Florian Trott, 30. September 2024

Das verflixte 7. Jahr

„Ich bin es. Wissen Sie nicht mehr? Die Tomate vom ersten Stock.“ Noch weiß ich nicht, als was ich in der Kunsthalle in Erinnerung bleibe.

Aber einen Blogbeitrag mit einem Zitat aus einem Film mit Marylin Monroe zu beginnen, scheint mir immer eine gute Idee zu sein. Noch dazu, wenn es aus dem Film Das verflixte 7. Jahr stammt und meine Tätigkeit in der und vor allem für die Kunsthalle nach über sieben Jahren endet.

Zum Abschied würde man vermutlich schreiben, dass es eine tolle Zeit war und dass man viel gelernt und viel erlebt hat. Und tatsächlich kann ich mit Überzeugung sagen, dass es tolle Jahre waren, vor allem aber waren es anstrengende und sehr fordernde Jahre. Und ja, ich habe viel gelernt. In der Zeit zwischen dem 1. März 2017 (meinem ersten Arbeitstag) und dem 30.09.2024 (dem Tag des Abschieds) liegen viele Höhepunkte in der Geschichte der Kunsthalle, aber auch einschneidende Ereignisse.

Zu den Höhepunkten zählt ganz klar die Ausstellung Cézanne. Metamorphosen, die im Februar 2018 mit weit über 100.000 Besuchenden endete und als die bisher erfolgreichste Ausstellung in der Geschichte der Kunsthalle eingegangen ist. Durch die vom Team der Kommunikation und mir entwickelte Kommunikations- und Marketingstrategie haben wir sicher einen kleinen Beitrag zu diesem Erfolg geleistet. Anfang 2020 trat die Corona-Pandemie auf und veränderte unser aller Leben, auch das Museumsleben in der Kunsthalle war gravierend betroffen. Große Flexibilität und schnelle Reaktionen auf die aktuellen Geschehnisse standen auf der Tagesordnung.

Im Frühjahr 2020 wurde die Position der Geschäftsführung der Kunsthalle vakant, und ich habe mich auf die Stelle beworben. Nach einem langen Auswahlverfahren wurde ich vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst im September zum Geschäftsführer berufen und konnte eine ganz neue Perspektive auf die Museumsarbeit gewinnen und aus der neuen Positionen heraus Gestaltungsspielräume gewinnbringend für das Haus nutzen.

Im Bereich der digitalen Transformation haben wir in den sieben Jahren Enormes geleistet, und die Kunsthalle wurde von einem kleinen Team zu neuer Bedeutung im digitalen Raum geführt. Dass dabei innere Widerstände zu bewältigen waren, soll und darf hier in aller Klarheit benannt werden, zumal ich auf verschiedenen Tagungen sehr transparent darüber gesprochen habe. Ich empfinde es als sehr hilfreich und wichtig, transparent über Herausforderungen zu sprechen. Nach meiner Beobachtung und Erfahrung ist dies etwas, was in der Museumswelt zu lang zu selten gemacht wurde.

Blick auf eine Tür und in die leergeräume Kuntshalle. Ein Gemälderahmen lehnt an der Wand.

Nach Abschluss des Jubiläumsjahres 2021 – die Kunsthalle feierte ihr 175 jähriges Bestehen – kam ein weiterer, vielleicht der gravierendste Einschnitt: die baubedingte Schließung des Hauses. Und damit begann das, was ich gerne als „Once in a lifetime“-Projekt bezeichne: die Vorbereitungen und die Durchführung des Umzugs des kompletten Museums.

Das hat das gesamte Team über einen sehr langen Zeitraum gefordert; als Verantwortlicher musste ich hier kontinuierlich kommunizieren, motivieren, begleiten, agieren, reagieren, entscheiden – die ganze Palette der Managementkompetenzen war gefragt. Aus unterschiedlichsten Gründen verzögerte sich die Fertigstellung und die Übergabe der Interimsflächen immer wieder, so dass aufgestellte Zeitpläne oft eine kurze Halbwertszeit hatten. Ich habe in dieser Phase gelernt, mit Unwägbarkeiten und Ungewissheiten gut umzugehen und eine professionelle Gelassenheit zu entwickeln.

Diese war auch nötig, galt es parallel noch das klassische, über viele Strecke nicht unterkomplexe Alltagsgeschäft eines Geschäftsführers zu bewältigen. Ebenso mussten das vielfältige Bau- und Planungsgeschehen eng begleitet und die Nutzerinteressen gegenüber der Bauherrschaft und den beteiligten Architekt*innen und Fachplaner*innen aufmerksam vertreten werden.

Mittlerweile haben wir uns an unseren Interimsstandorten sehr gut eingerichtet und eingelebt, auch die Sammlungspräsentation im ZKM ist seit rund eineinhalb Jahre erfolgreich geöffnet, die Planungen für die Sanierung des Hauptgebäudes an der Hans-Thoma-Straße sind weit vorangeschritten, der Spaten ist gestochen, das Gebäude selbst ist an die Bauverwaltung übergeben.

Es scheint mir ein guter Zeitpunkt für eine Veränderung in meinem Leben zu sein – im verflixten siebten Jahr. Dass dieser Ausspruch tatsächlich auf den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1955 mit Marylin Monroe zurückgeht, hätte ich übrigens nicht gedacht. Als was werde ich aber in der Kunsthalle in Erinnerung bleiben? Diese Frage müssen später einmal andere beantworten. Die Kunsthalle wird mir in Erinnerung bleiben als ein Haus mit einer phänomenalen Sammlung und als ein Museum, das sich seiner Tradition bewusst ist. Das sind gute Grundlagen, um nach Abschluss der Sanierung des Hauptgebäudes in eine gloriose Zukunft zu starten!

Daniela Sistermanns, 21. Juni 2024

Das geschlossene Museum: Ein Ort für alle?

Seit November 2021 ist die Kunsthalle nun „geschlossen“ und kann neben ihrem einschränkenden Ausstellungsgeschehen auch sämtliche Kommunikations- und Vermittlungsmaßnahmen nur unter veränderten Bedingungen nachgehen. Zum Abschied meiner Kunsthallen-Zeit wird es Zeit für einen (kritischen) Rückblick.

Vor über zwei Jahren berichtete ich an dieser Stelle über die geschlossene Kunsthalle und ihre Chancen aus Sicht der Kommunikation. Wir alle kennen doch diese Schlagwortwolken, die oftmals in Workshops zur Informationsvisualisierung verwendet werden. Wenn man die aktuelle Situation der Kunsthalle in diesen Wortwolken denken würde, wären das wohl die ersten drei, die einem einfielen: Schließzeit. Sanierung. Interim. Seit dem 1. November 2021 ist die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe also geschlossen – und irgendwie auch wieder nicht. Man müsste es also präziser formulieren: Das Hauptgebäude der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe in der Hans-Thoma-Straße 6 sowie die benachbarte Orangerie sind geschlossen, aber ein Teil unserer Sammlung ist dennoch sichtbar: Im Gegensatz zu anderen Museen, die aufgrund umfangreicher Sanierungsmaßnahmen schließen mussten, hat die Kunsthalle das große Privileg, seit Ende April 2023 im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien zu Gast sein zu dürfen. Hier zeigen wir mit der Ausstellung KunsthalleKarlsruhe@ZKM rund 600 Sammlungswerke aus acht Jahrhunderten. Auf rund 2.000 m² werden Gemälde, Grafiken, Fotografien, Installationen und Plastiken in einer speziell für den Hallenbau entwickelten Neukonzeption gezeigt. Man könnte diese Präsentation durchaus als Highlight-Ausstellung bezeichnen, aber darüber hinaus sind auch bislang nie gezeigte Neuerwerbungen zu sehen.

Ein digitaler Vermittlungsguide für die Sammlung

Der neue Ort im ZKM und die dortige völlig neue Präsentation der Sammlungswerke verlangten auch neue Ansätze im Bereich der digitalen Kunstvermittlung. Die im Hauptgebäude verwendeten Audioguides, die einst für die dortige Dauerausstellung genutzt wurden, waren nicht nur längst überholt, sondern auch in ihrer inhaltlichen Form sehr unflexibel und zu eindimensional.  Daher fiel mit der Vorbereitung der Interimsausstellung die Wahl auf die Neukonzeption eines digitalen Vermittlungsguides, der multimedial durch die Ausstellung KunsthalleKarlsruhe@ZKM führt und über das eigene Smartphone nutzbar ist. Hierfür wurden nicht nur thematische Rundgänge zu den Sammlungs-Highlights oder zur Provenienzforschung entwickelt, sondern auch Wert auf einen Perspektivwechsel gelegt: Mit Touren, die persönlich von Online-Multiplikator*innen konzipiert wurden, können die Besucher*innen die Werke nun aus völlig neuen Blickwinkeln betrachten. Dafür konnten wir den 3sat-Moderator Markus Brock, die Influencerin und Creative Director Lisa Masé oder die Künstlerin und Medien-Designerin Jette gewinnen. Bei allen Touren ist es frei wählbar, ob die Inhalte lesend oder hörend abgerufen werden. Via QR-Code lassen sich zudem einzelne Werke erschließen. Neben den Basisinformationen kann hierbei vertiefendes Wissen durch Blogbeiträge oder kreative Gestaltungsangebote entdeckt werden. Durch die Abrufbarkeit mit eigenem Browser sind die Inhalte auch von zu Hause als Vor- oder Nachbereitung der Ausstellung verfügbar. Wie auch innerhalb anderer Projekte war mit der Konzeption des digitalen Vermittlungsguides das erklärte Ziel, eine nachhaltige Lösung zu entwickeln, um mit nur einem Tool auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eines vielfältigen Publikums einzugehen. Gleichzeitig sollte es auch an anderen potenziellen Interimsorten eingesetzt werden können. Eine große Herausforderung innerhalb der Konzeption war die Skizzierung der unterschiedlichen Zielgruppen und damit verbunden auch die Frage, wie bedarfsgerechte Texte und Inhalte aussehen können. Aktuell ermöglicht es der digitale Vermittlungsguide, mittels Storytelling und dem Einsatz unterschiedlicher Medien ganz unterschiedliche Zielgruppen zu gewinnen. Das Tool wird hierbei auch in Zukunft immer wieder strategische Erweiterungen erfahren, sodass neue Inhalte kontinuierlich folgen sollen und auch hierbei wird ein besonderer Fokus auf die potenziellen Zielgruppen gelegt. Eine Auswertung des User*innen-Verhaltens ist ein nächster Schritt, um das Tool nochmal kritischer zu prüfen und entsprechend anzupassen.

Im Vordergrund sieht man ein Smartphone auf dem das Gemälde abgebildet ist, das im Hintergrund zu sehen ist. Außerdem stehen drei Besucherinnen vor dem Werk und betrachten es.

Erweiterung des Podcast-Angebots

Zwei weitere Herzensprojekte aus dem Bereich der digitalen Kommunikation gingen seit Beginn der sanierungsbedingten Schließzeit ebenfalls an den Start: Die beiden Podcast-Formate Kunstsnack (Launch 2022) und Kunstcouch (Launch 2023). Nicht erst durch die sanierungsbedingte Schließzeit hat die Kunsthalle den Weg ins Digitale eingeschlagen, um die Kunsthalle mit ihrer exzellenten Sammlung im kollektiven Gedächtnis lebendig zu erhalten, dennoch war die Entwicklung beider Podcast-Formate erst einmal wieder ein neuer Weg, um Zielgruppen zu erreichen, die nicht zu unseren üblichen Besucher*innen zählen. Dazu konzipierten wir bewusst zwei sehr unterschiedliche Formate: Während im rund 10-minütigen Kunstsnack der Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger humorvoll und unterhaltsam kurze Fakten zu den Werken aus der Kunsthallensammlung präsentiert, ist die Kunstcouch ein längeres psychologisches Gesprächsformat. Die Hosts der Kunstcouch waren in der ersten Staffel der Psychotherapeut Umut Özdemir und die Autorin Jaqueline Scheiber. In der zweiten Staffel, die erst kürzlich startete, steht der Psychologe Can Isyapar Jaqueline als Gesprächspartner zur Seite. Ausgehend von unseren Sammlungswerken sprechen die beiden Hosts über soziale und psychologische Themen und Phänomene, die uns im Alltag bewegen. Der „Alltag“ bzw. das „alltägliche“ Leben spielt generell bei der Konzeption digitaler Angebote der Kunsthalle eine Rolle. Wir verfügen über eine großartige Sammlung, die aber stark fürstlich geprägt ist. Es gibt Besucher*innen, die sich fragen, was das eigentlich mit ihnen zu tun hat. Dabei arbeitet die Sammlung die großen Themen der Menschheitsgeschichte auf: Es geht um Liebe, Eifersucht, Trauer, Narzissmus, toxische Beziehungen – dieses Spannungsfeld zeigt sich sowohl in unseren Werken wieder als auch in den Künstler*innenbiografien. Da das Aufzeigen dieser Ebene im Ausstellungskontext oft nicht möglich ist, sind digitale Vermittlungsangebote wie der Kunstsnack oder die Kunstcouch ein guter Weg, um die Menschen direkt im eigenen Alltag abzuholen und um Identifikation zu stiften.

