Silvia.
Astrid Reuter in François Boucher – Künstler des Rokoko

Painting Portrait of Madame de Pompadour by François Boucher, created in 1756. It shows Madame Pompadour in a blue dress resting on an armchair. In her right hand she is holding an open book.

Boucher war Ausstatter des Theaters der Madame de Pompadour, er entwarf Kostüme und diese Erfahrung nutze er wiederum bei der Gestaltung der herrlichen Kleider auf den Gemälden der adeligen Damen – selbstverständlich portraitierte er Madame de Pompadour auch mehrmals.

Dr. Astrid Reuter, 11. November 2020

Boucher – Please hang on!

Die Transporte aus Madrid, Paris, Stockholm, Wien und vielen anderen Orten haben ihr Ziel erreicht, die Werke sind ausgepackt, an den Wänden platziert und beleuchtet – sie sind bereit.

Am 13. November 2020 sollte unsere Ausstellung François Boucher. Künstler des Rokoko eröffnet werden. Nun müssen wir uns gedulden.

Kunst braucht die Betrachtung, das individuelle Entdecken der Originale, das Erlebnis vor Ort und unser Nachdenken. Sie ermöglicht eine Intensivierung der Wahrnehmung und das Nachspüren des Materials – vom rasch gesetzten Pinselstrich bis zum energisch-dezidierten Kreidestrich. In der Auseinandersetzung wird sie lebendig. Unseren Blick zu schärfen, Zusammenhänge neu zu sehen, dazu lädt ein Ausstellungsbesuch ein. Er fordert uns intellektuell und emotional und kann Türen öffnen in fremde Welten.

Erste Einblicke in die Boucher-Ausstellung

Porträt von Dr. Astrid Reuter vor zwei Pastoralen Bouchers in der Boucher-Ausstellung der Kunsthalle Karlsruhe

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Unsere Boucher-Ausstellung ist bereit. Ihr Zustandekommen verdanken wir insbesondere den Leihgeber*innen, die ungeachtet der aktuellen Unsicherheiten an ihren Zusagen festhielten und ihre Werke zu uns reisen ließen, aber auch all jenen, die Anregungen und praktische Unterstützung gaben.

Bouchers Kunst ist vielfältig und heiter, sinnlich und humorvoll, spielerisch und kraftvoll. Wir hoffen auf eine baldige Öffnung und freuen uns auf Ihre Eindrücke und Erkundungen! Bis dahin – und natürlich auch darüber hinaus – möchten wir Sie ermuntern, unser vielfältiges digitales Angebot rund um die Ausstellung zu nutzen und Boucher von zu Hause zu entdecken.

Barbara Bauer, 28. August 2020

Bouchers Faszination für Muscheln

Fast neigt sich der Sommer dem Ende zu, aber noch treibt es viele ans Wasser und ganz besonders gerne an den Strand. Auch wenn die Reiseaktivitäten dieses Jahr sehr eingeschränkt sind, ist es immer eine Freude mit Muscheln als schöne Urlaubserinnerung in den Alltag zurück zu kehren. Die Begeisterung für die Schalentiere ist keine neue:

Im 18. Jahrhundert finden sich Muschelformen vor allem im asymmetrischen Ornamentmotiv der Rocaille, einer Gestalt, die namensprägend für eine Stilrichtung der europäischen Kunst wurde. Im Zeitalter des Rokoko war die so genannte Konchyliologie – die Kunde von Schalen und Muscheln – eine beliebte Beschäftigung der gehobenen Bürgerschicht.

Auch der Rokoko-Künstler François Boucher, dem wir im Herbst eine umfassende (und übrigens die erste monografische Ausstellung in Deutschland) widmen, war ein bekennender Sammler von gewundenen Gehäusen aller Art. In den spiralförmigen Drehungen fand er oftmals Inspiration für seine Werke. Für das kuratorische Team war es deshalb spannend zu untersuchen, welchen Einfluss die Naturaliensammlung auf sein künstlerisches Schaffen hatte und welche Arten er in seinen Gemälden darstellte.

Abbildung der Muschel "Das Riesenohr von Neuholland". Zu sehen ist die Muschel einmal seitlich, einmal von oben und einmal von unten.

Doch wie kann man heute nachvollziehen, welche Muscheln den Maler besonders in ihren Bann zogen?
Unsere Recherche begann mit der Suche nach Beschreibungen der Sammlung des Künstlers. Erste Hinweise bot der Verkauf seines Besitzes nach dessen Tod 1771: Der Kunsthändler Pierry Remy beschreibt im Nachlasskatalog beispielsweise unter der Objektnummer 1628 eine „sehr seltene und hervorragend erhaltene Wellhornschnecke“ als „pavillon orange“, die einen besonders hohen Preis erzielte. Während hier das „orange Gehäuse“ Indiz zum Aussehen gibt, sind die Angaben häufig weniger eindeutig.

Zudem haben sich die damals verwendeten Bezeichnungen bis heute teils erheblich geändert und sind stetigen Wandel unterworfen. Auch die französischen Begriffe geben dabei leider nur selten einen Hinweis auf die deutschen Bezeichnungen. Abhilfe konnte ein Blick in zeitgenössische Publikationen schaffen: Die damals weitverbreitete Lehre zur Konchyliologie des Franzosen Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville beschreibt detailliert die verschiedenen Schalen und präsentiert diese auf illustrierten Tafeln.