Kunst im Kino

Eine analoge Kommunikationsmaßnahme, die die „geschlossene“ Kunsthalle im lokalen Kulturgeschehen auch außerhalb der ZKM-Ausstellung lebendig halten sollte, war die Reihe Alles über Kunst in Kooperation mit dem Karlsruher Programmkino Schauburg. In enger Abstimmung mit dem Kino wurde eine Filmreihe kuratiert, die durch die Kunsthallen-Sammlung inspiriert war. Hierbei trafen die unterschiedlichsten Filmgenres aufeinander: Von Dokumentationen wie Vermeer – Reise ins Licht oder Peggy Guggenheim – Ein Leben für die Kunst bis hin zu fiktivem Stoff aus Hollywood mit Wie klaut man eine Million?: Jeder dieser Filme wurde vor Ort durch eine*n Kolleg*in der Kunsthalle kunsthistorisch eingeführt. In der darauffolgenden Woche fand eine dazu thematisch passende Führung in der ZKM-Ausstellung oder auch letztmalig im Hauptgebäude der geschlossenen Kunsthalle statt. Die Verbindung von Kunst und Kino fand glücklicherweise sehr großen Anklang. Die Kooperation war vor allem dadurch erfolgreich, dass mit der Schauburg eine Partnerin gefunden wurde, mit der sich viele Karlsruher*innen identifizieren. Mit Kinobesucher*innen erreichten wir ein Publikum, das per se als kulturaffin eingestuft werden kann. Die Begegnungen und die Gespräche mit den Teilnehmenden haben aber dennoch gezeigt, dass viele aus dem Kinopublikum die Kunsthalle bzw. das neue Domizil im ZKM noch nicht aufgesucht hatten. So konnte über das Medium Film eine Brücke für den Museumsbesuch gebaut werden. Dies zeigt einmal mehr, dass auch die Konzeption und Durchführungen von Veranstaltungen – jenseits von konventionellen Führungen – die Sichtbarkeit auch an anderen Orten noch einmal deutlich steigern können. Auf vielfacher Nachfrage wird diese Kooperation weitergeführt, worauf wir uns schon sehr freuen.

Digital vs. analog?

Es ist paradox: Während der Corona-Zeit waren sich schnell alle einig, dass die digitale Kommunikation ein wichtiges und unerlässliches Standbein ist, denn schließlich war dies für eine lange Zeit die einzige Möglichkeit, am Leben außerhalb von Quarantäne teilhaben zu können. Es war das einzige Mittel, wie man sich begegnen und seine liebsten Kultureinrichtungen besuchen konnte. Selbst Skeptiker*innen – sei es im eigenen Team oder innerhalb der Besucherschaft –  erkannten die Bedeutung des Digitalen an, was dazu führte, dass viele Museen und auch andere Einrichtungen endlich im Digitalen aufsatteln konnten, was zuvor vielleicht versäumt wurde. Jetzt – einige Zeit nach der akuten Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen – sind jedoch Rückschritte zu beobachten. Die 360°-Tour der Kunsthalle, die unabhängig von der Corona-Pandemie als Konservierung eines Museums gedacht war, das so nie wieder besuchbar sein wird, – erhielt neben einer Quiz-Challenge auch die Möglichkeit in der dortigen Umgebung eine Live-Führung stattfinden zu lassen. Sie sollen durch die so nicht mehr begehbare Architektur des Hauptgebäudes führen. Ein Umstand, der auch denjenigen Menschen zugutekommt, die aufgrund von körperlichen oder geographischen Einschränkungen nicht mehr vor Ort sein können.  Dennoch lässt sich überall beobachten, dass der Schwerpunkt seit einiger Zeit vor allem auf analoge Führungsformate gesetzt wird, obwohl diese zum Teil eine kleinere Zielgruppe erreichen als es virtuelle Führungen tun. Sollte es nicht auch an dieser Stelle viel eher das Ziel sein, die analoge und die digitale Vermittlungsebene als gleichwertig zu betrachten? Und mit Blick auf die Konkurrenz in Sachen Onlineangebote außerhalb der Kulturblase: Macht es nicht Sinn – inspiriert von den großen Player*innen – diese Angebote zu professionalisieren und auszubauen, statt sich zurückzuziehen?

Große Herausforderungen brauchen weiterhin große Ideen

Vor über zwei Jahren berichtete ich an dieser Stelle, dass wir vor allem viele Chancen im Transformationsgeschehen der Kunsthalle sehen, auch wenn wir immer wieder vor große Herausforderungen gestellt werden. Zum Ende meiner Dienstzeit in der Kunsthalle kann ich nun sagen,  dass das Team zum Glück weiterhin große Visionen und Ideen im Kopf hat und auch vor allem den Ansporn, unser Publikum und Nicht-Publikum besser kennenzulernen und sogar neu zu denken. Ein Schritt in diese Richtung ist die Teilnahme am Förderprogamm Weiterkommen! des Zentrums für kulturelle Teilhabe: Hierfür sind maßgeschneiderte digitale Angebote in Planung, um die kulturelle Teilhabe und zielgruppenspezifische Kunstvermittlung in diesem Bereich weiter zu verstetigen. Die Erkenntnisse, die wir bisher aus diesem Projekt ableiten konnten, zeigen, dass noch ein langer Atem notwendig ist. Aber das ist auch nicht verwunderlich, denn der Weg, das Nicht-Publikum zu erreichen, ist noch recht neu und hierbei muss erst einmal Grundlagenarbeit betrieben werden. Die Rückmeldungen aus der Community zu den einzelnen Maßnahmen zeigen aber dennoch, dass wir auf einem guten Weg sind, auch wenn wir uns weiterhin noch stärkere Interaktion und Diskurs wünschen würden. Daher wird das Team der Kunsthalle auch in den kommenden Jahren auf unterschiedliche Vermittlungsangebote setzen, denn eines steht zweifelsfrei fest: Es gibt nicht nur DAS Publikum bzw. EIN Angebot für alle. Dennoch ist das Museum ein Ort für ALLE, daran sollten wir weiterhin arbeiten. Und wenn ich mir also zum Abschied die Schlagwortwolken für die Kunsthalle in naher Zukunft überlegen dürfte, wären das: Vielfalt. Lebendigkeit. Offenheit.

Sarah Massumi, 5. April 2024

Von der Wand ins Netz, oder: Wie die Kunst ins Internet kommt

Der Louvre hat eine. Die National Gallery in London auch. Das Rijksmuseum in Amsterdam, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Nationalgalerie in Prag, der Prado in Madrid und natürlich erst recht das Metropolitan Museum of Art in New York – sie alle haben das, was man heutzutage von Museen ab einer gewissen Größe als „Grundausstattung“ erwarten darf: eine Onlinesammlung.

Unter der sprechenden Überschrift Collections, Sammlungen Online, Colección, Sammlung Digital u. v. m. wird hier das zentrale Herzstück der Institutionen – die Sammlung – Interessierten, Kunstliebhaber*innen, Bildungssuchenden und Forschenden weltweit virtuell zugänglich gemacht. Auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ging im Dezember 2011 mit einem digitalen Katalog, dem Vorläufer der heutigen Sammlung Online, an den Start und baut diesen seitdem kontinuierlich aus. Denn eine solche virtuelle Repräsentation des Bestandes ist nicht nur in Zeiten von geschlossen Museumstüren (sei es aufgrund von langjährigen Gebäude-Sanierungen oder Pandemien) von unschätzbarem Wert.

Doch wie kommt die Kunst eigentlich ins Internet? Welche Stationen durchläuft ein Objekt in unserem Museum und wer ist alles daran beteiligt, bis ein digitales Abbild und die zugehörigen Informationen auf der Museumswebseite erscheinen?

 

Digitalisierung ist Teamwork

Wie auch die Ausstellung eines Museumsobjektes im realen Raum erfordert die Bereitstellung von Digitalisaten abteilungsübergreifendes Teamwork. Alles beginnt mit der Entscheidung, welche Werke oder Konvolute als erstes (oder als nächstes) bearbeitet und online gestellt werden sollen. Im Hinblick auf limitierte personelle und zeitliche Ressourcen setzen Direktion und Sammlungsleiter*innen die Prioritäten: welche Bestände sind von besonderem Interesse und sollten vorrangig aufgearbeitet werden? Gibt es vielleicht Konvolute, die aufgrund von Forschungsanfragen oder Ausstellungsvorhaben fotografiert und anschließend, mit hochaufgelösten Bildern, online gestellt werden können?

 

Der Weg der Objekte

Dann beginnt der Weg der Objekte durch das Museum. Die Depotverwalter*innen für Gemälde und Plastik bzw. für das Kupferstichkabinett transportieren die Kunstwerke von ihren angestammten Plätzen im Depot in das hauseigene Fotoatelier der Kunsthalle. Nicht selten ist hierbei auch der Einsatz weiterer Kolleg*innen und/oder der Restaurator*innen notwendig. Denn großformatige Objekte, alte illustrierte Bücher, brüchiges Papier oder andere empfindliche Werke erfordern einen besonders umsichtigen Umgang und ein spezielles Setup, um im Bearbeitungsprozess nicht beschädigt zu werden.

Das Foto zeigt einen Fotografen der Kunsthalle, der gerade ein Kunstwerk fotografiert.

Unsere beiden Fotograf*innen fertigen hochaufgelöste, digitale Fotografien von den Vorder- und Rückseiten der Gemälde und Papierarbeiten an, von dreidimensionalen Werken (also Skulpturen und Plastiken) werden mehrere Ansichten aufgenommen. Die Kolleg*innen stellen sicher, dass die Aufnahmen eine ausreichend gute Qualität sowohl für gedruckte Veröffentlichungen als auch für Onlinepublikationen aufweisen und farbgetreu sind. Ist dies erledigt, werden die Objekte wieder zurück an ihre Aufbewahrungsorte gebracht. Ein positiver Nebeneffekt: einmal fotografierte Werke werden langfristig geschont, da sie für eine Begutachtung nicht mehr jedes Mal bewegt werden müssen. Auch schwer zugängliche Kunst, die besonders unhandlich ist oder sich andernorts befindet, ist dadurch gewissermaßen einfacher erreichbar.

 

Das Wissen über die Objekte

Die digitalen Aufnahmen werden anschließend in der internen Sammlungsdatenbank Imdas Pro abgelegt bzw. mit dieser verknüpft. Eine Museumsdatenbank stellt nicht nur für die Onlinesammlung das grundlegende Werkzeug dar: Das zuvor analog auf Inventarbücher, Karteikarten, Standortkarteien, Bildakten und Literatur verteilte Wissen über die Kunstwerke wird hier zentral, strukturiert und idealerweise so vollständig wie möglich abgelegt. Dokumentar*innen, Kurator*innen, Provenienzforscher*innen, Restaurator*innen, Registrars, Depotverwalter*innen – sie alle geben Informationen ein, pflegen, prüfen und korrigieren die Daten und greifen bei ihrer täglichen Arbeit darauf zurück. In der Kunsthalle Karlsruhe begann die Arbeit mit der Sammlungsdatenbank (passenderweise) mit Adam und Eva: Albrecht Dürers Kupferstich von 1504 war im Jahr 2001 das erste Werk, das mit einem Datensatz in Imdas Pro erfasst wurde.

Links ist ein Kunstwerk von Albrecht Dürer zu sehen. Rechts und in der Mitte liegen handschriftliche Notizen dazu.
Auf dem Screenshot ist die imdas Datenbank zu sehen, wo einige Informationen zu einem Kunstwerk von Albrecht Dürer eingetragen sind.

Nach einem langjährigen Projekt sind wir im Bereich der digitalen Grundinventarisierung sehr gut aufgestellt: Nahezu sämtliche Kunstobjekte sind in der Sammlungsdatenbank mindestens mit einem Basisdatensatz und einem Arbeitsfoto erfasst, mit dem sich ein Werk rasch identifizieren lässt – die wesentlichen Grundlagen für eine weitere Bearbeitung und spätere Veröffentlichung.

 

Der Weg der Daten in die Welt

Hat das mit den Objekten verbundene Wissen (die sogenannten Metadaten) seinen Weg vom Papier in die Datenbank gefunden, so muss es von hier aus – gemeinsam mit dem digitalen Bild – hinaus in die Welt. Und das erfordert, anders als man es vielleicht erwartet, etwas mehr als nur einen Knopfdruck: nämlich die enge Zusammenarbeit von Kolleg*innen aus den Abteilungen Kommunikation und Sammlung/Wissenschaft mit verschiedenen externen Dienstleistern.

Diese unterstützen uns zum einen dabei, die gewünschten Informationen mittels einer technischen Schnittstelle aus der Sammlungsdatenbank auszugeben. Zum anderen sorgen sie dafür, dass die Inhalte wie gewünscht in unserer Sammlung Online, dargestellt werden. Eine klare und ansprechende Gestaltung sowie die reibungslose und nutzungsfreundliche Funktion der Website sind hierbei das A und O.

Auf dem Foto sieht man eine Abbildung von Albrecht Dürers "Adam und Eva" im Rahmen der Sammlung online der Kunsthalle Karlsruhe.

Eine unendliche Geschichte?

Über 10 000 Kunstwerke aus dem Bestand der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe sind aktuell in der Sammlung Online aufrufbar. Das Angebot wächst stetig weiter, sowohl in absoluten Zahlen als auch in der Qualität der zur Verfügung gestellten Daten. Die sogenannte „Erschließungstiefe“, d. h. die Detailliertheit der mit einem Objekt verknüpften Informationen, reicht mittlerweile von den grundlegenden Basisdatensätzen mit einem niedrig aufgelösten Foto bis hin zu ausführlichen Werkdatensätzen mit Bildbeschreibungen, hochaufgelösten und (wo rechtlich möglich) frei downloadbaren Abbildungen, Rückseitenfotografien, Angaben zu Trivia, Ausstellungen und Literatur sowie wissenschaftlichen Kommentaren. Hinzu kommen weiterführende Inhalte vermittelnder Natur, wie die Einbindung von digitalen Touren, Blogbeiträgen, literarischen Auseinandersetzungen mit und detaillierten Betrachtungen von Kunstwerken aller Sammlungsbereiche.

Angesichts des Umfangs der Bestände ist klar: Die Arbeit an unserer Sammlung Online ist nicht nur work in progress – sie ist eine Aufgabe ohne Schlusspunkt. Denn es geht nicht allein um die fortlaufende inhaltliche Anreicherung, Prüfung und Publikation von Daten zu den vorhandenen Werken. Sowohl die Sammlung als auch unser Wissen zu den Kunstobjekten wächst und verändert sich und wird konstante Pflege und Zuwendung erfordern, um den Ansprüchen an Zuverlässigkeit und Aktualität zu genügen.

Hinzu kommt: Neben der (Weiter-)Entwicklung der technischen Infrastruktur im Hintergrund, die für die Websitebesucher*innen zumeist unsichtbar ist, werden wir abteilungsübergreifend auch an dem „Wie“ des Angebotes kontinuierlich weiterarbeiten. Denn die Nutzungsgewohnheiten und Erwartungshaltungen der vielfältigen, virtuellen Besucher*innengruppen sind ebenfalls einem fortwährenden Wandel unterworfen. Ein regelmäßiger Blick nach rechts und links, der regelmäßige Austausch mit Museumskolleg*innen im In- und Ausland sowie (potentiellen) Nutzer*innen ist dabei stets Inspiration und Ansporn.

Von ihren physischen Aufbewahrungsorten an Wänden, in Kästen und Regalen hat es die Kunst ins Internet geschafft – wohin ihre Reise von hier aus führt, liegt nun auch in der Hand der Betrachter*innen!

Dr. Leonie Beiersdorf, 11. März 2024

Ramadan Mubarak!

Strenge Symmetrien, aufwendigste Stuckarbeiten, antike Holzdecken und farbenfrohe Kacheln sind Beispiele des anspruchsvollen muslimischen Kunsthandwerks und lassen bis heute Besucher*innen erstaunen.

Die Rede ist von der atemberaubenden Architektur der Nasridenpaläste, dem ursprünglichen Sitz der muslimischen Herrscher innerhalb der Alhambra im andalusischen Granada. Von außen glatt, entfalten die Wände im Innern eine enorme Pracht. Zurecht zählt die Alhambra mit ihrer Zitadelle, den Palastbauten, Wasserkanälen, Gärten und mit den späteren christlichen Sakralbauten seit 1984 zum UNESCO-Kulturerbe.

Während heute die meisten Fotografien dieser Räumlichkeiten die Fülle des Ornaments feiern, wählte Felix Alexander Oppenheim 1852 einen anderen Blickwinkel. Der angehende Jurist war als Privatier zur Fotografie gekommen, kaum, dass diese neue Technologie zur Erfassung der Wirklichkeit publik geworden war. Seine extrem frühe Aufnahme aus den Nasridenpalästen in der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe zeigt den Eingangsbereich des Torre de los Comares mit seinen schlanken vorgelagerten Säulen linkerhand, woran sich rechts im Bild der Thronsaal (auch Botschaftersaal) anschließen würde.

Die Abbildung einer Fotografie zeigt den Eingangsbereich des Torre de los Comares mit schlanken Säulen. Es ist die Schwelle in einen imposanten Raum.

Wir stehen jedoch nur an der Schwelle zu diesem imposanten Raum, ohne hineinblicken zu dürfen. Denn an diesem Übergang führt uns Oppenheim eine formale Analogie zwischen dem großen maurischen Bogengang zum Innenhof und dem Bogen der kleinen Wandnische vor Augen, die in einem tiefen Schwarz versinkt und darüber das reiche Stuck-Ornament nur als Idee aufscheinen lässt.

Durch die angewandte Technik des Salzpapierabzugs erscheinen die an sich fein ziselierten Wölbungen und Grate wenig konturscharf, eher weich und ätherisch. Die Alhambra liegt so wie unter einem Schleier und tritt als ein geheimnisvoller Ort in Erscheinung, dessen Schönheit über die Jahrhunderte hinweg bezaubert, auch vage Vorstellungen vom Exotischen und Anderen bedient und bis heute einen ungebrochenen Touristenmagnet darstellt.

Die Alhambra zählt zu den bedeutendsten Zeugnissen maurischer Baukultur, wie man sie in Andalusien und dem Maghreb finden kann. Sie steht außerdem für die Geschichte der islamischen Kunst und Kultur in Europa, die von der sukzessiven Eroberung des Reichs der Westgoten durch muslimische Berber im Jahr 711 bis zur sogenannten Rückeroberung Granadas durch die vereinigten christlichen Truppen Spaniens im Jahr 1492 währte. In anderen Worten: über 700 Jahre lang war der Islam früher schon einmal kontinuierlich in Europa beheimatet und hat ein reiches Erbe hinterlassen, das sich auch in der Gegenwart in zahlreichen transkulturellen Formen zeigt – von der Sprache und der Geistesgeschichte über die materiellen Zeugnisse der Baukultur bis hin zur Kulinarik.

In diesen Tagen begehen Muslim:innen den heiligen Fastenmonat Ramadan, eine Zeit der inneren Einkehr, während der man sich körperlich einschränkt und insgesamt ein wenig zurücknimmt, um der Spiritualität Raum zu lassen und in Familie oder Gemeinde das abendliche Fastenbrechen zu zelebrieren. Allen Muslim:innen wünschen wir eine friedliche Zeit des Miteinanders – Ramadan Mubarak!

Sarah Massumi, 5. April 2024

Von der Wand ins Netz, oder: Wie die Kunst ins Internet kommt

Der Louvre hat eine. Die National Gallery in London auch. Das Rijksmuseum in Amsterdam, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Nationalgalerie in Prag, der Prado in Madrid und natürlich erst recht das Metropolitan Museum of Art in New York – sie alle haben das, was man heutzutage von Museen ab einer gewissen Größe als „Grundausstattung“ erwarten darf: eine Onlinesammlung.

Unter der sprechenden Überschrift Collections, Sammlungen Online, Colección, Sammlung Digital u. v. m. wird hier das zentrale Herzstück der Institutionen – die Sammlung – Interessierten, Kunstliebhaber*innen, Bildungssuchenden und Forschenden weltweit virtuell zugänglich gemacht. Auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ging im Dezember 2011 mit einem digitalen Katalog, dem Vorläufer der heutigen Sammlung Online, an den Start und baut diesen seitdem kontinuierlich aus. Denn eine solche virtuelle Repräsentation des Bestandes ist nicht nur in Zeiten von geschlossen Museumstüren (sei es aufgrund von langjährigen Gebäude-Sanierungen oder Pandemien) von unschätzbarem Wert.

Doch wie kommt die Kunst eigentlich ins Internet? Welche Stationen durchläuft ein Objekt in unserem Museum und wer ist alles daran beteiligt, bis ein digitales Abbild und die zugehörigen Informationen auf der Museumswebseite erscheinen?

 

Digitalisierung ist Teamwork

Wie auch die Ausstellung eines Museumsobjektes im realen Raum erfordert die Bereitstellung von Digitalisaten abteilungsübergreifendes Teamwork. Alles beginnt mit der Entscheidung, welche Werke oder Konvolute als erstes (oder als nächstes) bearbeitet und online gestellt werden sollen. Im Hinblick auf limitierte personelle und zeitliche Ressourcen setzen Direktion und Sammlungsleiter*innen die Prioritäten: welche Bestände sind von besonderem Interesse und sollten vorrangig aufgearbeitet werden? Gibt es vielleicht Konvolute, die aufgrund von Forschungsanfragen oder Ausstellungsvorhaben fotografiert und anschließend, mit hochaufgelösten Bildern, online gestellt werden können?

 

Der Weg der Objekte

Dann beginnt der Weg der Objekte durch das Museum. Die Depotverwalter*innen für Gemälde und Plastik bzw. für das Kupferstichkabinett transportieren die Kunstwerke von ihren angestammten Plätzen im Depot in das hauseigene Fotoatelier der Kunsthalle. Nicht selten ist hierbei auch der Einsatz weiterer Kolleg*innen und/oder der Restaurator*innen notwendig. Denn großformatige Objekte, alte illustrierte Bücher, brüchiges Papier oder andere empfindliche Werke erfordern einen besonders umsichtigen Umgang und ein spezielles Setup, um im Bearbeitungsprozess nicht beschädigt zu werden.

Sarah Massumi, 5. April 2024

Von der Wand ins Netz, oder: Wie die Kunst ins Internet kommt

Der Louvre hat eine. Die National Gallery in London auch. Das Rijksmuseum in Amsterdam, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Nationalgalerie in Prag, der Prado in Madrid und natürlich erst recht das Metropolitan Museum of Art in New York – sie alle haben das, was man heutzutage von Museen ab einer gewissen Größe als „Grundausstattung“ erwarten darf: eine Onlinesammlung.

Unter der sprechenden Überschrift Collections, Sammlungen Online, Colección, Sammlung Digital u. v. m. wird hier das zentrale Herzstück der Institutionen – die Sammlung – Interessierten, Kunstliebhaber*innen, Bildungssuchenden und Forschenden weltweit virtuell zugänglich gemacht. Auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ging im Dezember 2011 mit einem digitalen Katalog, dem Vorläufer der heutigen Sammlung Online, an den Start und baut diesen seitdem kontinuierlich aus. Denn eine solche virtuelle Repräsentation des Bestandes ist nicht nur in Zeiten von geschlossen Museumstüren (sei es aufgrund von langjährigen Gebäude-Sanierungen oder Pandemien) von unschätzbarem Wert.

Doch wie kommt die Kunst eigentlich ins Internet? Welche Stationen durchläuft ein Objekt in unserem Museum und wer ist alles daran beteiligt, bis ein digitales Abbild und die zugehörigen Informationen auf der Museumswebseite erscheinen?

 

Digitalisierung ist Teamwork

Wie auch die Ausstellung eines Museumsobjektes im realen Raum erfordert die Bereitstellung von Digitalisaten abteilungsübergreifendes Teamwork. Alles beginnt mit der Entscheidung, welche Werke oder Konvolute als erstes (oder als nächstes) bearbeitet und online gestellt werden sollen. Im Hinblick auf limitierte personelle und zeitliche Ressourcen setzen Direktion und Sammlungsleiter*innen die Prioritäten: welche Bestände sind von besonderem Interesse und sollten vorrangig aufgearbeitet werden? Gibt es vielleicht Konvolute, die aufgrund von Forschungsanfragen oder Ausstellungsvorhaben fotografiert und anschließend, mit hochaufgelösten Bildern, online gestellt werden können?