Durch den Bezug von Wort (der französischen Bezeichnung im Verkaufskatalog) und Bild (der Zuordnung auf den Tafeln) konnten einige Schalen aus der Sammlung Bouchers identifiziert werden. Im Folgenden suchten wir nach dieser Auswahl in den Sammlungen von Naturkundemuseen.

Abbildung zweier Muscheln mit der Bezeichnung das Riesenohr von Neuholland

In dieser Detektivarbeit, die mit der gängigen kunstgeschichtlichen Recherche wenig gemein hat, unterstützten uns die Kolleg*innen des Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe. Das Museum besitzt eine beeindruckende Sammlung an Schalen, aus der wir eine erste Vorauswahl getroffen haben.

Keine leichte Aufgabe, denn die vielen Formen, Farben und Größen haben auch in uns eine Faszination für Muscheln geweckt. Die deutschen Bezeichnungen, die so genannten Trivialnamen der Schalentieren, sind teils Beschreibungen der visuellen Form: Während der lapidare Name Riesenmuschel vor allem auf die Größe anspielt, verweist die echte Wendeltreppe auf die besondere gewundene Form, die bereits im 18. Jahrhundert faszinierte oder beschreibt wie Das Riesenohr von Neuholland den Fundort.

Wir freuen uns in der Ausstellung François Boucher – Künstler des Rokoko eine kleine Auswahl an Schalentieren präsentieren zu dürfen und danken ganz besonders Dr. Hubert Höfer, Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe für die fachkundige und freundliche Unterstützung.

Boucher Online-Führung

Am 29.4.21 findet eine Online-Führung mit der Wissenschaftlichen Volontärin Barbara Bauer zu diesem Thema statt. Alle Informationen erhalten Sie im Online-Kalender.

Dr. Astrid Reuter, 30. Mai 2020

François Boucher und Karlsruhe

Am 30. Mai 2020 jährt sich der Todestag des Rokokokünstlers François Boucher zum 250. Mal – Grund genug einen Blick auf seine Verbindung zu Karlsruhe und die Herbstausstellung der Kunsthalle zu werfen.

Karlsruhe – Paris, das sind 2½ Stunden Fahrt mit dem TGV, von Baden aus betrachtet liegt die französische Hauptstadt näher als die deutsche. In diesen Tagen jedoch scheint Frankreich viel weiter entfernt, und man kann sich in die Zeit des 18. Jahrhundert, hineinversetzen, als Markgräfin Karoline Luise von Baden acht Tage für die Reise benötigte. Viele Wochen brauchte es, um die Vorbereitungen zu treffen. Transport, Zoll und Unterkünfte mussten geplant und das Haus hergerichtet werden, das die markgräfliche Familie 1771 für drei Monate in Paris bewohnte.

Paris war für die Markgräfin keine Unbekannte. Ihrer weit gefächerten Korrespondenz verdankte sie fundierte Kenntnis des gesellschaftlichen und künstlerischen Lebens vor Ort. Zudem hatte sie zahlreiche Werke für ihre Sammlung in der Kunstmetropole erworben. Zu diesen gehörten zwei Gemälde und sechs Pastelle von François Boucher, einem der angesehensten Künstler der Zeit. Bereits 1765, als er der Markgräfin für ihre Gratulation zu seiner Ernennung zum ersten Hofmaler dankte, hatte der Künstler den Wunsch geäußert, ihr recht bald sein Atelier zeigen zu dürfen. Ihren Besuch 1771 erlebte er nicht mehr, bereits im Jahr zuvor war Boucher im Alter von 66 Jahren gestorben.

Abbildung des Gemäldes Schäfer und Schäferin des Künstlers François Boucher. Es zeigt ein liegendes Liebespaar in einem Wald.

Zwei der von der Markgräfin erworbenen Bilder sind bis heute in der Karlsruher Kunsthalle zu sehen. Karoline Luise hatte ihn eigens gebeten, mehrere Tiere einzufügen, auf deren Darstellung er sich besonders verstehe, wie sie gehört hätte. Ungeduldig in Erwartung der Werke bat sie um eine separate Zusendung nach der Vollendung. Nachdem bereits das erste Bild zu ihrer vollsten Zufriedenheit ausfiel, zeigte sie sich nach dem Erhalt des zweiten noch größere Begeisterung. Dem Wunsch nach einer möglichst raschen Übersendung folgend, hatte der Künstler dieses Gemälde noch nicht mit der abschließenden Lasur versehen. Der nötige Firnis sowie eine entsprechende Anleitung zum Auftrag desselben waren der Sendung beigelegt.

Die von Karoline Luise gelobte Frische und Brillanz der beiden Gemälde lässt sich noch heute nachvollziehen, auch wenn die Farben über die Jahre etwas gedämpfter geworden sind. Die sorgfältige und dennoch schwungvolle Ausführung verweist auf die sichere Hand des Künstlers. Boucher galt als Meister der Darstellung idealer Schäferszenen, sogenannter Pastoralen, die Mensch und Natur in idealer Harmonie vereinen. Zu sehen sind nicht die Mühen des Landlebens, sondern der beglückende Müßiggang junger Frauen und Männer im Freien.
Unsere Ausstellung im Herbst bietet die Gelegenheit, diesen bereits zu Lebzeiten in Karlsruhe geschätzten Künstler, neu zu entdecken!

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Auch während der sanierungsbedingten Schließung informieren wir Sie hier über die Geschehnisse hinter den Kulissen der Kunsthalle.