 

Der Weg der Objekte

Dann beginnt der Weg der Objekte durch das Museum. Die Depotverwalter*innen für Gemälde und Plastik bzw. für das Kupferstichkabinett transportieren die Kunstwerke von ihren angestammten Plätzen im Depot in das hauseigene Fotoatelier der Kunsthalle. Nicht selten ist hierbei auch der Einsatz weiterer Kolleg*innen und/oder der Restaurator*innen notwendig. Denn großformatige Objekte, alte illustrierte Bücher, brüchiges Papier oder andere empfindliche Werke erfordern einen besonders umsichtigen Umgang und ein spezielles Setup, um im Bearbeitungsprozess nicht beschädigt zu werden.

Unsere beiden Fotograf*innen fertigen hochaufgelöste, digitale Fotografien von den Vorder- und Rückseiten der Gemälde und Papierarbeiten an, von dreidimensionalen Werken (also Skulpturen und Plastiken) werden mehrere Ansichten aufgenommen. Die Kolleg*innen stellen sicher, dass die Aufnahmen eine ausreichend gute Qualität sowohl für gedruckte Veröffentlichungen als auch für Onlinepublikationen aufweisen und farbgetreu sind. Ist dies erledigt, werden die Objekte wieder zurück an ihre Aufbewahrungsorte gebracht. Ein positiver Nebeneffekt: einmal fotografierte Werke werden langfristig geschont, da sie für eine Begutachtung nicht mehr jedes Mal bewegt werden müssen. Auch schwer zugängliche Kunst, die besonders unhandlich ist oder sich andernorts befindet, ist dadurch gewissermaßen einfacher erreichbar.

 

Das Wissen über die Objekte

Die digitalen Aufnahmen werden anschließend in der internen Sammlungsdatenbank Imdas Pro abgelegt bzw. mit dieser verknüpft. Eine Museumsdatenbank stellt nicht nur für die Onlinesammlung das grundlegende Werkzeug dar: Das zuvor analog auf Inventarbücher, Karteikarten, Standortkarteien, Bildakten und Literatur verteilte Wissen über die Kunstwerke wird hier zentral, strukturiert und idealerweise so vollständig wie möglich abgelegt. Dokumentar*innen, Kurator*innen, Provenienzforscher*innen, Restaurator*innen, Registrars, Depotverwalter*innen – sie alle geben Informationen ein, pflegen, prüfen und korrigieren die Daten und greifen bei ihrer täglichen Arbeit darauf zurück. In der Kunsthalle Karlsruhe begann die Arbeit mit der Sammlungsdatenbank (passenderweise) mit Adam und Eva: Albrecht Dürers Kupferstich von 1504 war im Jahr 2001 das erste Werk, das mit einem Datensatz in Imdas Pro erfasst wurde.

Links ist ein Kunstwerk von Albrecht Dürer zu sehen. Rechts und in der Mitte liegen handschriftliche Notizen dazu.

Nach einem langjährigen Projekt sind wir im Bereich der digitalen Grundinventarisierung sehr gut aufgestellt: Nahezu sämtliche Kunstobjekte sind in der Sammlungsdatenbank mindestens mit einem Basisdatensatz und einem Arbeitsfoto erfasst, mit dem sich ein Werk rasch identifizieren lässt – die wesentlichen Grundlagen für eine weitere Bearbeitung und spätere Veröffentlichung.

 

Der Weg der Daten in die Welt

Hat das mit den Objekten verbundene Wissen (die sogenannten Metadaten) seinen Weg vom Papier in die Datenbank gefunden, so muss es von hier aus – gemeinsam mit dem digitalen Bild – hinaus in die Welt. Und das erfordert, anders als man es vielleicht erwartet, etwas mehr als nur einen Knopfdruck: nämlich die enge Zusammenarbeit von Kolleg*innen aus den Abteilungen Kommunikation und Sammlung/Wissenschaft mit verschiedenen externen Dienstleistern.

Diese unterstützen uns zum einen dabei, die gewünschten Informationen mittels einer technischen Schnittstelle aus der Sammlungsdatenbank auszugeben. Zum anderen sorgen sie dafür, dass die Inhalte wie gewünscht in unserer Sammlung Online, dargestellt werden. Eine klare und ansprechende Gestaltung sowie die reibungslose und nutzungsfreundliche Funktion der Website sind hierbei das A und O.

Eine unendliche Geschichte?

Über 10 000 Kunstwerke aus dem Bestand der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe sind aktuell in der Sammlung Online aufrufbar. Das Angebot wächst stetig weiter, sowohl in absoluten Zahlen als auch in der Qualität der zur Verfügung gestellten Daten. Die sogenannte „Erschließungstiefe“, d. h. die Detailliertheit der mit einem Objekt verknüpften Informationen, reicht mittlerweile von den grundlegenden Basisdatensätzen mit einem niedrig aufgelösten Foto bis hin zu ausführlichen Werkdatensätzen mit Bildbeschreibungen, hochaufgelösten und (wo rechtlich möglich) frei downloadbaren Abbildungen, Rückseitenfotografien, Angaben zu Trivia, Ausstellungen und Literatur sowie wissenschaftlichen Kommentaren. Hinzu kommen weiterführende Inhalte vermittelnder Natur, wie die Einbindung von digitalen Touren, Blogbeiträgen, literarischen Auseinandersetzungen mit und detaillierten Betrachtungen von Kunstwerken aller Sammlungsbereiche.

Angesichts des Umfangs der Bestände ist klar: Die Arbeit an unserer Sammlung Online ist nicht nur work in progress – sie ist eine Aufgabe ohne Schlusspunkt. Denn es geht nicht allein um die fortlaufende inhaltliche Anreicherung, Prüfung und Publikation von Daten zu den vorhandenen Werken. Sowohl die Sammlung als auch unser Wissen zu den Kunstobjekten wächst und verändert sich und wird konstante Pflege und Zuwendung erfordern, um den Ansprüchen an Zuverlässigkeit und Aktualität zu genügen.

Hinzu kommt: Neben der (Weiter-)Entwicklung der technischen Infrastruktur im Hintergrund, die für die Websitebesucher*innen zumeist unsichtbar ist, werden wir abteilungsübergreifend auch an dem „Wie“ des Angebotes kontinuierlich weiterarbeiten. Denn die Nutzungsgewohnheiten und Erwartungshaltungen der vielfältigen, virtuellen Besucher*innengruppen sind ebenfalls einem fortwährenden Wandel unterworfen. Ein regelmäßiger Blick nach rechts und links, der regelmäßige Austausch mit Museumskolleg*innen im In- und Ausland sowie (potentiellen) Nutzer*innen ist dabei stets Inspiration und Ansporn.

Von ihren physischen Aufbewahrungsorten an Wänden, in Kästen und Regalen hat es die Kunst ins Internet geschafft – wohin ihre Reise von hier aus führt, liegt nun auch in der Hand der Betrachter*innen!

Das Gemälde zeigt eine Ansicht des St. Anthonispoort in Amsterdam bei blauem Himmel. Einige Fußgänger*innen sind unterwegs.

Eine atmende Sammlung

Nach 2007 tätigte Hermann Röchling nur noch einzelne Erwerbungen, jedoch von ausgesuchter Qualität, so etwa zwei Werke von David Teniers – eines seiner seltenen Stillleben und das Familienkonzert mit dem Selbstbildnis des Künstlers – sowie ein Blumenstück von Isaak Soreau. Ein wirkliches Juwel ist auch Adriaen Coortes Stillleben Drei Pfirsiche mit Schmetterling, Anfang Dezember 2014 ersteigert. Zwei Monate später schrieb Hermann Röchling an George Gordon, seinen Berater bei Sotheby’s, über dieses Bild: „Der schöne Katalog hat mich veranlasst, das mir selbst gesetzte Preislimit mutig zu erhöhen. Nun bin ich glücklich über den schönen Kauf und darf mich trotz meines immer noch schlechten Sehvermögens täglich an seinem Anblick erfreuen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich noch einmal zu einem so köstlichen Besitz aufraffen würde. Der wirklich hohe Preis hat mich jedenfalls bisher nie gereut.“

Abbildung eines Gemäldes, das drei Pfirsiche auf einem Steinsims zeigt. Außerdem ist ein Distelfalter zu sehen, der über den Pfirsichen fliegt.

2017 entschloss sich Hermann Röchling zu einer letzten bedeutenden Erwerbung: Erfolgreich bot er auf Giovanni Domenico Tiepolos Menuett, angeboten von Christie’s. Mit diesem heiter-beschwingten Gemälde fügte er der Gruppe von Arbeiten aus dem 18. Jahrhundert (Giovanni Battista und Giovanni Domenico Tiepolo, Cornelis Troost, Jacopo Amigoni, Januarius Zick, Jacques-Henri Sablet) ein besonderes Glanzstück hinzu. Allerdings verkaufte er im Gegenzug ein Gemälde von Teniers, das eine elegante Gesellschaft im Garten zeigt und in der großen Karlsruher Teniers-Ausstellung von 2006 zu sehen war. Dabei ging es dem Sammler wohl mehr um die freiwerdende Hängefläche als um das eingenommene Geld: Nur wenige Wände des Wohn- und des kleinen Arbeitszimmers dienten nämlich der Präsentation seiner Kunstsammlung. An diesen Wänden war es mit der Zeit trotz dichter Hängung eng geworden, was auch Hermann Röchlings zunehmende Vorliebe für Kleinformate und schmale Zierrahmen erklärt. Verkäufe aus der Sammlung hatte es schon in den Jahren zuvor gegeben. So trennte sich Hermann Röchling immer wieder mal von Bildern, die er nur wenige Jahre zuvor gekauft hatte – darunter Werke von Lucas Cranach, Salomon de Bray und François Boucher. Es war eine lebende, eine ein- und ausatmende Sammlung.

Dem Gemeinwohl verpflichtet

Hermann Röchling ist nicht nur ein Mensch von großer Höflichkeit, sondern ein Philanthrop gewesen. Er lebte weltfern, ohne weltfremd zu sein. Sieht man von seinem teuren Hobby, dem Kunstsammeln, ab, so war er persönlich anspruchslos. Seinen Wohlstand wollte er mit der Allgemeinheit teilen. Das belegt nicht nur sein Vermächtnis zugunsten der Kunsthalle, sondern vor allem die 2008 von ihm gegründete Fontana-Stiftung. Sie unterstützt seither in starkem Maße karitative, kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen. Der Name der Stiftung leitet sich von einem Lieblingsgemälde Hermann Röchlings ab, das sich nun in der Kunsthalle befindet: Lavinia Fontanas mystische Heirat der heiligen Katharina. Es handelt sich um ein signiertes, kleines, um 1575 auf Kupfer gemaltes Frühwerk der später sehr erfolgreichen Malerin. Aber der Name „Fontana“ lässt auch an einen Brunnen denken, der tatsächlich in segensreicher Weise sprudelt. Davon profitiert auch weiterhin die Karlsruher Kunsthalle.

Im Oktober 2020 starb Hermann Röchling in Baden-Baden und wurde kurz darauf in Saarbrücken beigesetzt. Prof. Dr. Stephan Scherer, Vorsitzender der Fontana-Stiftung und langjähriger Vertrauter des Verstorbenen, gab seiner Trauerrede den Titel „Ein Leben in Bescheidenheit, Großmut und Höflichkeit“.

Sarah Massumi, 5. April 2024

Von der Wand ins Netz, oder: Wie die Kunst ins Internet kommt

Der Louvre hat eine. Die National Gallery in London auch. Das Rijksmuseum in Amsterdam, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Nationalgalerie in Prag, der Prado in Madrid und natürlich erst recht das Metropolitan Museum of Art in New York – sie alle haben das, was man heutzutage von Museen ab einer gewissen Größe als „Grundausstattung“ erwarten darf: eine Onlinesammlung.

Unter der sprechenden Überschrift Collections, Sammlungen Online, Colección, Sammlung Digital u. v. m. wird hier das zentrale Herzstück der Institutionen – die Sammlung – Interessierten, Kunstliebhaber*innen, Bildungssuchenden und Forschenden weltweit virtuell zugänglich gemacht. Auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ging im Dezember 2011 mit einem digitalen Katalog, dem Vorläufer der heutigen Sammlung Online, an den Start und baut diesen seitdem kontinuierlich aus. Denn eine solche virtuelle Repräsentation des Bestandes ist nicht nur in Zeiten von geschlossen Museumstüren (sei es aufgrund von langjährigen Gebäude-Sanierungen oder Pandemien) von unschätzbarem Wert.

Doch wie kommt die Kunst eigentlich ins Internet? Welche Stationen durchläuft ein Objekt in unserem Museum und wer ist alles daran beteiligt, bis ein digitales Abbild und die zugehörigen Informationen auf der Museumswebseite erscheinen?

 

Digitalisierung ist Teamwork

Wie auch die Ausstellung eines Museumsobjektes im realen Raum erfordert die Bereitstellung von Digitalisaten abteilungsübergreifendes Teamwork. Alles beginnt mit der Entscheidung, welche Werke oder Konvolute als erstes (oder als nächstes) bearbeitet und online gestellt werden sollen. Im Hinblick auf limitierte personelle und zeitliche Ressourcen setzen Direktion und Sammlungsleiter*innen die Prioritäten: welche Bestände sind von besonderem Interesse und sollten vorrangig aufgearbeitet werden? Gibt es vielleicht Konvolute, die aufgrund von Forschungsanfragen oder Ausstellungsvorhaben fotografiert und anschließend, mit hochaufgelösten Bildern, online gestellt werden können?

 

Der Weg der Objekte

Dann beginnt der Weg der Objekte durch das Museum. Die Depotverwalter*innen für Gemälde und Plastik bzw. für das Kupferstichkabinett transportieren die Kunstwerke von ihren angestammten Plätzen im Depot in das hauseigene Fotoatelier der Kunsthalle. Nicht selten ist hierbei auch der Einsatz weiterer Kolleg*innen und/oder der Restaurator*innen notwendig. Denn großformatige Objekte, alte illustrierte Bücher, brüchiges Papier oder andere empfindliche Werke erfordern einen besonders umsichtigen Umgang und ein spezielles Setup, um im Bearbeitungsprozess nicht beschädigt zu werden.

Unsere beiden Fotograf*innen fertigen hochaufgelöste, digitale Fotografien von den Vorder- und Rückseiten der Gemälde und Papierarbeiten an, von dreidimensionalen Werken (also Skulpturen und Plastiken) werden mehrere Ansichten aufgenommen. Die Kolleg*innen stellen sicher, dass die Aufnahmen eine ausreichend gute Qualität sowohl für gedruckte Veröffentlichungen als auch für Onlinepublikationen aufweisen und farbgetreu sind. Ist dies erledigt, werden die Objekte wieder zurück an ihre Aufbewahrungsorte gebracht. Ein positiver Nebeneffekt: einmal fotografierte Werke werden langfristig geschont, da sie für eine Begutachtung nicht mehr jedes Mal bewegt werden müssen. Auch schwer zugängliche Kunst, die besonders unhandlich ist oder sich andernorts befindet, ist dadurch gewissermaßen einfacher erreichbar.

 

Das Wissen über die Objekte

Die digitalen Aufnahmen werden anschließend in der internen Sammlungsdatenbank Imdas Pro abgelegt bzw. mit dieser verknüpft. Eine Museumsdatenbank stellt nicht nur für die Onlinesammlung das grundlegende Werkzeug dar: Das zuvor analog auf Inventarbücher, Karteikarten, Standortkarteien, Bildakten und Literatur verteilte Wissen über die Kunstwerke wird hier zentral, strukturiert und idealerweise so vollständig wie möglich abgelegt. Dokumentar*innen, Kurator*innen, Provenienzforscher*innen, Restaurator*innen, Registrars, Depotverwalter*innen – sie alle geben Informationen ein, pflegen, prüfen und korrigieren die Daten und greifen bei ihrer täglichen Arbeit darauf zurück. In der Kunsthalle Karlsruhe begann die Arbeit mit der Sammlungsdatenbank (passenderweise) mit Adam und Eva: Albrecht Dürers Kupferstich von 1504 war im Jahr 2001 das erste Werk, das mit einem Datensatz in Imdas Pro erfasst wurde.

Eine unendliche Geschichte?

Über 10 000 Kunstwerke aus dem Bestand der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe sind aktuell in der Sammlung Online aufrufbar. Das Angebot wächst stetig weiter, sowohl in absoluten Zahlen als auch in der Qualität der zur Verfügung gestellten Daten. Die sogenannte „Erschließungstiefe“, d. h. die Detailliertheit der mit einem Objekt verknüpften Informationen, reicht mittlerweile von den grundlegenden Basisdatensätzen mit einem niedrig aufgelösten Foto bis hin zu ausführlichen Werkdatensätzen mit Bildbeschreibungen, hochaufgelösten und (wo rechtlich möglich) frei downloadbaren Abbildungen, Rückseitenfotografien, Angaben zu Trivia, Ausstellungen und Literatur sowie wissenschaftlichen Kommentaren. Hinzu kommen weiterführende Inhalte vermittelnder Natur, wie die Einbindung von digitalen Touren, Blogbeiträgen, literarischen Auseinandersetzungen mit und detaillierten Betrachtungen von Kunstwerken aller Sammlungsbereiche.

Angesichts des Umfangs der Bestände ist klar: Die Arbeit an unserer Sammlung Online ist nicht nur work in progress – sie ist eine Aufgabe ohne Schlusspunkt. Denn es geht nicht allein um die fortlaufende inhaltliche Anreicherung, Prüfung und Publikation von Daten zu den vorhandenen Werken. Sowohl die Sammlung als auch unser Wissen zu den Kunstobjekten wächst und verändert sich und wird konstante Pflege und Zuwendung erfordern, um den Ansprüchen an Zuverlässigkeit und Aktualität zu genügen.

Hinzu kommt: Neben der (Weiter-)Entwicklung der technischen Infrastruktur im Hintergrund, die für die Websitebesucher*innen zumeist unsichtbar ist, werden wir abteilungsübergreifend auch an dem „Wie“ des Angebotes kontinuierlich weiterarbeiten. Denn die Nutzungsgewohnheiten und Erwartungshaltungen der vielfältigen, virtuellen Besucher*innengruppen sind ebenfalls einem fortwährenden Wandel unterworfen. Ein regelmäßiger Blick nach rechts und links, der regelmäßige Austausch mit Museumskolleg*innen im In- und Ausland sowie (potentiellen) Nutzer*innen ist dabei stets Inspiration und Ansporn.

Von ihren physischen Aufbewahrungsorten an Wänden, in Kästen und Regalen hat es die Kunst ins Internet geschafft – wohin ihre Reise von hier aus führt, liegt nun auch in der Hand der Betrachter*innen!

Das Gemälde zeigt eine Magd mit Eimer in einem Hinterhof.

Eine atmende Sammlung

Nach 2007 tätigte Hermann Röchling nur noch einzelne Erwerbungen, jedoch von ausgesuchter Qualität, so etwa zwei Werke von David Teniers – eines seiner seltenen Stillleben und das Familienkonzert mit dem Selbstbildnis des Künstlers – sowie ein Blumenstück von Isaak Soreau. Ein wirkliches Juwel ist auch Adriaen Coortes Stillleben Drei Pfirsiche mit Schmetterling, Anfang Dezember 2014 ersteigert. Zwei Monate später schrieb Hermann Röchling an George Gordon, seinen Berater bei Sotheby’s, über dieses Bild: „Der schöne Katalog hat mich veranlasst, das mir selbst gesetzte Preislimit mutig zu erhöhen. Nun bin ich glücklich über den schönen Kauf und darf mich trotz meines immer noch schlechten Sehvermögens täglich an seinem Anblick erfreuen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich noch einmal zu einem so köstlichen Besitz aufraffen würde. Der wirklich hohe Preis hat mich jedenfalls bisher nie gereut.“

Sarah Massumi, 5. April 2024

Von der Wand ins Netz, oder: Wie die Kunst ins Internet kommt

Der Louvre hat eine. Die National Gallery in London auch. Das Rijksmuseum in Amsterdam, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Nationalgalerie in Prag, der Prado in Madrid und natürlich erst recht das Metropolitan Museum of Art in New York – sie alle haben das, was man heutzutage von Museen ab einer gewissen Größe als „Grundausstattung“ erwarten darf: eine Onlinesammlung.

Unter der sprechenden Überschrift Collections, Sammlungen Online, Colección, Sammlung Digital u. v. m. wird hier das zentrale Herzstück der Institutionen – die Sammlung – Interessierten, Kunstliebhaber*innen, Bildungssuchenden und Forschenden weltweit virtuell zugänglich gemacht. Auch die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ging im Dezember 2011 mit einem digitalen Katalog, dem Vorläufer der heutigen Sammlung Online, an den Start und baut diesen seitdem kontinuierlich aus. Denn eine solche virtuelle Repräsentation des Bestandes ist nicht nur in Zeiten von geschlossen Museumstüren (sei es aufgrund von langjährigen Gebäude-Sanierungen oder Pandemien) von unschätzbarem Wert.

Doch wie kommt die Kunst eigentlich ins Internet? Welche Stationen durchläuft ein Objekt in unserem Museum und wer ist alles daran beteiligt, bis ein digitales Abbild und die zugehörigen Informationen auf der Museumswebseite erscheinen?

 

Digitalisierung ist Teamwork

Wie auch die Ausstellung eines Museumsobjektes im realen Raum erfordert die Bereitstellung von Digitalisaten abteilungsübergreifendes Teamwork. Alles beginnt mit der Entscheidung, welche Werke oder Konvolute als erstes (oder als nächstes) bearbeitet und online gestellt werden sollen. Im Hinblick auf limitierte personelle und zeitliche Ressourcen setzen Direktion und Sammlungsleiter*innen die Prioritäten: welche Bestände sind von besonderem Interesse und sollten vorrangig aufgearbeitet werden? Gibt es vielleicht Konvolute, die aufgrund von Forschungsanfragen oder Ausstellungsvorhaben fotografiert und anschließend, mit hochaufgelösten Bildern, online gestellt werden können?

 

Der Weg der Objekte

Dann beginnt der Weg der Objekte durch das Museum. Die Depotverwalter*innen für Gemälde und Plastik bzw. für das Kupferstichkabinett transportieren die Kunstwerke von ihren angestammten Plätzen im Depot in das hauseigene Fotoatelier der Kunsthalle. Nicht selten ist hierbei auch der Einsatz weiterer Kolleg*innen und/oder der Restaurator*innen notwendig. Denn großformatige Objekte, alte illustrierte Bücher, brüchiges Papier oder andere empfindliche Werke erfordern einen besonders umsichtigen Umgang und ein spezielles Setup, um im Bearbeitungsprozess nicht beschädigt zu werden.

Unsere beiden Fotograf*innen fertigen hochaufgelöste, digitale Fotografien von den Vorder- und Rückseiten der Gemälde und Papierarbeiten an, von dreidimensionalen Werken (also Skulpturen und Plastiken) werden mehrere Ansichten aufgenommen. Die Kolleg*innen stellen sicher, dass die Aufnahmen eine ausreichend gute Qualität sowohl für gedruckte Veröffentlichungen als auch für Onlinepublikationen aufweisen und farbgetreu sind. Ist dies erledigt, werden die Objekte wieder zurück an ihre Aufbewahrungsorte gebracht. Ein positiver Nebeneffekt: einmal fotografierte Werke werden langfristig geschont, da sie für eine Begutachtung nicht mehr jedes Mal bewegt werden müssen. Auch schwer zugängliche Kunst, die besonders unhandlich ist oder sich andernorts befindet, ist dadurch gewissermaßen einfacher erreichbar.

 

Das Wissen über die Objekte

Die digitalen Aufnahmen werden anschließend in der internen Sammlungsdatenbank Imdas Pro abgelegt bzw. mit dieser verknüpft. Eine Museumsdatenbank stellt nicht nur für die Onlinesammlung das grundlegende Werkzeug dar: Das zuvor analog auf Inventarbücher, Karteikarten, Standortkarteien, Bildakten und Literatur verteilte Wissen über die Kunstwerke wird hier zentral, strukturiert und idealerweise so vollständig wie möglich abgelegt. Dokumentar*innen, Kurator*innen, Provenienzforscher*innen, Restaurator*innen, Registrars, Depotverwalter*innen – sie alle geben Informationen ein, pflegen, prüfen und korrigieren die Daten und greifen bei ihrer täglichen Arbeit darauf zurück. In der Kunsthalle Karlsruhe begann die Arbeit mit der Sammlungsdatenbank (passenderweise) mit Adam und Eva: Albrecht Dürers Kupferstich von 1504 war im Jahr 2001 das erste Werk, das mit einem Datensatz in Imdas Pro erfasst wurde.

Auf dem Bild wird ein großformatiges Gemälde der Kunsthalle Karlsruhe in einer Transportkiste mit einem Kran aus dem Fenster gehoben.

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Eine atmende Sammlung

Nach 2007 tätigte Hermann Röchling nur noch einzelne Erwerbungen, jedoch von ausgesuchter Qualität, so etwa zwei Werke von David Teniers – eines seiner seltenen Stillleben und das Familienkonzert mit dem Selbstbildnis des Künstlers – sowie ein Blumenstück von Isaak Soreau. Ein wirkliches Juwel ist auch Adriaen Coortes Stillleben Drei Pfirsiche mit Schmetterling, Anfang Dezember 2014 ersteigert. Zwei Monate später schrieb Hermann Röchling an George Gordon, seinen Berater bei Sotheby’s, über dieses Bild: „Der schöne Katalog hat mich veranlasst, das mir selbst gesetzte Preislimit mutig zu erhöhen. Nun bin ich glücklich über den schönen Kauf und darf mich trotz meines immer noch schlechten Sehvermögens täglich an seinem Anblick erfreuen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich noch einmal zu einem so köstlichen Besitz aufraffen würde. Der wirklich hohe Preis hat mich jedenfalls bisher nie gereut.“

Konservatorische Vorbereitungen

Bevor die Großformate ihre Reise antreten durften, war ihr Erhaltungszustand von den Restaurator*innen präzise analysiert und in Einzelheiten fotografisch festgehalten worden. Dann folgte bei Bedarf die punktuelle Festigung der Malschichten mit einem speziellen Klebemittel, um die Gemälde aus konservatorischer Sicht transportfähig zu machen und Beschädigungen vorzubeugen. Die Demontage der Bilder von den Museumswänden sowie die Abbaulogistik erfolgte nach einem streng ausgearbeiteten und durchgetakteten Plan: Bislang von einem Granitsockel im Feuerbachsaal gestützt, wurde etwa Das Gastmahl des Plato mittels Elektrohubwagen langsam und vorsichtig von der Wand gehoben. Das Gemälde war zuvor mit aufblasbaren Luftkissen unterlegt und etwas angehoben worden, um insbesondere Verletzungen des Rahmens zu verhindern. Während der Demontage verhinderten viele helfende Hände und verschiedene technische Hilfsmittel das Kippen des gerahmten Bildes, das dann auf zwei mobile Holzgerüste gestellt wurde. Anschließend lösten die Restaurator*innen das Gemälde aus seinem Rahmen und stabilisierten seine Rückseite mit schützendem Polyestervlies und Karton.

Auf dem Foto sieht man in einer Detailansicht wie ein Gemälde der Kunsthalle Karlsruhe mit Luiftkissen angehoben wird.
Auf dem Bild ist das Gemälde "Gastmahl des Plato" von Anselm Feuerbach zu sehen. Davor steht ein Spinnenkran.
Man sieht, wie das großformatige Gemälde "Gastmahl des Plato" von der Wand abgehängt wurde und auf einer Holzkonstruktion steht.
Auf dem Foto sieht man einen Kran der einen Rahmen eines großen Gemäldes hält. Der Rahmen wird gerade demontiert und für den Transport vorbereitet.
Eine Transportkiste steht offen bereit. Daneben steht das Gemälde, was darin verpackt werden soll.
Auf dem Foto sieht man, wie ein großes Gemälde der Kunsthalle Karlsruhe gerade in eine Kiste verpackt wird.

Ähnlich wie mit dem Gastmahl des Plato wurde im Vorfeld auch mit den anderen drei Großformaten verfahren, die in thermoisolierte Holzkisten gehoben und darin fest fixiert wurden. Während des gesamten Transports boten sie den Gemälden nicht nur Stabilität und Schutz vor mechanischen Beschädigungen, sondern dienten auch zum Ausgleich von Klimaschwankungen hinsichtlich der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit.

Inzwischen sind die Gemälde sicher in ihrem Interimsdepot angekommen. Der Umzug der Großformate ist beendet, das Team ist erleichtert und kann sich nun neuen Aufgaben widmen. Und die Gemälde warten auf ihre Rückkehr in die dann frisch sanierte Kunsthalle.

Dr. Leonie Beiersdorf im Gespräch mit Prof. Marcel van Eeden, 22. September 2023

Marcel van Eedens Künstlerische Forschung zu Hans Thoma

Marcel van Eeden ist diesjähriger Preisträger des Hans-Thoma-Preises. Mit Kuratorin Dr. Leonie Beiersdorf sprach er über seine Arbeit sowie seine kritische Betrachtung Hans Thomas.

Du bist der erste aus der Reihe bedeutender Hans-Thoma-Preisträger*innen, der sich der Künstlerischen Forschung widmet. Was verstehst du darunter und warum hast du dies zum Schwerpunkt deiner Arbeit gemacht?

Direkt eine schwierige Frage zum Einstieg. In meiner Arbeit beschäftige ich mich immer mit der Vergangenheit. Alle meine Arbeiten basieren auf historischen Fakten, die vor 1965, also vor meiner Geburt stattgefunden haben. Das heißt, dass es sich immer um eine Art Forschung handelt: da ich nicht dabei war, muss ich erforschen, was stattgefunden hat. Für mich ist es interessant, irgendwo hineinzugehen, wo ich eigentlich nicht hinkommen kann, aber es durch die Informationen trotzdem irgendwie schaffe. So funktioniert Geschichte: Man hat Informationen, aber ist kein Teil dessen. Der Versuch da hineinzukommen, sich hineinzuarbeiten, ist interessant für mich.

Die Künstlerische Forschung ist ja noch ein relativ junges künstlerisches Gebiet, eine Weiterentwicklung der Konzeptkunst mit wissenschaftlichem Anspruch. Kann man sagen, dass sie für dich als eine Art Reflexionspraxis funktioniert, insbesondere zum Thema Zeit, um neue Einsichten zu generieren?

Schon, ja. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich zu diesem künstlerischen Ansatz gekommen bin, aber ich weiß noch, dass ich mich mit Fotos von vor meiner Geburt auseinandergesetzt habe. Damit hat es angefangen. Mich hat es immer fasziniert, dass man ein Foto sehen kann von einem Moment, in dem man noch nicht im Leben war. Da laufen Leute, da ist eine Tram, da fahren Autos, aber ich selbst bin nicht im Leben, an diesem Tag, in diesem Moment, in dem das Foto gemacht wurde. Das finde ich faszinierend: Den Moment zu sehen von diesem bestimmten Tag, an dem das Licht auf eine bestimmte Weise fällt, die Tram fährt und ein Mann da entlangläuft. Es repräsentiert einen Moment in der Geschichte, an dem ich nicht da war. Wie kann ich einen Moment sehen, an dem ich nicht im Leben war? Das ist doch eigentlich unmöglich, das ist gegen alle Gesetze der Natur, aber die Fotografie macht es möglich.

Gegenstand deiner Künstlerischen Forschung ist die Reise Hans Thomas in die Niederlande – warum hast du diese als Ausgangspunkt deiner Arbeit gewählt?

Als wir das erste Mal in Bernau im Hans-Thoma-Museum zur Besichtigung waren, habe ich eine Tafel gesehen, auf der die Biografie von Thoma wiedergegeben wurde. 1898 war eine Reise in die Niederlande vermerkt. Das hat bei mir Interesse geweckt und ich habe mich gefragt, was Hans Thoma in den Niederlanden gemacht hat. Ich habe schon in meiner vorherigen Serie für die Kunsthalle Karlsruhe – das Karlsruher Skizzenbuch – mal leicht zu Thoma recherchiert und Biografien über ihn gelesen, aber ich habe nie etwas über die Reise in die Niederlande entdeckt. Das hat mich dann interessiert und ich dachte, dass ich dazu mehr erfahren muss. Ich fragte Frau Köpfer [Leiterin des Hans-Thoma-Kunstmuseums], ob es hierzu Briefe gibt, woraufhin sie mir einige gab. Später fanden wir noch mehr Briefe zu seiner Holland-Reise und weitere Stellen, in denen er beschrieb, wo er war. Das hat mich auch deshalb interessiert, weil ich selbst aus den Niederlanden komme. Da entstand die Idee 1898, das Jahr, in dem die Reise stattfand, nun mittels einer Fotografie-Serie zu rekonstruieren.

Abbildung eines Gummidruckes von Marcel van Eeden, das den Strand von Scheveningen zeigt. Auf dem Bild steht oben die Jahreszahl 1898.

Bernau im Schwarzwald ist der Geburtsort Hans Thomas und Ort deiner Ausstellung. Wie blickst du auf das Aufeinandertreffen deiner zeitgenössischen wie auch kritischen Kunst und dem traditionellen Heimatfest am Tag der Preisverleihung?

Ich glaube es ist ein Clash. Das war nicht mein Ziel, es ist vielmehr etwas, dem ich nicht mehr aus dem Weg gehen konnte.

In meiner Recherche haben wir Briefe von Thoma gefunden, die bislang nicht publiziert wurden.

Ich habe während der Recherche zu der Reise Thomas nach Holland entdeckt, dass der Grund für die Reise auch die Rembrandt-Ausstellung, die zu Ehren der Königin Wilhelmina stattfand, 1898 in Amsterdam war. In den weiteren Recherchen habe ich bemerkt, dass Hans Thoma zehn Jahre lang gut befreundet war mit Julius Langbehn, der das Buch Rembrandt als Erzieher geschrieben hat. Das hat Rembrandt in Deutschland bekannt gemacht. In Frankreich war er bei den Impressionisten schon länger bekannt, in Deutschland kannte man zwar auch schon seinen Namen, er galt aber noch nicht als der große Maler. Durch das Buch von Langbehn ist Rembrandt auch bei den Deutschen sehr bekannt geworden, viele reisten deshalb zur Ausstellung nach Amsterdam. So auch Hans Thoma.

In den Briefen zwischen Thoma und Langbehn wird deutlich, dass Langbehn als völkisch gesinnter Kulturtheoretiker einen großen Einfluss auf Thoma hatte. Aber auch Thoma selbst äußert sich an verschiedenen Stellen völkisch-national und auch antisemitisch. Das war etwas ganz Unerwartetes und als Fund auch ernüchternd.

Nun ist sie da, die Dissonanz zwischen meiner kritischen Arbeit und dem Hans-Thoma-Fest. Es war nicht meine Absicht, aber ich finde, wenn man eine seriöse Ausstellung machen will, muss man eine seriöse Arbeit leisten. Die Ausstellung ist nicht Teil des Festes, deshalb finde ich, dass man hier ernst sein kann, ohne dass das Fest dadurch gestört wird. Aber ich merke schon, dass man bisher Hans Thoma lieber gefeiert hat und nun muss man mit den neuen Fakten, die präsentiert werden, umgehen. Die müssen eingeordnet werden und das erfordert intensive Arbeit.

Das war nicht mein Ziel, es ist vielmehr etwas, dem ich nicht mehr aus dem Weg gehen konnte.

Völkisch-nationale Ansichten und auch antisemitische Äußerungen Hans Thomas hast du subtil in deine Serie 1898 integriert, sie erscheinen als Brüche zwischen den stimmungsvollen Aufnahmen aus Amsterdam, Den Haag oder auch Bernau – was meinst du, inwiefern wird dieser noch relativ neue Aspekt zu Thomas Weltanschauung auch die Rezeption seines künstlerischen Erbes verändern?

Das ist für mich als Künstler schwierig einzuschätzen, das musst du als Kunsthistorikerin sagen. Ich glaube aber, Hans Thomas Spätwerk wird ohnehin nicht mehr als so wichtig erachtet. Sein Frühwerk mit den frühen Schwarzwald-Studien war sehr wichtig. Der Naturalismus, wie ihn bspw. auch Corot ausübte, war innovativ. Einfach nur einen Bauern zu malen, war damals eine Neuheit und dafür war seine Kunst wichtig. Er hat sich damals auch als junger Künstler dargestellt. Als dann später die Kontakte zu u.a. Cosima Wagner stärker geworden sind, ist seine Arbeit in eine Art verkrampften Symbolismus gerutscht, der gar nicht mehr interessant ist und auch nicht mehr gut.

Ja, das kann ich nachvollziehen, wobei mir auch noch viele Lücken in der kunstwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Thoma auffallen, gerade im Spätwerk. Es wird nun sicherlich eine neue Debatte geben, bei der ich mir grundsätzlich die Frage stelle – da dies nicht nur Hans Thoma betrifft, sondern auch andere Künstler aus völkisch gesinnten Kreisen – welche Haltung wir im Kulturbereich einnehmen, wenn wir merken, dass neue biografische Fakten auftauchen, die in der Vermittlung problematisch sind, weil sie unseren heutigen Grundwerten widersprechen. Was bedeutet die Weltanschauung für das Schaffen, das Œuvre? Wo gibt es eine Beziehung zwischen der Haltung und dem Werk des Künstlers, und wo gibt es sie nicht? Lässt sich beides entkoppeln, oder wäre das zu einfach? Wieviel Kontextualisierung hält die Kunst aus, bevor sie zur historischen Quelle gerät? – Und diese Debatte wird nun von der Ausstellung weiter vorangebracht.

Ich denke auch, dass man zwischen dem frühen und dem späten Thoma differenzieren muss, die beiden kann man nicht miteinander vergleichen. Aber wenn ich auf das Museum hier in Bernau blicke, ist das eine Chance, sich dem frühen Thoma zu widmen, und sich auch mehr auf den Kontext des späten Thoma zu konzentrieren. Die Debatten des 19. Jahrhunderts, den ganzen Antisemitismus, den völkischen Nationalismus kann man hier behandeln und diskutieren. Wenn man das Umfeld von Hans Thoma miteinbezieht, gibt es dem Ganzen eine neue Dimension und mehr Tiefe.

1898

Die Ausstellung 1898 von Marcel van Eeden ist bis zum 15. Oktober 2023 im Hans-Thoma-Kunstmuseum in Bernau im Schwarzwald zu sehen. Die Werkschau wurde organisiert von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Hans-Thoma-Kunstmuseum.

Prof. Dr. Frédéric Bußmann im Gespräch mit Anke von Heyl, 14. Juli 2023

Prof. Dr. Frédéric Bußmann im Gespräch mit Anke von Heyl

Prof. Dr. Frédéric Bußmann übernimmt zum 1.8.23 die wissenschaftliche Direktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und leitet künftig gemeinsam mit Geschäftsführer Florian Trott das Museum.

Kunsthistorikerin, Moderatorin und Kulturberaterin Anke von Heyl sprach mit ihm u.a. über seine Visionen und Vorhaben als Direktor, die (digitale) Transformation, neue Zielgruppen sowie die Zukunft von Museen und Ausstellungen.

Lieber Frédéric, ich habe mich sehr gefreut, als ich erfuhr, dass du neuer Direktor der Kunsthalle Karlsruhe bist. Zum einen natürlich, weil ich der Kunsthalle sehr verbunden bin und ihr nur die Besten wünsche! Zum anderen, weil ich dich und dein Engagement für das Digitale auf Twitter verfolgt habe und wir zuletzt ja auch über eine Kulturinstanz auf Mastodon im Austausch waren. Deswegen zielt meine erste Frage auch in diese Richtung: Wie hältst du es mit dem Digitalen? Welchen Stellenwert nimmt unter deiner Leitung die Digitalität in der strategischen Ausrichtung der Kunsthalle Karlsruhe ein?

Das Digitale wird einen hohen Stellenwert einnehmen! Auch wenn ich in einer analogen Welt aufgewachsen bin – was ich als einen großen Reichtum empfinde –, habe ich mich seit Mitte der 1990er Jahre intensiv mit digitaler Kommunikation und dem Internet auseinandergesetzt. Das Digitale bildet inzwischen die Grundlage unserer Arbeits- und Kommunikationsprozesse, im Digitalen spielt sich ein Großteil der Debatten und der Öffentlichkeit ab. In der Kunsthalle Karlsruhe werden bereits seit einigen Jahren intensiv und differenziert digitale Techniken im Bereich der Kommunikation und Vermittlung genutzt. Das möchte ich fortführen und dort, wo sinnvoll, noch stärken. Auch unsere gesamte Arbeit sollte digital und vernetzt passieren. Das hat natürlich auch Auswirkungen darauf, wie wir uns organisieren und kommunizieren. Es ist also ein umfassender Prozess, der sich auf interne Abläufe ebenso auswirkt wie auf unser Verhältnis zum Publikum. Das berührt auch Fragen der Expertise, des auktorialen Erzählens sozusagen, wer darf wie auf welcher Grundlage und Autorität sprechen, und kann zu einer Öffnung von Wissen und Teilhabe führen. Dabei geht nicht um das Spiegeln des Analogen im Digitalen, sondern um eigene digitale Angebote und Realitäten, die für sich stehen.

Nichtsdestotrotz sind Museen aus meiner Sicht zuvorderst analoge Räume mit zumeist analogen Objekten; gerade die Kunsthalle Karlsruhe hat eine wunderbare Sammlung von herausragenden und zum Teil sehr alten Kunstwerken, die über eine hohe Präsenz im Raum verfügen. Die Wahrnehmung von Objekten im Raum durch Menschen und die Reflektion darüber steht meiner Auffassung von Museum nach im Fokus aller Bemühungen. Aber ich will hier keinen künstlichen und überflüssigen Widerstreit von Analog und Digital heraufbeschwören, sondern das Beste beider Welten nutzen.

Es geht nicht um das Spiegeln des Analogen im Digitalen, sondern um eigene digitale Angebote und Realitäten, die für sich stehen.

Die Tradition der Kunsthalle Karlsruhe ist beeindruckend! Eine der ältesten Sammlungen Deutschlands. Wer die Kunstgeschichte liebt, der kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Für mich ist es aber immer wieder eine große Herausforderung, Kunst an die Bedarfe einer sich derzeit extrem wandelnden Gesellschaft anzuschließen. In Chemnitz habt ihr ja von den Kunstsammlungen initiiert einen Open Space in der Stadt eingerichtet, was ich fantastisch finde. Nimmst du solche Konzepte auch mit nach Karlsruhe?

Karlsruhe hat eine beeindruckende und traditionsreiche Sammlung auf höchstem europäischen Niveau. Diese muss in die Gegenwart übersetzt werden, gerade auch die Alten Meister mit ihren vielfältigen religiösen Bezügen. So sind die Vermittlungsarbeit und das Übersetzen der vergangenen Zeiten in die heutige gesellschaftliche Realität, die Schaffung von Relevanz für unsere Gegenwart, eine der großen Herausforderungen des Museums. Jedes Museum bewegt sich von der Geschichte und Sammlung her, den Traditionen, den identitätsstiftenden Elementen, der Programmatik und künstlerischen Ausrichtung in einem jeweils sehr spezifischen Kontext, was ja gerade den Reichtum der Museumslandschaft in Deutschland ausmacht. Und jedes Museum hat eigene Publika und gesellschaftliche Kontexte, mit denen es im Dialog steht. Diese Dialogbereitschaft, nicht nur senden zu wollen, sondern auch zu empfangen und zu reflektieren, setzt voraus, dass ein Museum sich öffnet, aus der Komfortzone normativer Räume auch mal ausbricht und neue Orte bespielt, neue Publika in den Fokus rückt und neue Ansprachen wählt.

Der Chemnitz Open Space funktionierte sehr gut, hat wichtige Impulse durch das gemeinsame Bespielen des Ortes mit anderen Institutionen und Vereinen, mit Initiativen und Bürger:innen in die Stadtgesellschaft gegeben. Das Museum hat das Umfeld ein Stück weit ‚empowert‘ und umgekehrt auch an Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit gewonnen. In Karlsruhe angekommen, werde ich mehr über die Stadt(gesellschaft) lernen, die Situation, die Menschen und Diskussionen besser kennenlernen, um zu verstehen, wie wir mit dem Team zusammen die richtigen Projekte und Räume entwickeln können. Hier finde ich es zum Beispiel sehr wichtig, dass es die Junge Kunsthalle gibt und auch die neue Heimstätte im ZKM kann durch die neuen Nachbarschaften viel produktive Energie auslösen. Vielleicht lassen sich noch weitere Orte finden, um bei ganz unterschiedlichen Communities als Partner präsent zu sein?

Karlsruhe hat eine beeindruckende und traditionsreiche Sammlung auf höchstem europäischen Niveau. Diese muss in die Gegenwart übersetzt werden.

Unlängst wurde eine neue Museumsdefinition bei ICOM veröffentlicht, die wohl ziemlich lange diskutiert worden ist. Mir gefällt an der neuen Position vor allem der Aspekt der Vielstimmigkeit, den Museen nun auch als ihre Aufgabe ansehen. Wir sprechen hier den Wandel der Institutionen und die Transformation im Kulturbereich an. Was ich beobachte: Wenn es ans Machen geht, gibt es durchaus immer noch viele Hürden. Wie ist deine Haltung generell im Hinblick auf die zukünftige Rolle von Museen.

Ich empfinde Vielstimmigkeit nicht als Unstimmigkeit, sondern als Bereicherung. Insofern begrüße ich die Erweiterung der ICOM-Museumsdefinition, da ich Museen nicht als abgeschlossene Systeme sehe, sondern immer im Dialog mit dem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld. Das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft war immer im Wandel, das war nie statisch, gerade seit der Moderne. Traditionell simulieren Museen aber Ewigkeit, Beständigkeit und Anspruch auf die eine Wahrheit, daraus gründet sich ein Stück weit auch die öffentliche Förderung und das symbolische Kapital von Museen, besonders von Kunstmuseen. Aber natürlich wissen wir, dass dieser Anspruch nur eine Behauptung ist, die immer wieder neu verhandelt, begründet und auch kritisch hinterfragt werden muss. Damit will ich nicht die Grundfesten der Museumsarbeit im Bewahren, Sammeln, Erforschen und Vermitteln in Frage stellen, aber es ist klar, dass sich der Blick und das Verständnis von Kunst und von Museen in einem kontinuierlichen Wandel befindet. Deshalb hat jede Generation aufs Neue das Recht-vielleicht sogar die Pflicht -eigene Perspektiven, Argumentationen und Interpretationen zu entwickeln, was ja der Kern der Geschichtswissenschaft ist. Unsere Diskurse ändern sich, entsprechend auch das Verhältnis von Kunst, Institution, Publikum und Gesellschaft. Die Vermittlung tritt gleichberechtigt in den Dialog mit der Wissenschaft, kulturelle Teilhabe ist eine zentrale Forderung auch an Museen, unterschiedliche Publika reklamieren Repräsentanz in den öffentlich geförderten Einrichtungen, Multiperspektivität gibt Raum für Horizonterweiterungen und neue Sichtweisen, die nicht die wissenschaftlich-kuratorische Sicht ersetzen, aber ergänzen kann. Dem sollten wir angemessen begegnen, uns öffnen und diese neuen Nachbarschaften, die uns bereichern, suchen und schätzen lernen, ohne Angst vor Veränderungen zu haben.

Es geht nicht darum, auf einmal alles anders zu machen und keine wissenschaftliche Grundlage für die eigene Arbeit zu haben, sondern darum, das Gute zu bewahren, sich zugleich auf Experimente einzulassen und die Vielstimmigkeit wie bspw. durch neue Nachbarschaften als Bereicherung und nicht als Bedrohung zu sehen.

[…] Damit will ich nicht die Grundfesten der Museumsarbeit im Bewahren, Sammeln, Erforschen und Vermitteln in Frage stellen, aber es ist klar, dass sich der Blick und das Verständnis von Kunst und von Museen in einem kontinuierlichen Wandel befindet.

Du bist in Frankreich geboren und hast schon woanders gesagt, dass die Sammlung der Kunsthalle mit eindeutig französischem Einschlag ein Grund war, warum dich der Posten als Direktor gereizt hat. Das ist eine tolle Ausgangslage, wenn man auch über die regionalen Grenzen hinaus wirken will. Hier können Marketing und Vermittlung im Sinne des Audience Development viel leisten. Hast du schon Ideen mitgebracht, das auszubauen?

Frankreich war lange Zeit kultureller und künstlerischer Referenz- und Anziehungspunkt für weite Teile Deutschlands und hat auch die Sammlung in Karlsruhe mitgeprägt. Grundsätzlich möchte ich die sowieso schon guten Beziehungen zu Frankreich und französischen Institutionen weiter ausbauen und mit Leben füllen. Die europäische Integration ist das große Friedensprojekt des 20. Jahrhunderts und Grundlage für unsere Zukunft. Diese muss gelebt werden, gerade mit Blick auf unseren Nachbarn Frankreich, galten unsere westlichen Nachbarn doch über Generationen hinweg als Erbfeind und wurden dann zu den engsten Verbündeten für ein friedliches und prosperierendes Europa. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass wir unsere Präsenz in Frankreich weiter erhöhten, gemeinsame Ausstellungsprojekte entwickelten, den Austausch vielleicht auch auf personeller Ebene vorantrieben und anderes mehr anstießen. Karlsruhe ist hier ein natürlicher Brückenkopf nach Frankreich, sodass ich auf kuratorisch-wissenschaftlichem Gebiet, aber auch mit Blick auf Marketing in der Europaregion und durch Vermittlung die Beziehungen vertiefen möchte. Wir müssen bei unseren Nachbarn präsent sein, attraktive Angebote machen.

Karlsruhe ist ein natürlicher Brückenkopf nach Frankreich […]

Man weiß von dir, dass dir Demokratiebildung ein wichtiges Anliegen ist und du dich auch politisch engagierst. Ich verfolge in Debatten die Haltung – ehrlich gesagt öfter aus der Perspektive der Kunstmuseen – dass man als Museum ein neutraler Ort bleiben müsse. Meiner Meinung nach bieten sich aber auch bei Bildender Kunst viele Chancen, dass man dem Denken eine andere Richtung geben könnte, oder? Was ist deine Meinung dazu?

Museen sind Bildungsinstitutionen und sind Orte der kulturellen Teilhabe und damit auch der demokratischen Prozesse. Ich denke nicht, dass es neutrale Orte gibt, auch eine vordergründige Neutralität ist eine Aussage. Im Zweifelsfall kann einem die noble Zurückhaltung als Desinteresse oder gar Zustimmung ausgelegt werden. Parteipolitisch sollten Museen sich neutral verhalten, aber ich sehe Museen als gesellschaftliche Akteure, die sich in bestimmten Konstellationen mit ihren Mitteln in gesellschaftspolitische Debatten einbringen können. Museen können durchaus Debatten führen, andere Impulse setzen, andere Zugänglichkeiten zu kritischen Themen schaffen, vielleicht auch über Emotionen und soziale Verbindungen zu einem Kern von Konflikten und Kontroversen vorstoßen, die über einen rein wissenschaftlichen Diskurs hinausgehen und die Menschen zur Reflektion animieren können. Auch viele zeitgenössische Künstler*innen beschäftigen sich mit politischen und gesellschaftlichen Fragen, ihre Arbeit kann eine große Bereicherung für Museum und Publikum sein, da wir im Idealfall verstehen und erleben können, wie unser eigenes Denken bereichert wird, wie unsere festen Standpunkte vielleicht auch in Frage gestellt werden und wir uns kritischen Debatten in der offenen Gesellschaft stellen können.

Parteipolitisch sollten Museen sich neutral verhalten, aber ich sehe Museen als gesellschaftliche Akteure, die sich in bestimmten Konstellationen mit ihren Mitteln in gesellschaftspolitische Debatten einbringen können.

Ich komme nochmal auf das Thema Transformation zurück. Alles, was wir bis hierhin gesprochen haben, muss gelebt, muss umgesetzt werden. Und wenn wir über Wandel verbunden mit Veränderung sprechen, dann stellt sich auch die Frage nach neuen Arbeitsformen und -weisen. Es ist von dir das Stichwort Experiment an anderer Stelle schon angesprochen worden und es gibt mit der Schließungszeit eine spannende Situation, in der man möglicherweise Dinge anders angehen könnte. Was sind aus deiner Sicht wichtige Voraussetzungen, um sich auch auf Experimente (und möglicherweise Neues und Radikales) einlassen zu können?

Die Phase des Umzugs hat das Team viel Energie abverlangt. Das ist wohl ein einmaliger Vorgang in einem Museum, dass die gesamte Sammlung, Archive, Bibliothek, Büros und Werkstätten ausgelagert werden müssen. Nun gibt es eine sehr gute Bürosituation und eine gute Präsentation der Sammlung im ZKM, sodass der Blick in die Zukunft gerichtet werden kann in einem neuen Umfeld jenseits der alten Komfortzone, jenseits der eingefahrenen Wege und Vorstellungen. Das kann ja den Blick erfrischen, neue Perspektiven können eingenommen werden, neue Formate versucht und neue Nachbarschaften erkundet werden. Die Sanierungsphase bietet uns als Team Gelegenheit, uns zu unseren Vorstellungen von Museum, unserer Arbeitsweise und Strukturen, auch unserem Verhältnis nicht nur zu Kunst und Künstler*innen, sondern auch zu Stadt und Gesellschaft zu befragen, unser Selbstverständnis abzuklopfen, oder eben auch ephemere Präsentationen an eher ungewöhnlichen Orten zu bespielen, unsere Angebote und Kommunikation offener zu gestalten und zu den Menschen hinzugehen. Wir werden nicht alles überall machen können, auch nicht alles für alle, aber differenziert bestimmte Angebote machen und Dinge ausprobieren. Somit können wir diese Zeit zum Lernen nutzen, um mehr über unsere eigene Arbeit und unsere Publika erfahren und hoffentlich dann produktiv in unsere Arbeit im dann sanierten Museum weiterzuführen.

[…] neue Perspektiven können eingenommen werden, neue Formate versucht und neue Nachbarschaften erkundet werden.

Museen sind auch forschende Institutionen. Gibt es neuere kunsthistorische Forschungsfelder, die auch für die Kunsthalle Karlsruhe spannende Impulse liefern könnten? Mit welchen Fragen könnte man vielleicht auch die Sammlung neu beleuchten?

Ich persönlich verfolge einen eher kulturhistorischen Ansatz der Kunstgeschichte, habe mich immer auch für den historischen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontext von Kunst interessiert, entsprechend meine Dissertation über das Sammeln als Strategie im Rahmen politischer und kultureller Rivalitäten im Frankreich der Aufklärung geschrieben. In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben weitere wissenschaftliche Ansätze und Forschungsbereiche die Kunstgeschichte geprägt, bildwissenschaftliche Ansätze und globale Perspektiven wie sie ja etwa Hans Belting als lange Zeit prägender Kopf der HfG Karlsruhe vertreten hat, die Entgrenzung der Künste und ihre Intermedialität, feministische Ansätze bzw. Genderfragen oder der Blick auf den kolonialen Kontext und postkoloniale Ausrichtungen. Neuere Forschungsansätze werden ja mit großem Erfolg seit Längerem bei uns betrieben, und auch die Öffnung zur Fotografie unter eher bild- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen wurde gerade vollzogen. Aber im Museumsbetrieb gibt es ja in der Regel eine ganze Reihe von Wissenschaftler*innen jenseits des Direktors, die ihre eigenen Ansätze haben und am wissenschaftlichen Austausch teilhaben. Ich bin hier völlig offen für andere wissenschaftliche Ansätze, die im Kontext der Sammlung von Bedeutung sein können, welche genau das sein könnten, wird sich zeigen, wenn ich mich vor Ort intensiv mit der Sammlung auseinandersetzen konnte.

Neuere Forschungsansätze werden ja mit großem Erfolg seit Längerem bei uns betrieben, und auch die Öffnung zur Fotografie unter eher bild- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen wurde gerade vollzogen.

Vielleicht können wir am Schluss auch noch einmal das Thema Nachhaltigkeit in den Blick nehmen. Und in dem Zusammenhang auch die Vorstellung von Blockbuster-Ausstellungen. Hältst du die weiterhin für notwendig? Auch im Hinblick auf die Wahrnehmung beim Publikum?

Die Frage zielt auf ein großes Dilemma der Museumsarbeit, dem wir uns stellen müssen und zu der ich noch keine befriedigende Antwort habe. Die Forderung, die sich in den letzten Jahren mit einer enormen Geschwindigkeit angesichts der dramatischen Entwicklung im Bereich des globalen Klimas und der nahenden Kipppunkte durchgesetzt hat, ist wohl klar: Klimaneutralität bis 2030. Ich unterstütze diese Forderung und möchte mit meiner Arbeit dazu beitragen, dass wir das schaffen können. Zugleich weiß ich aber, etwa mit Blick auf die Sanierung der Kunsthalle, dass wir hier noch nicht die optimale Lösung und Ansätze in allen Bereichen haben. Mit Blick auf das Ausstellungsprogramm zeigt sich das Dilemma darin, dass wir wissen, dass sogenannte Blockbuster-Ausstellungen nicht mehr zeitgemäß sind, ökologisch und bisweilen auch ökonomisch, aber dass die großen und vielbesuchten Publikumsmagneten häufig immer noch darin bestehen, bekannte Werke von bekannten Künstler*innen mit großem Aufwand aus aller Welt zusammenzubringen. Zuletzt war dies zu beobachten bei der Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum in Amsterdam, die nach vier Tagen ausverkauft war und die, das muss ich zugeben, auch ich mit großem Gewinn gesehen habe. Mein Wunsch wäre es, beim Publikum, aber auch bei Geldgebern und Trägern dafür zu werben, dass auch die weniger ressourcenverbrauchenden Ausstellungen, gerade auch solche, die aus eigenen Beständen sich speisen, toll und von hohem Interesse sein können, Vergnügen bereiten, wissenschaftlich anspruchsvoll und den Horizont erweitern können. Aber das wird nicht einfach, da sind auch gesamtgesellschaftliche Veränderungen notwendig, sodass wohl beides gemacht werden muss, dabei aber mit großer Sorgfalt auf ein möglichst nachhaltiges Arbeiten in möglichst allen Bereichen geachtet werden sollte.

Mit Blick auf das Ausstellungsprogramm zeigt sich das Dilemma darin, dass wir wissen, dass sogenannte Blockbuster-Ausstellungen nicht mehr zeitgemäß sind, ökologisch und bisweilen auch ökonomisch, aber dass die großen und vielbesuchten Publikumsmagneten häufig immer noch darin bestehen, bekannte Werke von bekannten Künstler*innen mit großem Aufwand aus aller Welt zusammenzubringen.

Ich bin mir sicher, dass der Kurator in dir schon eine genaue Vorstellung von Ausstellungen hat, die du gerne umsetzen würdest. In mir schlägt ja das Vermittlerinnenherz und deswegen würde mich neben deiner Vision einer perfekten Ausstellung auch interessieren, was hier deine Rezepte für Relevanz und Wirkung beim Publikum wären.

Auch hier eine Kernfrage zur Museumsarbeit, zur Relevanz unserer Arbeit, auf die ich keine schnelle Antwort geschweige denn ein Rezept habe. Ich muss zugeben, dass ich die Frage der Relevanz durchaus auch mit ein wenig Unbehagen sehe: Wer will nicht relevant sein? Aber was ist relevant und ist Relevanz wichtiger als alles andere? Grundsätzlich sollte unsere Arbeit, sollten Ausstellungen, Vermittlungs- und Forschungsprojekte, ihre Fragen aus unserer Gegenwart heraus zu stellen, mit Fragestellungen, die etwas mit unserem Leben zu tun haben, in einem Museum, das mitten im Leben der Menschen steht und das ein Sensorium für die Wirklichkeit um das Museum herum, die Notwendigkeiten und Bedürfnisse hat. Das ist nicht als Populismus zu verstehen, sondern als Ausdruck eines offenen Dialogs mit unserem Publikum. Ein Beispiel: Wir haben in Chemnitz vor zwei Jahren ein Audience Development-Projekt mit Besucher*innen und Nicht-Besucher*innen durchgeführt. In beiden Gruppen wurde häufig der „mangelnde Bezug zu meinem Leben“ als Kritikpunkt genannt. Relevanz ist also nicht nur eine Frage des Selbstverständnisses, der gesellschaftlichen Bedeutung, der Glaub- und Förderungswürdigkeit, sondern auch ganz konkret auf je unterschiedliche Weise für das Publikum und dem Zuspruch wichtig. Aber so divers die Publika, so unterschiedlich die Auffassung, was als relevant empfunden wird. Das Spektrum ist weit und ich könnte unzählige Beispiele aufzählen, was im Museum alles gesucht wird, sodass ich am Ende ein wenig unschlüssig vor diesem Begriff der Relevanz stehe. Deswegen denke ich, dass wenn wir uns die Frage nach der Relevanz von Themen, Ansprachen oder Methoden stellen, sollten wir von den aktuellen wissenschaftlichen Fragen und gesellschaftlichen Debatten ausgehen und diese zusammendenken mit den Bedürfnissen eines diversen Publikums. Wir sollten den Dialog suchen, um unterschiedliche Erwartungshaltungen und relevante Fragen zu verstehen und diese in unsere eigene Arbeit einfließen zu lassen. Wir sind im Museum Kompliz*innen der Künstler*innen, Hüter*innen der Sammlungen und Freund*innen des Publikums. Am Ende des Tages sehe ich aller berechtigten Kritik an der Institution zum Trotz im Museum einen Ort der Aufklärung, das Selbstbewusstsein steigern und Selbstermächtigung anregen soll, und dies können wir nur tun, wenn das Publikum uns als relevant für das eigene Leben wahrnimmt.

Wir sind im Museum Kompliz*innen der Künstler*innen, Hüter*innen der Sammlungen und Freund*innen des Publikums.

Vielen Dank, lieber Frédéric Bußmann für das Gespräch. Ich wünsche ganz viel Erfolg für den Start in der Kunsthalle Karlsruhe und freue mich, wenn wir uns dann in Karlsruhe irgendwann einmal persönlich kennenlernen. Bis dahin verfolge ich weiter als critical friend alles, was Ihr zukünftig vorhabt.

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